Vorarlberg

FPÖ-Skandalsager: Bregenzer Breitseite gegen Belakowitsch  

18.06.2025 • 19:22 Uhr
FPÖ-Skandalsager: Bregenzer Breitseite gegen Belakowitsch  
Die Aussage von Dagmar Belakowitsch stößt in Bregenz auf breiten Widerstand aus fast allen Fraktionen. APA, Montage: Canva/NEUE

Eklat im Nationalrat: Die FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch kommentierte eine Rede von Yannick Shetty (Neos) über ukrainische Massengräber mit den Worten: „Schön für euch! … Da habt ihr viel Spaß gehabt dabei, gell“. Die NEUE hat sich bei politischen Vertretern umgehört. Aus der Stadt Bregenz, die ebenfalls eine Delegation in ihre ukrainische Partnerstadt Jaremtsche entsandt hat.

Die Aussagen der FPÖ-Abgeordneten Dagmar Belakowitsch bei der jüngsten Sitzung im Nationalrat ließen österreichweit die Wogen hochgehen. Zumal am selben Tag das ukrainische Staatsoberhaupt Selenskyj von Bundespräsident Alexander van der Bellen in der Hofburg empfangen wurde.

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Die Bregenzer Delegation bei ihrem Besuch in der Partnerstadt Jaremtsche. Fetz

Seit dem vergangenen Jahr zeigt die Stadt Bregenz ihre Solidarität mit der Ukraine in Form einer Städtepartnerschaft mit Jaremtsche. Die NEUE hat sich angesichts der Aussage der Freiheitlichen bei politischen Vertretern der Landeshauptstadt Stellungnahmen eingeholt.

“Wir stehen fest an der Seite der Ukraine”

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Valentin Fetz koordiniert die Städtpartnerschaft mit Jaremtsche. Mittelberger

Valentin Fetz (politischer Referent des Bürgermeisters und Projektkoordinator der Städtepartnerschaft Bregenz – Jaremtsche): “Unsere Haltung ist eindeutig – und sie ist mit einer breiten Mehrheit im Stadtrat parteiübergreifend getragen: Wir stehen fest an der Seite der Ukraine und der ukrainischen Bevölkerung. Unsere Solidarität ist keine bloße Geste, sondern Ausdruck einer gelebten Partnerschaft – insbesondere mit Jaremtsche, unserer Partnerstadt. Wir waren erst kürzlich wieder als Bregenzer Delegation gemeinsam mit einem Ärzte- und Pflegeteams des LKH Bregenz vor Ort und haben gesehen, wie groß der Bedarf an Unterstützung ist – aber auch, wie viel Mut, Würde und Lebenswillen trotz der schwierigen Lage vorhanden sind. Gerade deshalb lassen wir uns nicht von unserem Weg abbringen, sondern setzen auf konkrete Hilfe und Zusammenarbeit. Für uns zählt, was wir tun können – nicht, was in Parlamentsdebatten gesagt wird. Und wir werden diesen Weg der Solidarität konsequent weitergehen.”

FPÖ-Skandalsager: Bregenzer Breitseite gegen Belakowitsch  
Michael Sagmeister war ebenfalls Teil der Bregenzer Delegation in der Ukraine.

“Rote Linie überschritten – einfach widerwärtig”

Michael Sagmeister (Neos-Klubobmann aus Bregenz) fordert den Rücktritt der FPÖ-Nationalratsabgeordneten.

NEUE: Wie haben Sie auf die Aussagen der FPÖ-Abgeordneten Belakowitsch im Nationalrat reagiert? 

Sagmeister: Während der Debatte habe ich die Rede unseres Klubobmanns im Livestream verfolgt und war mit ihm währenddessen in Kontakt. Als die Aussage kam, war ich im ersten Augenblick vollkommen schockiert. Nach ein paar Minuten dann zutiefst wütend und eigentlich den Tränen nahe. Vor zehn Tagen bin ich selbst an den Massengräbern in Butscha gestanden. Als der Bürgermeister uns vor Ort die Umstände erklärt hat, sind mir die Tränen gekommen. Die Bilder und Eindrücke beschäftigen mich bis heute sehr.

NEUE: Wie beurteilen Sie den Umstand, dass diese Aussage am selben Tag passiert, an dem der ukrainische Präsident vom Bundespräsidenten empfangen wird?

Sagmeister: Wer meint, man könne mit den von unabhängigen internationalen Organisationen belegten Kriegsverbrechen von Butscha “viel Spaß” haben, überschreitet jede moralische Grenze und schädigt Österreichs internationales Ansehen. Die FPÖ zeigt damit blanken Zynismus gegenüber den Opfern – und gegenüber dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj ist dieses Verhalten schlicht widerwärtig und beschämend. Die rote Linie ist klar überschritten. Ich erwarte den sofortigen Rücktritt von Frau Belakowitsch.

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Sagmeister, Kalb und Sochor als Vertrerter Österreichs beim Kongress in Kyjiw. FETZ

NEUE: Sie waren selbst wieder Jaremtsche, der Partnerstadt von Bregenz. Was lösen solche Aussagen in Ihnen aus, wenn Sie an die Eindrücke vor Ort denken?

