Chancen und Risiken für Vorarlberger im Bitcoin-Boom

Frage & Antwort. Der Bitcoin hat Mitte August ein neues Rekordhoch von 124.500 US-Dollar erreicht. Doch trotz der medialen Euphorie bleibt die Mehrheit der Österreicher vorsichtig. Finanzexperte Florian Ender erklärt, wo die Gefahren liegen, welche Fehler Anleger vermeiden sollten und warum Kryptos für die Altersvorsorge untauglich sind.
Laut dem aktuellen Krypto-Barometer von Marketagent würden die Österreicher nur neun Prozent eines hypothetischen Budgets von einer Million Euro in Bitcoin und Co. stecken. Immobilien (40,1 Prozent) und Gold (24,1 Prozent) liegen weit davor. 68 Prozent halten ihr Wissen über Kryptos für schlecht, 41 Prozent stehen ihnen klar negativ gegenüber.

Florian Ender, Finanzexperte und Fachgruppenobmann der Finanzdienstleister Vorarlbergs, erklärt im Gespräch, warum die Skepsis berechtigt ist, welche Fehler Anleger vermeiden sollten und warum er Kryptowährungen für die Altersvorsorge für ungeeignet hält.

1. Warum gibt es so viel Skepsis bei Kryptowährungen?
Florian Ender: Kryptowährungen sind in aller Munde, auch wegen der starken Kurssprünge. Das weckt Begehrlichkeiten. Aber die Skepsis bleibt, weil keine Notenbank dahintersteht und niemand regulierend eingreifen kann. Der Wert von Bitcoin oder anderen Coins ist schwer greifbar und als Zahlungsmittel haben sie sich noch nicht durchgesetzt.
2. Laut Krypto-Barometer würden die Österreicher nur neun Prozent eines Budgets in Kryptowährungen investieren. Ist diese Zurückhaltung gerechtfertigt?
Ender: Ja. Kryptos können als spekulative Beimischung sinnvoll sein. Aber viele Junge stecken fast ihr ganzes Geld hinein – davor warnen wir. Man muss sich bewusst sein: Es kann von heute auf morgen 50 Prozent oder mehr verloren gehen. Wer damit nicht umgehen kann, sollte die Finger davon lassen.
3. Sind die Kursschwankungen wirklich so gefährlich?
Ender: Absolut. Wenn man einsteigt, muss man psychisch aushalten, dass es steil nach unten gehen kann. Viele kaufen, wenn alle kaufen, und verkaufen panisch, wenn es fällt. Das ist genau der falsche Weg, aber psychologisch verständlich.
4. Welche Fehler machen Krypto-Anleger am häufigsten?
Ender: Der größte Fehler ist, zu kaufen, wenn es gerade hoch ist, und zu verkaufen, wenn es runtergeht. Der zweite Fehler: Viele verstehen das Produkt nicht. Sie investieren, weil der Nachbar damit Geld verdient hat, ohne zu wissen, was das eigentlich ist. Meine Regel: Nur in etwas investieren, das man versteht.
5. Wie viel Krypto-Anteil ist im Portfolio sinnvoll?
Ender: Wenn überhaupt, nur ein kleiner spekulativer Anteil. Geld, das ich absehbarer Zeit für eine Wohnung oder Anschaffungen brauche, oder bei dem ein starker Rückgang nicht verkraftbar ist, sollte ich nicht in Kryptos stecken. Man sollte nur Beträge investieren, bei denen es nicht schlimm ist, wenn sie weg sind.
6. Wie sicher sind Kryptowährungen in Bezug auf Cybercrime?
Ender: Im Kryptobereich gibt es viele Betrugsmaschen. Wichtig ist, wo ich investiere. In Österreich gibt es regulierte Plattformen, die auch die Steuern automatisch abführen. Wer im Ausland handelt, muss alles selbst beim Finanzamt erklären. Dort wird es schnell komplex.
