Vorarlberg

Gleich häufig wie Diabetes und trotzdem unbekannt

26.06.2025 • 18:22 Uhr
Gleich häufig wie Diabetes und trotzdem unbekannt
Christa Bauer findet einen offenen Umgang mit der Erkrankung wichtig. hartinger

Eine Krankheit, über die noch fast nichts bekannt ist, obwohl sie genauso häufig auftritt, wie Diabetes. Christa Bauer vom Femail über das Thema.

Sie krümmen sich vor Schmerz, müssen sich teilweise sogar übergeben und können sich nur noch mit Schmerzmitteln von der Couch bewegen. Frauen leiden häufig unter Regelschmerzen, doch nur die wenigsten kennen den Begriff der Endometriose. Das ist eine gutartige chronische Erkrankung, bei der sich Gebärmutterschleimhaut-ähnliches Gewebe an anderen Organen ablagert.
So zum Beispiel etwa an den Eierstöcken, den Eileitern, dem Bauchfell oder dem Darm und in Extremfällen sogar an der Lunge. Dieses Gewebe unterliegt dem hormonellen Zyklus, kann jedoch nicht abgestoßen werden, was zu Entzündungen, Zysten, Vernarbungen und in manchen Fällen sogar zu Unfruchtbarkeit führt.

Gleich häufig wie Diabetes und trotzdem unbekannt
Christa Bauer ist für Frauen-Gesundheit zuständig. hartinger


In Österreich sind davon schätzungsweise zwischen zehn und fünfzehn Prozent der Frauen im reproduktiven Alter betroffen. Das sind zwischen 120.000 und 300.000 Frauen, die Dunkelziffer sei jedoch sehr hoch, erklärt Christa Bauer. Sie ist im Femail Zentrum in Feldkirch für Frauen-Gesundheit, Information und Beratung zuständig.

Symptome variieren

Neben starken Regelschmerzen treten bei dieser Erkrankung auch Schmerzen außerhalb der Menstruation, Verdauungsprobleme, Erschöpfung oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr auf. Die Herde können indes auch Schmerzen verursachen, die überhaupt nicht mit der Menstruation in Verbindung gebracht werden können.

„Bis zur Diagnose vergehen oft zwischen sieben und neun Jahren.“

Christa Bauer, Femail


„Es können auch Rücken- oder Schulterschmerzen sein, bei denen die Frauen jahrelang gar nicht auf die Idee kommen, dass sie mit ihrer Periode zusammenhängen könnten“, erklärt Bauer. „Diese Krankheit wird deshalb oft als ‚das Chamäleon in der Medizin‘ bezeichnet. Es gibt Frauen, die sehr viele Herde und wenig Schmerzen haben – im Umkehrschluss gibt es aber auch Frauen, bei denen wenige Herde zu großen Schmerzen führen können.“

Gleich häufig wie Diabetes und trotzdem unbekannt
Das Femail ist vor kurzem in neue Räumlichkeiten nach Feldkirch umgezogen. hartinger

Ein tabuisiertes Thema

Aufgrund dessen und auch weil es noch immer als Tabuthema gehandhabt werde, fehlen in Vorarlberg, aber auch in weiteren Teilen Österreichs jegliche Erhebungen und Statistiken zu der Anzahl an Betroffenen. „Viele Themen rund um Sexualität und Menstruation sind noch immer sehr tabuisiert.“
Bis eine Diagnose vorliegt, vergehen oft mehrere Jahre, weil auch Gynäkologinnen und Gynäkologen bei der Diagnostik dieser Erkrankung an ihre Grenzen stoßen. „Die Frauen sind teilweise zwischen sieben und neun Jahren unterwegs, bis sie wissen, was los ist“, weiß auch die Beraterin des Femail.

