“Ingrid, dein Lied trifft mich mitten ins Herz!”

Psychische Gewalt an Schulen erleben mehr Kinder, als den meisten bewusst ist. Ein Sing- und Tanzvideo der Lustenauerin Ingrid Hofer soll helfen, Eltern, Lehrer, Gemobbte und Mobbende zu sensibilisieren.
Jedes dritte Kind wurde bereits gemobbt, hat selbst gemobbt oder hat Mobbing unmittelbar erlebt. Noch vor wenigen Jahren war es jedes fünfte Kind, sagt Michaela Uitz-Steinhauser von der Koordinationsstelle Mobbing der Bildungsdirektion Vorarlberg. An sie und ihre Kollegin Elfriede Böhler von der Koordinationsstelle Mobbing können sich alle wenden, die Hilfe benötigen. Sie vermitteln gerne weiter; direkt zuständig sind sie für Schülerinnen, Pädagogen und Eltern im Pflichtschulbereich.
Selbst von Mobbing betroffen
Ingrid Hofer wurde in der Volksschule selbst gemobbt. Was genau passiert ist, weiß sie nicht mehr im Einzelnen. Aber sie kann sich noch genau daran erinnern, wie es sich angefühlt hat. „Ich wollte einfach nur dazugehören!“, sagt sie rückblickend. Sagt das wirklich Ingrid Hofer, die Autorin von Teddy Eddy und seinen frechen Abenteuern? Die blonde Ingrid Hofer, die heute wirkt, als hätte sie immer dazugehört? Ganz genau.
„Ich war eine der Klassenbesten, das war, glaube ich, mein Hauptproblem. Ich kann mich an das Geflüster erinnern und daran, dass Lügen über mich erfunden und verbreitet wurden. Nach der zweiten Klasse wollte ich wechseln, aber unsere Klasse wurde dann sowieso aufgelöst, weil sie zu klein geworden war. Das war mein Glück“, erzählt Hofer. Ihre Eltern haben sie damals so gut sie konnten unterstützt, aber sie wäre froh gewesen, hätte es damals bereits die Koordinationsstelle Mobbing gegeben.
Koordinationsstelle Mobbing
Michaela Uitz-Steinhauser
0043-664 88619008
michaela.uitz-steinhauser@bildung-vbg.gv.at
Elfriede Böhler
0043 664 8861-9001
elfriede.boehler@bildung-vbg.gv.at
oder unter der E-Mail-Adresse
mobbing@bildung-vbg.gv.at
Trainings an Schulen
Viele der Opfer in Schulen schweigen aus Scham. Wenn sie sich einem Erwachsenen anvertrauen, ist es wichtig, ihnen zu signalisieren: „Du bist richtig, du hast nichts falsch gemacht. Wichtig ist, sich gewaltfrei zu wehren.“ In den Sozialtrainings an den Schulen bringen die Trainerinnen Schülern und Pädagoginnen bei, wie gewaltfreies Wehren geht, nämlich klar, kräftig und mit zwei Wörtern: „Hör auf!“ oder „Lass es!“ sowie „Wenn du nicht aufhörst, hole ich mir Hilfe!“
Die Hilfe kommt immer von den Erwachsenen, die Hinweise von Kindern stets ernst nehmen sollten. Uitz-Steinhauser erklärt: „Mobbing ist eine systemische Falle, bei der viele mitspielen. Aus ihr kommt ein Opfer nur mit einer Intervention von außen heraus.“ Mobbing sei ein gruppendynamisches Phänomen. Nur durch die Bearbeitung mit dem gesamten System „Klasse“ oder „Schule“ könne Mobbing langfristig beendet werden. „Mobbing ist kein Konflikt, und darum nützen hier auch keine Opfer-Tätergespräche. Im Gegenteil, sie sind dysfunktional und feuern die Situation nur noch mehr an.“
Erwachsene sollten außerdem daran denken, dass Säuglinge empathiefähig auf die Welt kommen, dass diese Fähigkeit aber eingesetzt und trainiert werden muss, um nicht zu verkümmern. „Wenn nicht genügend Spiegelneuronen ausgebildet werden, können wir uns schlecht in jemand anderen hineindenken und noch schlechter in sie oder ihn hineinfühlen. Wie es dem Gegenüber geht, um das sagen zu können, dafür fehlen dann die neuronalen Grundvoraussetzungen“, sagt Uitz-Steinhauser. Inzwischen liegt das oft daran, dass Kinder mit dem Handy aufwachsen. Was dort zu sehen ist, mag spannend sein. Ein Gegenüber, das auf das Kind reagiert, es spiegelt, kann das Handy nicht ersetzen.
Weiterführende Informationen
Auf Facebook und Instagram kann man sich unter „mobbing_vorarlberg“ beziehungsweise „#mobbing“ weiter zum Thema informieren.
Neuer Zugang
Die beiden Fachfrauen von der Koordinationsstelle Mobbing wollten das Thema noch einmal anders angehen: Kindgerecht, die Sinne ansprechend, als Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung auf Augenhöhe. Ein Lied sollte es sein. „Die Macht der Musik ist nicht zu unterschätzen“, bemerkt Uitz-Steinhauser. Nach einem längeren Vorlauf fanden sie Ingrid Hofer, die für Kinder nicht nur Bücher, sondern auch Lieder schreibt. Hofer erzählt: „Wir haben telefoniert und noch während ich aufgeschrieben habe, was den beiden von der Koordinationsstelle wichtig ist, ist in meinem Kopf der Refrain entstanden.“
Nach wenigen Tagen stand der Rohling. Uitz-Steinhauser und Elfriede Böhler haben nur noch Feinheiten angemerkt, zwischen ihnen und der Songwriterin hat es einfach gepasst. Alle sind sich sicher, dass Hofers eigene Erfahrungen als Mobbingopfer zu einem stimmigen Ergebnis beigetragen haben. „Für mich war die Arbeit am Lied sehr emotional. Dieses Thema noch einmal auf diese Art aufzugreifen, hat mich durchaus getriggert. Emotional bin ich noch einmal in meine Zeit als Kind zurückgekehrt.“ Es ist mutig, dass Hofer Mobbing zum Thema macht, und dieses Lied ist ganz anders als jene, die sie bisher veröffentlicht hat. Aber es berührt, es ist komplex und hat verschiedene Ebenen, und Hofer bekommt bereits jetzt entsprechendes Feedback, obwohl bisher nur ein Ausschnitt des Songs veröffentlicht wurde.

