„Die Klimakrise sollte uns einen, nicht spalten“

Der Vorarlberger Energievisionär Frank Obrist spricht über klimafreundliche Technologien, globale Zusammenarbeit und die Notwendigkeit, CO₂ aktiv aus der Atmosphäre zu entfernen.
Die Weltklimakonferenz COP29 steht unter dem Motto „Beschleunigung des Übergangs zu klimaneutralen Technologien“. Wie tragen Ihre Technologien zu diesem Ziel bei?
Frank Obrist: Wir haben uns darauf spezialisiert, fossile Brennstoffe wie Erdöl, Gas und Kohle zu ersetzen und dabei gleichzeitig die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre aktiv zu reduzieren. Unsere Technologie basiert auf synthetischem Methanol, das aus CO₂ und Wasserstoff hergestellt wird. Dieses Methanol kann als klimafreundlicher Energieträger verwendet werden und ersetzt fossile Kraftstoffe. Besonders wichtig ist der geschlossene Kohlenstoffkreislauf: Wir entnehmen CO₂ der Atmosphäre, nutzen es als Ressource und verhindern so eine weitere Anreicherung. Gleichzeitig schaffen wir Anwendungen, etwa in der Kohlefaserproduktion, die nachhaltige Alternativen zu bisherigen Verfahren bieten. Diese Kombination ist essenziell, um die CO₂-Belastung zu senken.

Die COP29 dreht sich stark um finanzielle Entschädigungen für betroffene Länder. Wie sehen Sie das?
Obrist: Ich halte finanzielle Entschädigungen für zu kurz gedacht. Diese lösen keine Probleme, sondern sind oft nur symbolische Maßnahmen. Viel wichtiger ist es, in betroffene Regionen zu investieren und dort Wohlstand durch Technologieprojekte zu schaffen. Ein Beispiel sind Wüstenregionen wie Ägypten oder Namibia, die durch den Aufbau von Photovoltaik-Anlagen und Methanolproduktion zu Energieexporteuren werden könnten. Das würde nicht nur CO₂-Emissionen verringern, sondern auch lokale Arbeitsplätze und Infrastruktur schaffen. Solche Projekte bieten langfristige Lösungen, die beiden Seiten – den Industrie- und den Entwicklungsländern – zugutekommen.
Wie bewerten Sie die globale Bereitschaft, klimafreundliche Technologien zu implementieren?
Obrist: Die Bereitschaft ist zwar da, aber es wird noch zu viel geredet und zu wenig gehandelt. Leider drehen sich viele Diskussionen um Schuldfragen, anstatt konkrete Lösungen zu fördern. Ein Beispiel: Nach der COP28 im vergangenen Jahr wurde erstmals das Ziel formuliert, sich von fossilen Brennstoffen abzuwenden. Dieses Jahr auf der COP29 dreht sich die Diskussion jedoch fast ausschließlich um Entschädigungszahlungen. Dabei liegt die eigentliche Aufgabe darin, Technologien zu fördern, die CO₂ aktiv abbauen und gleichzeitig energieeffiziente Alternativen schaffen. Unsere Technologien zeigen, dass dies möglich ist – wenn wir handeln.

Ihr HyperHybrid-System kombiniert Elektro- und Verbrennungsmotoren. Wie unterscheidet sich das von Tesla?
Obrist: Tesla hat mit der Elektromobilität Pionierarbeit geleistet, keine Frage. Aber unser Ansatz geht darüber hinaus. Das HyperHybrid-System setzt auf kleinere Batterien und einen integrierten Stromgenerator, der mit klimapositivem Methanol betrieben wird. Das bedeutet, dass wir nicht nur klimaneutral fahren, sondern aktiv CO₂ aus der Atmosphäre reduzieren. Außerdem ist unser Ansatz wirtschaftlicher: Die kleinere Batterie und der kostengünstige Generator machen das Fahrzeug nicht nur nachhaltiger, sondern auch erschwinglicher. Es geht uns darum, eine Technologie anzubieten, die weltweit eingesetzt werden kann – und dabei mehr tut, als nur emissionsfrei zu sein.