7. Wie funktioniert die Besteuerung von Krypto-Gewinnen?
Ender: Gewinne aus Kryptowährungen unterliegen in Österreich der Kapitalertragsteuer von 27,5 Prozent. Wer eine heimische, steuereinfache Plattform nutzt, für den wird die Steuer automatisch abgeführt. Wer über eine ausländische Plattform handelt, muss jede Transaktion selbst in der Steuererklärung angeben und das ist für Privatpersonen kaum handelbar.
8. Sind Kryptowährungen als Altersvorsorge geeignet?
Ender: Für die Altersvorsorge halte ich Kryptos für ungeeignet. Wer zum Beispiel monatlich 200 Euro spart, hat nichts davon, wenn zehn Prozent davon in Kryptos liegen. Selbst wenn sich das verdoppelt, sind das am Ende nur 20 Euro Gewinn. Das Risiko ist dafür zu hoch. Bei großen Vermögen kann man einen kleinen Teil beimischen, aber für den Durchschnittsanleger macht es keinen Sinn.
9. Gibt es auch sinnvolle Anwendungsfälle für Kryptos?
Ender: Ja, zum Beispiel in Krisenregionen. Gut ausgebildete Flüchtlinge können Geld in Kryptowährungen mitnehmen, wenn sie das Land verlassen. Bargeld könnte man nicht so ohne Weiteres mitnehmen. Mit dem Code hat man weltweit Zugriff. Auch internationale Überweisungen sind ein Thema bei Kryptowährungen, weil es günstiger und schneller sein kann, als klassische Wege.
10. Werden sich Kryptos in zehn Jahren durchsetzen?
Ender: Ich glaube, dass wir in den kommenden Jahren eine digitale Währung sehen werden. Ob das Bitcoin ist oder etwas anderes, weiß ich nicht. Möglich ist auch, dass die EZB einen digitalen Euro einführt oder die USA einen digitalen Dollar. Das staatliche Modell hätte den Vorteil, dass es reguliert und sicher eingebettet ist. Aber klar ist: Die Richtung geht ins Digitale. Bargeld hat in Österreich zwar einen hohen Stellenwert, besonders im Vergleich zu Skandinavien. Langfristig wird aber auch hier die Bedeutung abnehmen.
Fünf Begriffe
… aus der Welt der Kryptos, kurz erklärt.
1. Bitcoin: Die erste und bis heute bekannteste Kryptowährung. Sie wurde 2009 gestartet und funktioniert ohne Banken oder Staaten. Die Gesamtmenge ist auf 21 Millionen begrenzt, weshalb viele vom „digitalen Gold“ sprechen. Der Kurs des Bitcoin schwankt stark.
2. Blockchain: Technische Grundlage fast aller Kryptowährungen. Man kann sie sich wie ein digitales Register vorstellen, das Transaktionen fälschungssicher in Blöcken speichert und weltweit überprüft. Das System gilt als besonders fälschungssicher und wird auch für Verträge oder digitale Identitäten erprobt.
3. Wallet: Eine digitale Geldbörse, mit der man Kryptowährungen verwalten kann. Es gibt „Hot Wallets“ als App oder Online-Version und „Cold Wallets“ auf speziellen USB-Sticks, die nicht ständig mit dem Internet verbunden sind.
4. Altcoins: Alle Kryptowährungen außer Bitcoin, wie Ethereum, Dogecoin oder Litecoin. Manche dieser Projekte haben eigene technische Besonderheiten, allerdings verschwinden viele Altcoins auch wieder rasch vom Markt. Das macht sie noch spekulativer.
5. Wallet: Das „Schürfen“ von Coins durch komplexe Rechenprozesse erfolgt meist in großen Rechenzentren, die enorme Mengen Strom verbrauchen. Mining sorgt jedoch dafür, dass das System funktioniert und Transaktionen überprüft werden.