Emotionale Zeiten
„Was hab ich dir nur getan, bin ein Mensch wie du, siehst du das nicht?“, heißt es in einer berührenden Texpassage. Der Refrain lautet: „Hör auf! Lass es! Ich will in Frieden leben!“
„Ingrid, dein Lied trifft mich mitten ins Herz. Ich wurde von meiner Lehrerin gemobbt, und das geht mir heute noch nach“, schreibt eine Followerin der Autorin und Singersongwriterin. Hofer hat rund 50.000 Follower in den sozialen Medien. Sie hofft, dass diese Bandbreite für ein entsprechendes Echo sorgen wird. „Wenn nur einem Kind dadurch geholfen werden kann, bin ich schon sehr froh“, sagt Hofer. Sie erzählt, dass sie oft gesagt bekommt: „Die starke Ingrid, dir fällt doch alles in den Schoß.“ Hofer ist froh, dass sie nun öffentlich zeigen kann, dass das so nicht stimmt: „Allerdings bin ich keine, die aufgibt.“

Persönliche Angelegenheit
In den Augen der Lustenauerin ist das Lied „unglaublich persönlich“. Die Liedermacherin resümiert: „Ich bin froh, so ein schweres Thema angepackt zu haben. Das hätte ich ohne die Koordinationsstelle Mobbing wohl nicht gemacht.“ Hofers Arrangeur hat das Lied am Ende rund gemacht und aufgenommen, mit der Dance Art School Dornbirn ist der zugehörige Tanz entstanden. Hinzu kam darüber hinaus noch der Schulchor Langenegg. Von allen ist ein professionelles Video entstanden, das bald über sämtliche Kanäle verbreitet werden soll. Uitz-Steinhauser und Böhler von der Koordinationsstelle Mobbing sagen: „Ingrid Hofer ist für uns ein echter Glücksgriff.“ Sie streben österreichweite Kooperationen mit weiteren Hilfsnetzwerken an, die das Video weiter verbreiten können.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.
Der Song ist ab Donnerstag, den 22. Februar, auf allen Social Media-Kanälen abrufbar, dazu gibt es den Video-Clip „Wehr dich! Aber gewaltfrei!“