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Im Femail finden viele Frauen eine Anlaufstelle. hartinger

Eine hundertprozentige Diagnose könne außerdem erst dann gestellt werden, wenn eine Bauchspiegelung durchgeführt würde, so Bauer. Wenn man die Herde bei dieser Spiegelung alle gut erkenne, können sie während dieses Eingriffs schon minimalinvasiv entfernt werden, sagt Bauer.

Wenige Behandlungsmöglichkeiten

Selbst wenn erst einmal eine Diagnose gestellt wird, gibt es nur begrenzte Möglichkeiten, den Patientinnen eine Erleichterung zu ermöglichen. Meist werden die Herde operativ entfernt.
Zusätzlich gibt es hormonelle Therapien. Diese Therapien zielen in den meisten Fällen darauf ab, den Östrogenspiegel zu senken, dadurch schrumpfen auch die Endometriose-Herde. „Die Erkrankung muss kontrollierbarer gemacht werden“, erklärt Bauer.

Gebärmutter mit Endometriose - 4
Links: Eine normale Gebärmutter. Rechts: Eine Gebärmutter mit Endometriose.vanessa huber


Außerdem werden komplementärmedizinische Methoden wie Traditionelle chinesische Medizin (TCM), Akupunktur, Homöopathie, (Luna) Yoga und Shiatsu zur Besserung der Symptome angewandt. „Es gibt auch die Möglichkeit, spezielle Übungen für den Beckenboden zu machen. Diese helfen, den akuten Schmerz besser aushaltbar zu machen und mit ihm arbeiten zu können.“ Zudem könne ein solches Training helfen, chronische Beschwerden im Alltag zu erleichtern. Es komme jedoch häufig vor, dass die Herde auch nach einer operativen Entfernung wieder zurückkommen würden.

Depressionen als Symptom

„Endometriose ist sehr einschränkend im Alltag“, erklärt Bauer. Gerade auch in Bezug auf den Arbeitsalltag sei es oft schwierig, eine Lösung zu finden. „Die Krankenstände häufen sich, wenn man jeden Monat länger ausfällt. Es ist nicht so einfach, dieses Thema mit der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber offen zu besprechen.“

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Im Gespäch mit der NEUE. hartinger


Doch auch auf die Psyche von betroffenen Frauen habe die Erkrankung oftmals große Auswirkungen. „Endometriose ist häufig mit Depressionen verbunden“, sagt die Mitarbeiterin des Femail. Eine weitere Folge ist die ungewollte Kinderlosigkeit, die in vielen Fällen aus der Krankheit resultiert. „Etwa 40 Prozent der Betroffenen leiden darunter.“
Die Endometriose-Herde können zu Verklebungen und Verwachsungen im Bauchraum führen, insbesondere rund um den Eileiter, die Eierstöcke und die Gebärmutter. Außerdem können durch die verschiedenen Herde auch andere Organe geschädigt werden. Dass die Erkrankung noch immer so wenig erforscht ist, ist für Bauer unverständlich. „Da ist noch viel Luft nach oben. Endometriose kommt eigentlich gleich häufig vor, wie Diabetes.“

Austauschtreffen

Für Betroffene gibt es im Femail-Zentrum in Feldkirch die Möglichkeit, an den Treffen der Austauschgruppe teilzunehmen. Gesprochen wird unter anderem über Schmerzen, Strategien zur Behandlung und Linderung, persönliche Erfahrungen mit Ärztinnen und Ärzten und über Therapien.

Die meisten Frauen in der Gruppe sind im Alter zwischen Mitte 20 und Ende 30, erklärt Bauer.
Die Endometriose-Austauschgruppe findet viermal jährlich statt, der nächste Termin ist am 16. September, von 18 Uhr bis 20 Uhr.

Termine

Die Austauschgruppe zum Thema Endometriose des Femail trifft sich das nächste Mal am 16. September 2025, von 18 bis 20 Uhr im Femail-Zentrum in Feldkirch. Weitere Termine sind: Donnerstag, 13. November 2025 im Restaurant „Wirtschaft“ in Dornbirn.