Neun Jugendliche sagen: „Nie wieder!“

Die Jugendgruppe des Spielkreises Götzis setzte mit „Das Tagebuch der Anne Frank“ ein Zeichen.
Selbstbestimmt und ergreifend setzte die Jugendgruppe des Spielkreis Götzis „Das Tagebuch der Anne Frank“ auf der Götzner Kulturbühne Ambach in Szene.
Doch bevor die neun Schauspielenden 80 Jahre nach Anne Franks Tod im Konzentrationslager Bergen-Belsen dem „Nie wieder“ ein Zeichen setzen konnten, mussten die Jugendlichen mehr als eine große Hürde überwinden.
Laut Paula Futscher (17), Initiatorin der Gruppe und Ideengeberin für das Stück, herrschten im Spielkreis erst Zweifel, ob die Jugendlichen dem Stück gewachsen seien. Geleitet vom Wunsch, das dramatische Können in den Dienst der Aufklärung zu stellen, gelang ihnen die Überzeugungsarbeit, auf die eine intensive Zeit schmerzhafter Recherche folgte.
Personen statt Ikonen
Denn bevor die mehr als drei Stunden lange Theaterfassung des Stücks durch Futscher und Hanna Dünser (17) auf zwei Stunden gekürzt wurde, begab sich das ganze Ensemble auf Spurensuche. Ihnen war klar, dass sie nur erahnen können, was es bedeutet, sich vor dem antisemitischen Vernichtungswahn der Nationalsozialisten zu verstecken. „Ich hatte nie das Gefühl, eingesperrt zu sein oder jede Sekunde in Angst zu leben“, gesteht Futscher, der die Hauptrolle der Anne Frank zukam.
Dünser dagegen meldete sich freiwillig für die schwierige Rolle der Frau van Daan. Außer Franks wenig sympathischen Schilderungen der Frau fand die erfahrene Jungschauspielerin nur wenige Informationen über sie. Geleitet vom Wunsch, dem realen Menschen gerecht zu werden, gelang Dünser ein unglaublich komplexes Charakterspiel.
Dieser Zugang, keine Ikonen, sondern realistische Personen mit guten und schlechten Seiten zu verkörpern, strahlt kraftvoll durch das ganze Stück.
Was für eine Herausforderung damit einhergeht, weiß David Ammon (18). Selbst ruhig und besonnen, spielte er als Herr van Daan gegen sein Naturell: „Eine so gestresste, wütende Person habe ich davor noch nie auf die Bühne gebracht. Jetzt verstehe ich, wie sich das im Inneren anfühlt.“ Sogar der Nikotin-Hunger des Protagonisten griff im Bühnenspiel auf den Nichtraucher über, gesteht der HTL-Schüler erstaunt.
Das in Zusammenarbeit der Jugendlichen mit Bühnenbildnern gebaute Set zeugt von einer Liebe für Details. Als Quelle eines subtilen Effekts überrascht die Bühne dabei gleich am Anfang. So hört man jeden Schritt durch den Raum hallen, was einen erahnen lässt, mit welcher Vorsicht sich die acht Verfolgten verstecken mussten.

Brodelnde Verzweiflung
Da tagsüber unter ihnen Arbeiter werkten, verschob sich das eigentliche Leben in die Nacht. Zu groß die Furcht, verraten und aus dem Leben gerissen zu werden. So sehen wir Vater Otto Frank, autoritär und liebevoll von Marius Krampl gespielt, wie er sich um die Bildung seiner Töchter kümmert. Diese Momente zeugen von einer Verbundenheit, die Herrn Dussel nicht zuteil war. Um seine christliche Frau nicht zu gefährden, musste der Zahnarzt alleine fliehen.
Dussel sticht raus. Denn außer Anne, mit der er ein Zimmer teilt, steht er zu niemandem in fester Beziehung“, berichtet Aris Baur (17). In der Rolle des Einsamen bestach der HTL-Schüler mit psychologischem Feingefühl. So konnte man förmlich spüren, wie unter Dussels eitler Fassade die Verzweiflung brodelt. Mit diesen Gefühlen klarzukommen beschreibt Baur als größte Herausforderung des Stücks.
Stille nahm ihnen die Angst
Ergänzend zu den öffentlichen Vorführungen gab es drei Darbietungen für Schulklassen. „Da die Jugendlichen nicht freiwillig kommen, hatten wir erst etwas Angst. Wir wurden aber positiv überrascht. Es gab eine Vorstellung mit unruhigem Anfang. Dann wurden sie so leise, dass man gehört hätte, wenn eine Stecknadel auf den Boden gefallen wäre“, strahlt Futscher sichtlich stolz.
Die Zukunft der Gruppe ist offen
Die dritte Produktion der Jugendgruppe könnte auch ihre letzte sein. Denn viele der neun Mitglieder stehen kurz vor der Matura oder dem Studium. So auch die Hauptdarstellerin. Futscher, die seit ihrem fünften Lebensjahr auf der Bühne steht, will ihre Leidenschaft zum Beruf machen. „Ich habe eine Liste mit 14 Schauspielschulen, an denen ich mich bewerben werde. Dass sie mich gleich aufnehmen, ist unwahrscheinlich, aber ich werde es so lange probieren, bis ich es schaffe“, bekräftigt die 17-Jährige voller Ehrgeiz ihre Leidenschaft für die Bühenkunst.