Sagmeister: Die drei Tage in Kyjiw waren mental sehr herausfordernd, vor allem die Nächte im Luftschutzbunker. Die Massaker in Butscha, Irpin und Borodjanka haben mich zutiefst geprägt, ich schlafe sehr schlecht, seitdem ich wieder zu Hause bin. Umso mehr gilt: Wer russische Kriegsverbrechen verharmlost oder ins Lächerliche zieht, überschreitet jede Grenze des politischen und menschlichen Anstands. Frau Belakowitsch fehlt offenbar jeder Anstand – sie hat nach dieser Aussage im österreichischen Parlament nichts mehr verloren.

NEUE: Wie hat sich ihr Bild auf die Ukraine seit der Städtepartnerschaft verändert?

Sagmeister: Die Gastfreundschaft in diesem Land ist kaum in Worte zu fassen. Man ist für unsere oft nur solidarische Hilfe unglaublich dankbar und überhäuft uns mit tiefer Dankbarkeit. Mich hat diese Reise vor wenigen Tagen sehr verändert. Besonders die Eindrücke in Kyjiw am Maidan rührt mich heute noch. Umso mehr verärgern mich die Aussagen einer der FPÖ-Vize-Klubobfrau zutiefst.

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Die Bilder des Krieges, von Tod und Leid, überschatten den Alltag im Land.

NEUE: Wie beurteilen Sie das Auftreten der FPÖ, vielleicht auch in Bregenz, in Bezug auf Solidarität mit der Ukraine?

Sagmeister: Das Auftreten der FPÖ auf Bundesebene ist nicht nur peinlich, sondern in vielen Fällen schlicht widerwärtig – und das gilt nicht nur im Zusammenhang mit der Ukraine. Auch auf kommunaler Ebene zeigt sich das mangelnde Engagement: Die FPÖ-Bregenz hat die Zusammenarbeit mit der Ukraine nie aktiv behindert, aber auch nie unterstützt. Als im vergangenen Jahr der ukrainische Botschafter Dr. Vasyl Khymynets zu einem Empfang in Bregenz eingeladen war, blieben die Funktionäre der FPÖ der Veranstaltung unentschuldigt fern – ein klarer Mangel an Respekt gegenüber einem Vertreter eines befreundeten Staates. Gerade weil die Landeshauptstadt Bregenz durch eine Solidaritätspartnerschaft mit der Ukraine verbunden ist. Der nächste politischen Ausflug der FPÖ sollte sie nicht an den Roten Platz in Moskau machen – sondern an den Maidan in Kyjiw. Sie könnte dabei viel lernen.

FPÖ-Skandalsager: Bregenzer Breitseite gegen Belakowitsch  
Hubert Kinz zeigte sich auf NEUE-Anftrage überrascht über die Aussage. Steurer

“Habe nichts davon gehört – über die Tragödie macht man aber keine Witze”

Hubert Kinz (FPÖ Bregenz): “Ich muss gestehen, dass ich die Aussagen von Dagmar Belakowitsch nicht gehört oder davon gelesen habe. Deswegen kann und werde ich mich nicht dazu äußern. Fakt ist aber, dass der Krieg in der Ukraine eine Tragödie darstellt, über die man keine Witze macht.”

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Christoph Kalb von den Grünen ist schockiert ob der Aussage. GRÜNE

“Eine Schande für Österreich”

Christoph Kalb (Grüne Bregenz): “Wenn man behauptet, eine Reise in die Ukraine mache Spaß, sollte man sich vielleicht selbst einmal ein Bild von dem Leid der Menschen vor Ort machen. Allein in der Bregenzer Partnerstadt Jaremtsche sprechen wir von 150.000 Kriegsvertriebenen aus der ganzen Ukraine, die dort Zuflucht gefunden haben – davon allein 40.000 Kinder. Ich kann und will solche menschenverachtenden und pietätlosen Aussagen nie und nimmer gutheißen. Aber was soll man sich auch von Russland-Sympathisanten anderes erwarten. Vielleicht würde die Tatsache, dass die russische Armee mit mobilen Krematorien die Spuren ihres blutigen Feldzuges verwischen will, den verklärten Blick von Frau Belakowitsch verändern. Es ist und bleibt schlichtweg ein Skandal, Witze über den Antrieb einer Reise jener zu machen, die in Zeiten der höchsten Not solidarisch an der Seite mit den Ukrainern stehen. Eine Schande für Österreich und das ganze Parlament, was diese Kickl-FPÖ im Nationalrat von sich gibt, während der ukrainische Präsident vom österreichischen Staatsoberhaupt empfangen wird.”

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Michael Sochor (ÖVP Bregenz) veurteilt den Skandalsager deutlich. VOLKSPARTEI

“FPÖ unterbietet sich einmal mehr selbst – Belakowitsch ist rücktrittsreif”

Michael Sochor (ÖVP) Bregenz findet ebenfalls deutliche Worte für die Aussagen der FPÖ-Nationalratsabgeordneten.

