Goldene Maßarbeit in der Klosterkirche

Nicole Mayer restauriert den Gnadenaltar in der Mehrerauer Klosterkirche. An diesem historischen Meisterwerk ist Präszision gefragt.
Präzision ist gefragt, wenn Nicole Mayer das hauchdünne Blattgold anhebt. Das weniger als ein tausendstel Millimeter dünne Material fliegt beim kleinsten Windhauch davon und zerfällt bei der bloßen Berührung mit dem Finger zu Staub. Behutsam trägt die Restauratorin das Material auf den Gnadenaltar im Flügel der Mehrerauer Klosterkirche auf.
„In erster Linie führen wir eine Konservierung durch. Dabei geht es um die Sicherung des Bestands“, erklärt die erfahrene Restauratorin. „Die letzte Renovierung des Gnadenaltars war vor 40 Jahren. In der Zwischenzeit kommt eine Menge Staub und Schmutz zusammen. Darum nehmen wir eine Oberflächenreinigung vor. Durch Feuchtigkeit und Temperaturschwankungen ist das Material – Holz auf Kreidegrund – großen Spannungen ausgesetzt.“ Mayer deutet zum Altar: „Deshalb müssen wir einige abgegange Elemente neu befestigen. Die kleben wir an und vergolden sie auch zum Teil neu.

Spätgotisches Werk
Das Objekt, für dessen Reinigung allein Nicole Mayer und ihr Team etwa 240 Stunden investiert haben, ist ein wahres Prachtstück. Frater Armandus vom Kloster Mehrerau erklärt, wie sich der Gnadenaltar zusammensetzt: „In der Mitte haben wir das Gnadenbild, das stammt aus der Zeit um 1490. Maßgeschneidert auf diese Figur hat Abt Augustinus Stöckli diesen Altar anfertigen lassen. Dieser wurde im Jahr 1901 fertiggestellt.“ Der Bildhauer Metzger aus Überlingen in Deutschland schuf ein Werk, das sich täuschend echt an das spätromanische Gnadenbild anpasst. „Der Altar ist so gut kopiert, dass selbst Kunsthistoriker, die ihn begutachtet haben, zunächst dachten, sie stehen vor einem neugotischen Werk aus dem 16. Jahrhundert“, schmunzelt Frater Armandus.
Rund um das Gnadenbild, das die Mutter Maria mit dem kleinen Jesus zeigt, zieren verschiedene Motive den Altar, die wichtige Stationen des neuen Testaments zeigen – darunter die Geburt Jesu, den Besuch der Heiligen Drei Könige oder die Kreuzigung und Wiederauferstehung.
Die Flügel des Altars, können aufgeklappt oder geschlossen werden, die Motive selbst können variieren. Vom Adventbeginn bis Ostern ist der Gnadenaltar geschlossen: Im Advent ziert die Empfängnis Marias den Altar, in der Fastenzeit eine Szene Jesu auf dem Ölberg. Das restliche Jahr über bleibt der Altar geöffnet.

Geschichte des Werks
Auch Nicole Mayer hat sich mit der Geschichte des Flügelaltars beschäftigt. „Jede Zeitepoche hat andere Materialien verwendet, daher schaue ich immer darauf, welche Materialien ich über die Gegenstände sammeln kann, die ich Restauriere“, erklärt sie. Die 44-Jährige, die das Atelier Mayer in Gaißau betreibt, hat sich schon in ihrer Ausbildung intensiv mit ihrem Handwerk auseinandergesetzt. „Zuerst habe ich eine Lehre als Vergolder und Staffierer gemacht. Dann habe ich die Studienberechtigungsprüfung absolviert und Restaurierung und Konservierung studiert“, erzählt Mayer.
Die Leidenschaft für das Handwerk liegt bei der 44-Jährigen nahe: „Mein Papa war Maler und hat immer wieder im Denkmalschutz gearbeitet. Von klein auf bin ich mit ihm auf Baustellen mitgegangen. Als ich zehn Jahre alt war, habe ich Restauratoren in einer Kirche dabei zugesehen, wie sie ein Fresko reinigten. Da sagte ich mir: Genau das will ich später auch machen!“
Nur wenige Tage nach dem Besuch der NEUE am Sonntag war Nicole Mayers Arbeit abgeschlossen: Am Freitag wurde der Gnadenaltar wiedereröffnet.