“Masern sind keine banale Infektionskrankheit”

In Österreich steigt die Zahl der Masernfälle. Daniela Jonas über die Gründe dafür und warum eine Impfung essentiell ist.
Die Masern halten Einzug in Österreich. Während im gesamten Jahr 2023 österreichweit laut Angaben der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) 186 Masernfälle gemeldet wurden, sind im aktuellen, noch keine zwei Monate alten Jahr bereits 129 Fälle (Stand Dienstag) gemeldet. Mit weiteren Fällen sei zu rechnen, so die AGES auf ihrer Website. Vor rund zwei Wochen wurde schließlich auch der erste Masernfall des Jahres in Vorarlberg gemeldet. Wie kann es sein, dass diese Krankheit plötzlich so auf dem Vormarsch ist?
Rückgang der Impfdosen
Eine Antwort kann man in einer Anfragebeantwortung des Gesundheitsministers Johannes Rauch (Grüne) finden. Dort ist die Anzahl der abgerufenen Impfdosen des kostenlosen Kinderimpfprogrammes nach Bundesländern aufgeschlüsselt. 2022 ist das letzte Jahr mit vollständigem Datensatz. Während die Zahl der abgerufenen Impfdosen gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) im Vergleich zum Vorjahr in den meisten Bundesländern und auch in Gesamtösterreich anstieg, sind sie in Vorarlberg rückläufig. 2021 wurden im Ländle 8970 MMR-Impfdosen angefordert, 2022 waren es 8244.

Woran liegt dieser Rückgang der Impfbereitschaft? Daniela Jonas, Kinderärztin aus Feldkirch und Impfreferentin der Vorarlberger Ärztekammer, macht mehrere Gründe ausfindig: „Zum einen vergisst man das Impfen einfach, weil man so lange mit Masern nichts zu tun hatte. Zum anderen ist die Impfskepsis und die Impfmüdigkeit immer wieder ein Thema.“
Auch die Corona-Pandemie hat ihren Teil zum Problem beigetragen, wie Jonas erklärt: „Während der Pandemiephase haben bei Kindern viele Routineuntersuchungen nicht stattgefunden, bei denen speziell wir Kinderärzte darauf schauen, ob die Kinder geimpft sind. Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen sind ausgefallen und man hat vergessen, diese nachzuholen. Und bei vielen Jugendlichen und Erwachsenen, die nur zum Arzt gehen, wenn sie krank sind, steht das Impfen auch nicht im Vordergrund.“
So verhält man sich bei Verdacht auf Maserninfektion richtig
Hat man die Masern nicht durchgemacht oder keinen vollständigen Impfschutz, besteht ein großes Risiko, nach Kontakt mit einem Infizierten in den darauffolgenden 21 Tagen selbst an Masern zu erkranken. Dann sollte so schnell wie möglich eine MMR-Impfung verabreicht werden. Erfolgt diese in den ersten 72 Stunden, kann eine Erkrankung mitunter verhindert werden. Besteht der Verdacht auf Masern, sollte der Arzt oder das Krankenhaus unbedingt im Voraus telefonisch kontaktiert werden, um eine Übertragung in Warteräumen und Ambulanzen zu verhindern.
Mögliche Komplikationen
Eine Masernerkrankung auf die leichte Schulter zu nehmen, ist nicht empfehlenswert. Daniela Jonas weiß: „Schon bei der Infektion kann man sehr krank werden, hohes Fieber und ein sehr großes Krankheitsgefühl haben. Aber es kann sehr häufig auch zu Komplikationen kommen: Lungenentzündung, Mittelohrentzündung, oder sogar Gehirnhautentzündung.“ Die Masern haben allerdings auch später einen negativen Einfluss auf das Immunsystem. „Man ist mehrere Monate im Nachgang anfällig für weitere Infektionskrankheiten“, erklärt Jonas.
Eine besonders gefährliche Spätfolge der Masern ist die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE). Sie tritt zwar nur äußerst selten auf – laut Daniela Jonas sind von 1000 Masernerkrankten rund fünf Patienten davon betroffen –, verläuft aber in den allermeisten Fällen tödlich. Das Gesundheitsportal „Gesundheit.gv.at“ schreibt online, die Spätkomplikation trete sechs bis acht Jahre nach einer Masernerkrankung auf. Die Folgen von SSPE sind intellektuelle und psychische Veränderungen: Betroffene verschlechtern sich beispielsweise in der Schule, wirken vergesslich und zerstreut oder haben Wutausbrüche und Halluzinationen. Auch neurologische Störungen, etwa Zuckungen, treten auf. In den meisten Fällen verläuft eine SSPE-Erkrankung tödlich.
Herdenimmunität
Gefährdet, solche Komplikationen zu erleiden, sind insbesondere Personen, die sich keine MMR-Impfung abholen können – Babys im Alter von unter neun Monaten sowie immungeschwächte Personen. Sie sind darauf angewiesen, dass sich der Großteil der gesunden Menschen impfen lässt und so eine Herdenimmunität entsteht. 95 bis 98 Prozent doppelte Durchimpfung sei dafür nötig, sagt Daniela Jonas.

Die Kinderärztin fasst abschließend zusammen: „Ich würde auf jeden Fall unterstreichen, dass die Masern keine banale Infektionskrankheit sind. Sie trifft Kinder und Erwachsene genauso, wenn sie nicht geschützt sind und es kann Spätfolgen und schwere Komplikationen geben, die gar nicht so selten auftreten“. Jeder Fünfte habe eine schwerere Erkrankung, etwa eine Lungenentzündung, und einer von 1000 eine Gehirnhautentzündung.
Die Kinderärztin rät daher: „Jetzt wäre es sehr wichtig, dass jeder schaut, ob er die zwei dokumentierten MMR-Impfungen hat. Wenn nicht, kann man einfach zum Hausarzt, zum Kinderarzt oder zur Impfpraxis nach Dornbirn gehen. Die MMR-Impfung ist für jede Altersgruppe kostenlos und sehr gut verträglich.“ Wenn man sich nicht sicher ist, ob man beide Impfungen erhalten hat, kann man sie sich dennoch bedenkenlos abholen. „Masern-Mumps-Röteln kann man nicht überimpfen“, erklärt die Impfreferentin.