Künstliche Intelligenz ist aktuell in aller Munde. Wie sehen Sie deren Rolle in Ihren Projekten?
Obrist: Künstliche Intelligenz unterstützt uns bei der Forschung und Entwicklung, vor allem bei der Optimierung unserer Prozesse. Wir nutzen KI beispielsweise, um Daten zu analysieren, Produk-tionsprozesse zu verbessern und neue Märkte zu erschließen. Aber KI ist nur ein Werkzeug. Die Verantwortung, den Klimawandel zu bekämpfen, liegt bei uns. Technologie allein kann das Problem nicht lösen – es braucht Engagement und den Willen, Veränderungen umzusetzen.
Mit Blick auf die Zukunft: Was erhoffen Sie sich von der COP30?
Obrist: Die COP30 wird ein entscheidender Moment sein. Ich hoffe, dass wir uns dort endlich auf konkrete Lösungen konzentrieren, statt weiterhin nur über Entschädigungen zu diskutieren. Der Fokus muss darauf liegen, fossile Brennstoffe durch nachhaltige Alternativen zu ersetzen und CO₂ aktiv abzubauen. Unsere Technologien zeigen, dass das möglich ist. Ich wünsche mir, dass die Diskussionen bei der COP30 den Schritt von der Theorie zur Praxis machen und dass wir gemeinsam Verantwortung übernehmen – für den Planeten und für die kommenden Generationen.
Was halten Sie von den aktuellen geopolitischen Spannungen und ihrem Einfluss auf die Klimapolitik?
Obrist: Geopolitische Spannungen, wie der Konflikt zwischen den USA und China oder die Uneinigkeit in Europa, verlangsamen leider die notwendigen Fortschritte. Statt gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, blockieren nationale Interessen oft globale Initiativen. Dabei betrifft der Klimawandel alle gleichermaßen. Es ist entscheidend, dass wir erkennen: Technologie ist eine Chance für Kooperation. Projekte wie der Aufbau erneuerbarer Energiequellen in den Sonnengürteln der Erde könnten Nationen miteinander verbinden, anstatt sie zu trennen. Die Klimakrise sollte uns einen, nicht spalten.
Welche Rolle spielt Europa im Kampf gegen den Klimawandel, und welche Schwächen sehen Sie hier?
Obrist: Europa hat eine Vorreiterrolle in der Klimapolitik, zumindest in der Rhetorik. Viele Länder haben ambitionierte Ziele, aber es fehlt oft an realistischer Planung und Umsetzung. Ein großes Problem ist die geografische Lage: Wir haben keine Wüsten für großflächige Photovoltaik und müssen auf energieintensive Lösungen wie Wind- und Wasserkraft setzen, die nicht immer verlässlich sind, etwa bei Dunkelflauten. Europa muss sich darauf konzentrieren, globale Kooperationen aufzubauen und Technologien zu fördern, die weltweit skalierbar sind. Der Aufbau erneuerbarer Energiequellen in den Sonnengürteln der Erde ist eine enorme Chance, die Europa nutzen sollte – sowohl für die Energieversorgung als auch für die Entwicklung der betroffenen Regionen. Es braucht aber Mut und Investitionen, um diese Vision umzusetzen.

Welche Botschaft haben Sie für die jüngere Generation, die sich stark für den Klimaschutz engagiert?
Obrist: Die jüngere Generation zeigt mit ihrem Engagement, wie wichtig ihr die Zukunft ist, und das bewundere ich sehr. Allerdings ist es entscheidend, dass wir über Proteste hinaus in die Umsetzung gehen. Lösungen sind vorhanden, sie müssen nur skaliert werden. Mein Appell an die Jugend: Seid hartnäckig, aber auch lösungsorientiert! Nutzt euren Einfluss, um Innovationen voranzubringen und damit echte Veränderungen zu ermöglichen. Der Schlüssel liegt in der Zusammenarbeit zwischen den Generationen – die Erfahrungen der Älteren kombiniert mit der Energie und Kreativität der Jüngeren können zusammen Großes bewirken.

Zur Person
Frank Obrist
Frank Obrist, geboren 1961 in Bregenz, ist Gründer der Obrist Group und Pionier für nachhaltige Energien und klimapositive Technologien. Nach seiner Arbeit am TES Wankel Institut und Studien in Innovationsmanagement gründete er 1996 die Obrist Engineering GmbH. Mit über 540 Patenten ist er eine führende Stimme im Bereich technologischer Innovationen.