NEUE: Wie haben Sie auf die Aussagen der FPÖ-Abgeordneten Belakowitsch im Nationalrat reagiert? 

Sochor: Man ist von der Bundes-FPÖ bereits einiges gewohnt, aber diese Aussage übertrifft alles. Als ich das Video zum ersten Mal sah, löste es Emotionen in mir aus, die kaum in Worte zu fassen sind. Wenn man, wie wir vor Ort in Butscha, Irpin und Kyiv war und gesehen hat, welche Gräueltaten dort passiert sind (bildlich dokumentiert – Bilder, die man niemandem zumuten möchte) und die Erzählungen der Überlebenden vor Ort miterlebt hat, ist das eine pure Verhöhnung der Opfer, die – und das muss man so deutlich sagen – brutal ermordet, verscharrt oder in mobilen Krematorien verbrannt wurden. Das waren Erlebnisse, die nur schwer zu verarbeiten sind. Und dann gibt es eine Abgeordnete, die im (zum Glück) sicheren Österreich sich anmaßt, solche Aussagen zu treffen. Frau Belakowitsch ist rücktrittsreif. 

NEUE: Wie beurteilen Sie den Umstand, dass diese Aussage am selben Tag passiert, an dem der ukrainische Präsident vom Bundespräsidenten empfangen wird?

Sochor: Eine solche Aussage ist – ganz gleich zu welchem Zeitpunkt – an Pietätlosigkeit kaum zu überbieten. Gerade an dem Tag, an dem der ukrainische Präsident Österreich besucht, ist ein Beweis dafür, dass es der Bundes-FPÖ bzw. ihren Spitzenfunktionären immer wieder gelingt, sich selbst zu unterbieten.

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Die Bregenzer erhielten Einblick in das Leben der Bevölkerung, die unter dem russischen Angriffskrieg zu leiden hat. Fetz

NEUE: Sie waren selbst wieder in Jaremtsche, der Partnerstadt von Bregenz. Was lösen solche Aussagen in Ihnen aus, wenn Sie an die Eindrücke vor Ort denken?

Sochor: Wir waren ja nicht nur in unserer Partnerstadt im Westen der Ukraine, sondern auch in Kyiv, Butscha und Irpin. Besonders Butscha und Irpin werden für immer mit abscheulichen Taten in Verbindung gebracht werden. Die Erlebnisse vor Ort waren und sind immer noch nur schwer zu verarbeiten. Solche Aussagen lösen deshalb sehr starke Emotionen aus. Unverständnis und Enttäuschung, dass manche Menschen keinerlei Empathie oder Mitgefühl zeigen – und damit zur Entmenschlichung der Opfer beitragen. Wenn so etwas offen und live im Nationalrat ohne jegliche Konsequenzen stattfinden kann und darf, birgt das auch die Gefahr, unsere gesellschaftlichen Grundwerte nachhaltig zu beschädigen.

NEUE: Wie hat sich ihr Bild auf die Ukraine seit der Städtepartnerschaft verändert?

Sochor: Eine Städtepartnerschaft wie die zwischen Bregenz und Jaremtsche kann das persönliche Bild der Ukraine auf verschiedene, sehr menschliche und greifbare Weise verändern – besonders im Kontrast zu einem oft abstrakten, konfliktgeprägten Medienbild. Durch persönliche Begegnungen, Projekte oder Besuche entsteht direkter Kontakt zu Menschen aus Jaremtsche. Partnerschaften führen oft zu Hilfsaktionen oder Spendenprojekten. Dadurch entsteht eine persönliche emotionale Verbindung zum Schicksal der Menschen – z. B. in Kriegszeiten. Man lernt, dass das Leben dort vielschichtig ist – nicht nur von Krieg, zum Teil Armut oder Politik geprägt, sondern auch von Gastfreundschaft, Bildung und Naturverbundenheit. Der Kontakt lässt Stereotype oder Angstbilder verblassen – besonders wenn man Menschen begegnet, die einen echten Eindruck von Offenheit, Stolz und Hoffnung vermitteln. Städtepartnerschaften „übersetzen“ abstrakte Länder in konkrete Beziehungen. Das kann Vorurteile abbauen, Empathie fördern und das Bild eines Landes vielschichtiger und menschlicher machen.

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Bregenz zeigt Haltung und bekennt sich zur Ukraine. Fetz

Wie beurteilen Sie das Auftreten der FPÖ, vielleicht auch in Bregenz, in Bezug auf Solidarität mit der Ukraine?

Sochor: Die FPÖ zeigt in der Frage der Ukraine keine klare Haltung gegen den Aggressor Russland. Während weite Teile Europas Solidarität mit der Ukraine zeigen, verweigert die FPÖ Unterstützung, relativiert das Unrecht und schadet damit Österreichs internationalem Ansehen. Ihre Neutralitätsrhetorik ist vorgeschoben und wird zum Deckmantel für fehlende Menschlichkeit und außenpolitische Verantwortung.

(NEUE Vorarlberger Tageszeitung)