Ein Kind, das mit dem Herzen sieht und die Musik liebt

Katharina Kelderbacher (46) ist Mutter von drei Kindern. Eines davon ist Samuel. Der mittlerweile knapp Dreijährige kam mit Trisomie 21 zur Welt.
Wenn man bei Katharina Kelderbacher die Wohnung betritt, wird man sofort freundlich und herzlich begrüßt. Das wäre ja soweit noch nichts ungewöhnliches, doch Kelderbacher ist nicht alleine Zuhause. Ihr kleiner Sohn Samuel krabbelt sofort neugierig zur Tür. Der kleine Junge ist interessiert, schaut die Besucher neugierig an. Samuel ist ein besonderes Kind, denn er kam mit Trisomie 21 zur Welt. Doch für Mama Katharina Kelderbacher stellte das von Anfang an kein Problem dar. „Im Prinzip hat er einfach nur ein zusätzliches Chromosom“, lächelt sie und streicht Samuel dabei über den Kopf.
Kelderbacher wusste bis zur Geburt nicht, dass ihr Sohn mit dem Downsyndrom zur Welt kommen würde. „Ich habe es vermutet, weil während der Schwangerschaft einiges darauf hindeutete. Aber ich ließ mich diesbezüglich nie untersuchen“, sagt sie. An eine Abtreibung wäre für sie aber nie zu denken gewesen. Das sahen in ihrem Umfeld allerdings nicht alle so. „Vorallem bei Untersuchungen wurde mir oft vermittelt: Wenn du das Kind kriegst, bist du selbst schuld“, erzählt Kelderbacher. „Und dann sieht man so ein Kind und fragt sich: Warum? Auch ein Kind, das kerngesund zur Welt kommt, kann ein Pflegefall werden.“ So zum Beispiel ihr älterer Sohn Raphael, der unter einer schweren Augenkrankheit leidet, und sein Augenlicht dadurch inzwischen nahezu vollständig verloren hat.

Keine Belastung
Mittlerweile gäbe es ganze Jahrgänge, ohne ein einziges Kind mit Downsyndrom. Sie findet das schade und würde sich wünschen, dass die Gesellschaft umdenkt. „Ungefähr 90 Prozent aller Kinder mit Downsyndrom werden abgetrieben. Ich würde mir genau das Gegenteil wünschen, nämlich, dass mehr Kinder mit Trisomie 21 zur Welt kommen und das Thema enttabuisiert wird. Menschen mit Trisomie 21 sind keine Belastung“, sagt Kelderbacher. „Was ist schon normal? Für mich ist dieses Wort mittlerweile eine Beleidigung. Ich bin auch nicht normal, das wäre ja langweilig.“
Schockierend findet die 46-Jährige auch die Tatsache, dass Kinder mit der Diagnose Trisomie 21 bis zur Geburt abgetrieben werden können. „Nach der Geburt standen viele Menschen in weißen Kitteln um meinen Sohn herum. Ich wusste es nicht besser und dachte, das seien Ärzte. Ich war total schockiert. Doch es waren tatsächlich nur Studenten, die noch nie ein Kind mit Downsyndrom gesehen hatten.“
Alles braucht mehr Zeit
Doch obwohl Kelderbacher so positiv mit dem Thema umgeht, bringt Samuel natürlich auch viel Verantwortung mit sich. „Es ist ein Fulltimejob“, erzählt sie. Nach der Geburt des mittlerweile fast Dreijährigen ging sie in Familienhospizkarenz. Das ist eine erweiterte Form der Karenz, in der chronisch erkrankte Kinder über einen längeren Zeitraum betreut werden können.
„Man braucht einfach mehr Zeit für alles.“ Aus diesem Grund ist Kelderbacher derzeit auch nicht in der Lage, zu arbeiten. „Ich hoffe, dass sich, sobald er im Kindergarten ist, ein Teilzeitjob ausgeht, oder zumindest geringfügig irgendwo zu arbeiten, das wäre schon super“, hofft sie. Aber auch sich von zuhause aus selbstständig zu machen könnte sich die gelernte Grafikerin vorstellen.
Um Samuel Stück für Stück selbstständiger werden zu lassen, kommt mittlerweile einmal die Woche eine Familienhelferin vorbei und spielt mit dem Kleinen. „Ich verlasse dann den Raum, manchmal auch kurz die Wohnung. So soll er lernen, auch ohne mich zurecht zu kommen“, sagt Kelderbacher. Durch den Kontakt mit der Familienhelferin lernt Samuel außerdem auch andere Menschen und den Umgang mit ihnen kennen.

Musik als Leidenschaft
Ansonsten mag der mittlerweile knapp Dreijährige es, in der Natur zu sein und im Gras zu krabbeln. „Er ist liebend gerne draußen und spielt“, erzählt die Mutter. Aber noch eine weitere, ganz besondere Leidenschaft hat Samuel: Er liebt die Musik. Sobald mit dem Tablet in der Küche Musik gespielt wird, beginnt er, sich hin und her zu bewegen. Er strahlt, genauso wie seine Mutter.
„Er hat mir das Leben gerettet“, sagt Kelderbacher. Samuel macht es einfach, ihn sofort ins Herz zu schließen. Er scheint schon mit seinen knapp drei Jahren ein sehr positiver, fröhlicher Mensch zu sein, ein wahrer Sonnenschein. „Das Erste, was ich mir dachte, als er zur Welt kam, war: So, jetzt hast du eine sinnvolle Aufgabe.“
Eine Aufgabe ist vermutlich auch die richtige Bezeichnung denn Kinder mit Downsyndrom entwickeln sich wesentlich langsamer als solche ohne. Er wird länger Windeln haben und länger im Kinderwagen sitzen. Doch auch das stört die 46-Jährige nicht. „Ich war als Kind Pippi Langstrumpf Fan. Sie hatte eine Pille, mit der man ewig Kind bleibt. Die habe ich mir immer gewünscht, ich wollte nie erwachsen werden. Ich habe das Gefühl, Samuel hat diese Pille quasi in seinem Erbgut. Er darf immer ein Kind bleiben.“ Doch der Kleine entwickelt sich gut, das bestätigen auch Ärzte und Physiotherapeuten. Erst vergangenen September fing er an, seine ersten Schritte zu machen. Mittlerweile steht er sicher auf beiden Beinchen.

Vernetzung untereinander
Im Laufe der Zeit lernte Kelderbacher auch andere Eltern kennen, die Kinder mit Downsyndrom haben. Über WhatsApp-Gruppen tauschen sie Erfahrungsberichte aus und helfen sich gegenseitig. „Auch im Montafon kenne ich inzwischen ein paar Eltern“, berichtet sie. Von ihrer Familie bekommt die gelernte Grafikerin wenig Unterstützung, trotzdem kommt sie mit Samuel gut zurecht.
Katharina Kelderbacher ist gespannt, was die Zukunft für sie und ihren kleinen Sohn wohl alles bringt. Es bleibt abzuwarten, ob in Zukunft noch Begleitbeschwerden auftreten werden, was bei Menschen mit Trisomie 21 häufig der Fall ist. Der nächste Schritt heißt Kindergarten. Sie ist zuversichtlich, dass Samuel auch irgendwann mit Schulassistenz normal zur Schule gehen können wird.
