Vorarlberg

“Es ist schockierend, wenn jemand mit 25 Jahren keine Ahnung von Verhütung hat”

29.06.2025 • 17:00 Uhr
"Es ist schockierend, wenn jemand mit 25 Jahren keine Ahnung von Verhütung hat"
Laetitia Oberbichler lebt in Wien, arbeitet als Rezeptionistin und engagiert sich ehrenamtlich für das Volksbegehren “Gratis Verhütung für alle”. canva/privat

Die Vorarlbergerin Laetitia Oberbichler engagiert sich im Team des Volksbegehrens „Gratis Verhütung für alle“. Warum ihr das Thema ein großes Anliegen ist und welcher Aufwand hinter einem Volksbegehren steckt.

Warum engagieren Sie sich für einen Gratis-Zugang zu Verhütungsmitteln und für das Volksbegehren?
Laetitia Oberbichler: Das ist ein Thema, bei dem ich der Meinung bin, dass man offen darüber reden können sollte. Das Stigma – von wegen Verhütung ist Privatsache, man redet nicht darüber und das muss niemanden etwas angehen – das hat mich immer schon gestört. Man soll natürlich auch in diesem Bereich von anderen Leuten lernen können. Als ich das Volksbegehren auf Instagram gesehen habe und die Initiatoren dort gesagt haben, dass sie noch Unterstützung brauchen, habe ich der Initiatorin geschrieben und meine Hilfe angeboten. Das war im letzten Herbst.

Also ist es auch ein Anliegen, das gesellschaftliche Narrativ zu verändern?
Oberbichler: Ja, bestimmt. Ich bin mir sicher, dass es mit einer besseren Aufklärung in den Schulen leichter geht, über das Thema Verhütung zu reden. Weil der Grundstandard, wie man sich auskennt, einfach höher ist.

Wie waren Ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Aufklärungsunterricht in der Schule?
Oberbichler: Persönlich würde ich schon sagen, dass ich sehr gute sexuelle Aufklärung erfahren habe. Aber im Gespräch mit vielen Leuten habe ich festgestellt, dass das bei ihnen nicht der Fall war und dass sie sich auch nicht wirklich auskennen bei dem Thema. Es ist schon schockierend, wenn jemand mit 25 Jahren keine Ahnung von Verhütung hat.

Welche Argumente sprechen aus dafür, einen Gratis-Zugang zu Verhütungsmitteln zu schaffen?
Oberbichler: Fast die Hälfte aller Frauen kümmert sich alleine um die Verhütung und trägt auch die Kosten dafür, während gerade einmal ein Viertel sich die Kosten mit dem Partner teilt, was natürlich eine unglaubliche finanzielle Last ist. Im Rahmen des Pilotprojekts zur Gratis-Verhütung in Vorarlberg gaben 37 Prozent der Frauen an, dass sie anders verhüten würden, wenn die Kosten kein Thema wären. Außerdem ist es ein gesundheitliches Thema: Bei Verhütung geht es ja nicht nur um die Verhinderung einer ungewollten Schwangerschaft, sondern auch darum, sexuell übertragbare Krankheiten zu vermeiden. Da steigen die Zahlen gerade stark. Es gibt aber auch gerade in der Frauengesundheit Themen, die durch Verhütung behandelt werden können. Von daher ist es einfach wichtig, dass Verhütung gratis zugänglich ist.

Somit schwingt auch die Komponente der Gleichstellung mit.
Oberbichler: Natürlich, aber auch Männer profitieren von der Gratis-Verhütung.

Welche konkreten Ziele verfolgen Sie mit dem Volksbegehren?
Oberbichler: Wir funktionieren mit den drei Überbegriffen Prävention, Zugänglichkeit und Aufklärung. Einerseits fordern wir den Zugang zu gratis Verhütungsmitteln zur Prävention von ungewollten Schwangerschaften und sexuell übertragbaren Krankheiten. Andererseits die finanzielle Hürde: Unabhängig vom Einkommen soll man Zugang zu passenden Verhütungsmitteln haben. Unter dem Punkt Aufklärung fordern wir, dass man umfassendere Informationen und Bildung zu Sexualität und dem Umgang mit ihr erhält. Insgesamt umfasst das Volksbegehren fünf Forderungen (siehe Factbox).

Fünf forderungen des volksbegehrens

  • Kostenlose Kondome und Lecktücher in Apotheken und Drogerien
  • Gratis Verhütung – hormonell und nicht hormonell
  • Gratis Pille danach
  • Kosten­übernahme von Verhütungsberatung bei Ärzten
  • Umfassende sexualpädagogische Aufklärung in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen

Welche Hürden musste Ihr Volksbegehren nehmen?
Oberbichler: Wir sind 2023 mit einer Petition gestartet, die braucht 8969 Unterstützungserklärungen, dann kommt man in die Eintragungsphase. Das war bei unserem Volksbegehren im März vor einem Jahr der Fall. In der Eintragungsphase muss man 100.000 Unterschriften sammeln, damit das Volksbegehren im Nationalrat behandelt wird. Wir sind aktuell bei rund 32.800 Unterschriften – daher möchte ich dazu einladen, uns mit einer Unterschrift oder sogar mit einem ehrenamtlichen Einsatz zu unterstützen. Es hilft uns aber auch schon, wenn man einfach über das Thema spricht.

Wie groß ist das Team des Volksbegehrens und welche Aufgabe übernehmen Sie?
Oberbichler: Zwölf Leute sind aktiv ehrenamtlich dabei – unterteilt in Pressearbeit, Kommunikation, Events, Mobilisierung, Organisation, Infrastruktur, Finanzielles und Social Media. Ich bin im Social Media-Vorstand.

Wie sieht die Arbeit für ein Volksbegehren aus?
Oberbichler: Wir setzen uns zusammen und reden darüber, auf welche Aspekte wir Aufmerksamkeit lenken können oder bei welchen Trends wir mitmachen. Generell versuchen wir, sichtbar zu sein – ob auf Social Media oder im „Real Life“. Wir versuchen auch, auf Kongressen oder Messen einen Stand zu bekommen und waren zum Beispiel beim feministischen Kampftag und bei der Pride dabei, weil dort unser Klientel ist.

Sprechen Sie also primär eine politische linke Zielgruppe an?
Oberbichler: Eigentlich versuchen wir, alle anzusprechen, denn Verhütung ist ein Thema, das alle Menschen betrifft – unabhängig von ihrer politischen Orientierung. Aber es ist sicher leichter, mit politisch linkeren Personen darüber zu reden und gemeinsame Punkte in Diskussionen zu finden.

Wie fällt das Feedback der Menschen aus, wenn Sie sie auf Ihr Anliegen ansprechen?
Oberbichler: Gemischt – manche Menschen wollen überhaupt nicht mit uns über das Thema sprechen, vor allem nicht, wenn wir Interviews dazu durchführen. Aber die meisten Leute, mit denen wir reden, wünschen uns, dass wir das Anliegen durchbringen.