Geschlechtskrankheiten feiern trauriges Revival

Trotz Mangel an genauen Daten gibt es auch in Vorarlberg klare Hinweise darauf, dass die Anzahl der Infektionen von Geschlechtskrankheiten in den letzten Jahren eindeutig zugenommen zu haben.
Syphilis, Gonorrhoe und Chlamydien nehmen wieder signifikant zu – eine Schlagzeile, die es seit Antibiotika und dem Kondoms eigentlich nicht mehr geben dürfte. Und trotzdem gibt es offenbar Renaissance der Geschlechtskrankheiten. Bereits Anfang des Jahres sorgte eine Studie des europäischen Centre for Disease Prevention and Control (zu Deutsch: „Zentrum für Krankheitsprävention und -kontrolle“) für Aufsehen. Es wurde berichtet, dass die erfassten Gonorrhoeinfektionen von 2014 bis 2023 um gewaltige 300 Prozent zugenommen haben. Das bedeutet: Heute leben drei Mal mehr Menschen mit Gonorrhoe in Europa als noch 2014.
Dabei ist Gonorrhoe nicht einmal die häufigste Geschlechtskrankheit in der EU. Diese Liste wird seit Jahren von den Chlamydien angeführt, welche 2023 rund 230.000 Mal in Europa diagnostiziert wurde. Aber Achtung: In dieser Zahl sind die österreichischen Fälle gar nicht enthalten.

Nicht Meldepflichtig
Denn in Österreich und Deutschland besteht für diese Krankheiten in der Regel keine Meldepflicht. Die Infektion ist erst dann den Behörden zu melden, wenn der Arzt der vermutet, dass der infizierte Patient die Behandlung verweigert oder seinen Sexualpartnern die Erkrankung verschweigen könnte. Diese Regelung hat wiederum zur Folge, dass die Verbreitung innerhalb der eigenen Staatsgrenzen sich nicht genau bestimmen lässt. Man kann nur anhand der Zahlen der Nachbarländer schätzen, wie viele Personen positiv auf Geschlechtskrankheiten getestet sind.
Einen Hinweis auf die regionale Entwicklung gab es jedoch Anfang des Monats vom Verein „Sexuelle Gesundheit Vorarlberg“. In einer Presseaussendung hieß es, dass die Zahl der Testungen auf sexuell übertragbare Krankheiten zugenommen habe. Der Verein bietet solche Tests anonym und kostenlos jeden Dienstag in Bregenz an. Auf Anfrage der NEUE, ob auch die positiven Testergebnisse gestiegen seien, erklärte die Leiterin der „Sexuellen Gesundheit Vorarlberg“, Manuela Köhler: „In den letzten Jahren wird immer mehr getestet, aber ob es dadurch auch zu mehr Infektionen kommt, lässt sich anhand unserer Daten nicht verlässlich sagen. Die steigende Zahl an Testungen zeigt jedoch ein erhöhtes Verantwortungsbewusstsein im Hinblick auf die eigene sexuelle Gesundheit. Am besten ist es natürlich, wenn es gar nicht erst zu einer Infektion kommt. Dafür bleibt das Kondom nach wie vor der verlässlichste Schutz.“
Stichwort Kondom
Genau da liegt wahrscheinlich das Problem, wenn es um die Prävention dieser Krankheiten geht. Arzt Philipp Hinteregger, Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten mit Arztpraxis in Bregenz, erklärt dazu gegenüber der NEUE: „Die Patienten haben weniger Angst vor Geschlechtskrankheiten. Bis vor ein paar Monaten habe ich noch an der Universitätsklinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Innsbruck gearbeitet, dort sah ich eine Zunahme der Fälle in den letzten Jahren. Natürlich haben wir inzwischen gute Medikamente für die Behandlung, trotzdem besteht auch heute noch die Gefahr von bleibenden Schäden nach einer Infektion.“

Folgen
Diese Schäden können gravierend sein: So kann eine unbehandelte Syphiliserkrankung Gehirn, Nervensystem, Augen, Herz, Blutgefäße, Leber, Knochen und Gelenke schädigen. Eine Chlamydien-Infektion erhöht das Risiko für Unfruchtbarkeit bei Frauen etwa um das Sechsfache. Da die Infektion oft über Monate oder Jahre hinweg unentdeckt bleibt – schließlich verläuft sie in den meisten Fällen asymptomatisch –, ist die Gefahr nicht gering, dass man sie unbemerkt mit sich herumträgt oder sogar andere damit ansteckt.
Bei der Gonorrhoe sieht es ähnlich aus: Auch hier bemerken die Betroffenen oft nichts von der Infektion, bis sie entweder getestet werden oder etwa beim Kinderwunsch mit Unfruchtbarkeit konfrontiert sind. In manchen Fällen kann sich die Gonorrhoe auch auf andere Organe ausweiten, was zu Hautausschlägen, Fieber, Gelenkschmerzen, Entzündungen und einer Verengung der Harnröhre führen kann.
Tests und Kondome
Schlussendlich sind das jedoch alles Probleme, die sich in vielen Fällen verhindern lassen würden. Dermatologe Hinteregger und Expertin Manuela Köhler sind sich einig: Das Kondom stelle nach wie vor den besten Schutz dar. Andernfalls kann man sich anonym und kostenlos jeden Dienstag von 16.30 bis 19 Uhr beim Verein „Sexuellen Gesundheit Vorarlberg“ in Bregenz testen lassen.
Ansonsten bieten Hausärzte für gewöhnlich die Tests auch an. Allerdings muss man die Tests selbst bezahlen, wenn man keine Symptome einer Erkrankung hat. Je nachdem auf welche und wie viele Krankheiten man sich testen lässt, kann dies schnell einmal 100 Euro oder sogar noch mehr kosten.
Geschlechtskrankheiten einfach erklärt
Syphilis
Die Erkrankung verläuft in mehreren Stadien. Zunächst bildet sich oft ein schmerzloses Geschwür an der Eintrittsstelle. Später können Hautausschläge, Schleimhautveränderungen und grippeähnliche Beschwerden auftreten. Unbehandelt, kann sie innere Organe, Nerven und das Herz-Kreislauf-System schwer schädigen. Übertragen wird Syphilis meist durch ungeschützten Geschlechtsverkehr oder von der Mutter auf das Kind während der Schwangerschaft. Diagnose erfolgt durch Bluttests, Behandlung in der Regel mit Penicillin. Frühzeitig erkannt, ist Syphilis gut heilbar und Spätfolgen lassen sich verhindern.
Gonorrhoe
auch als Tripper bekannt, ist eine sexuell übertragbare Infektion. Sie verursacht Ausfluss, Brennen beim Wasserlassen und Entzündungen der Geschlechtsorgane. Unbehandelt kann sie Unfruchtbarkeit oder chronische Schmerzen verursachen. Die Übertragung geschieht meist beim ungeschützten Sex. Die Behandlung erfolgt mit Antibiotika.
Chlamydien
sind eine häufige sexuell übertragbare Bakterieninfektion. Viele Betroffene bemerken keine Symptome nach der Ansteckung . Mögliche Hinweise auf die Erkrankung sind Ausfluss, Schmerzen beim Wasserlassen oder Unterleibsschmerzen. Unbehandelt können Chlamydien Unfruchtbarkeit, insbesondere bei Frauen, und chronische Entzündungen verursachen. Die Übertragung erfolgt für meist beim ungeschützten Sex. Die Diagnose geschieht per Test und behandelt wird mit Antibiotika.