Vorarlberg

Shrinkflation: Was die Vorarlberger denken, wenn weniger Inhalt denselben Preis hat

23.09.2025 • 17:32 Uhr
Shrinkflation: Was die Vorarlberger denken, wenn weniger Inhalt denselben Preis hat
Am 19. September wurde Iglo wegen Shrinkflation verurteilt. Die NEUE hat sich dazu in Dornbirn umgehört.APA/HANS KLAUS TECHT/Fussenegger/Canva

How much is the fish? Das ist eine berechtigte Frage in Zeiten der Shrinkflation. Die Konsumenten schauen inzwischen genauer hin, sagt AK-Präsident Heinzle.

von Sarah Schäfer, Tobias Holzer und Johanna Fußenegger

Jedes Jahr aufs Neue vergibt der Verein für Konsumenteninformation (VKI) die sogenannte „Konsum-Ente“. Eine Auszeichnung, die sich Lebensmittel- und Konsumgüterhersteller ganz bestimmt nicht wünschen.
Die Konsum-Ente geht an Produkte, die im Vorjahr auf besonders dreiste Weise versucht haben, ihre Kundschaft zu täuschen. So erhielt im vergangenen Jahr etwa ein Grillgewürz der Marke Kotányi den Preis: Nur rund ein Drittel der Verpackung war tatsächlich mit Gewürz gefüllt, der Rest bestand aus Luft und Plastikverpackung.

Über die Vergabe entscheidet die Öffentlichkeit: Jeder kann auf der Webseite des VKI für die Konsum-Ente abstimmen. Dieses Jahr beteiligten sich bereits über 8000 Personen – so viele wie noch nie. Zum Vergleich: 2024 waren es noch insgesamt etwa 7800 Stimmen. Und das Voting für 2025 ist noch gar nicht abgeschlossen, sondern läuft noch bis zum 5. Oktober.

Shrinkflation im Fokus

Der Präsident der Arbeiterkammer  Vorarlberg, Bernhard Heinzle, sieht im steigenden Interesse eine klare Entwicklung. Er erklärt der NEUE: „Die Menschen achten verstärkt auf Themen wie Shrinkflation und Mogelpackungen. Wenn das Geld knapper wird, schaut man genauer hin, wie viel etwas tatsächlich kostet.“ Besonders die Praxis, Packungsgrößen zu verkleinern, ohne den Preis anzupassen, sorgt für Ärger.

Shrinkflation: Was die Vorarlberger denken, wenn weniger Inhalt denselben Preis hat
Präsident der Arbeiterkammer, Bernhard Heinzle, kritisiert die Shrinkflation von Produkten.Hartinger

Daher fordert die Arbeiterkammer eine gesetzlich verpflichtende Kennzeichnung, sobald sich Rezeptur oder Füllmenge ändern. Heinzle kritisiert die Ausrede vieler Hersteller, dies geschehe aus „produktionstechnischen Gründen“, scharf: „Das kann ich nicht mehr hören, sowas dient am Ende nur der Gewinnmaximierung.“
Ein Fall von Iglo sorgte dahingehend kürzlich für Wirbel. Still und heimlich wurde das Gewicht der „Atlantik Lachs“, bestehend aus zwei Naturfilets, von 250 Gramm auf 220 Gramm reduziert. Die Verpackung blieb dabei gleich, nur links unten auf der Box, stand nun nicht mehr in grauer, dünner Schrift „250 Gramm“ sondern eben „220 Gramm“. 

“Die Menschen achten verstärkt auf Shrinkflation und Mogelpackungen. Wenn das Geld knapp wird, schaut man genauer hin, wie viel etwas tatsächlich kostet.“

Bernhard Heinzle, Präsident der Arbeiterkammer Vorarlberg

Ein Gesetzverstoß und Täuschung gegenüber den Kunden vonseiten Iglos, entscheid das Oberlandsgericht Wien am 19. September. Iglo hat seitdem zurückgerudert und verkauft den Atlantik Lachs inzwischen wieder in der 250-Gramm-Einheit.

was ist eigentlich shrinkflation

Shrinkflation bezeichnet die Praxis, bei gleichbleibendem Preis die Füllmenge oder Größe eines Produkts zu verringern. Für Konsumenten wirkt das Produkt auf den ersten Blick oft unverändert, doch tatsächlich zahlen sie mehr pro Gramm oder Liter.

Wer Shrinkflation entlarven möchte, sollte nicht allein auf den Packungspreis achten, sondern immer den Grundpreis pro  Gewicht oder Liter vergleichen. So lässt sich feststellen, ob ein Produkt wirklich günstiger ist – oder nur in einer größeren, aber zur Hälfte leereren Verpackung steckt.

Darüber hinaus weist der VKI darauf hin, dass Verbraucher mit ihrer Stimme nicht nur Missstände aufzeigen, sondern auch ein öffentliches Signal setzen: Hersteller, die auf Intransparenz setzen, müssen mit Imageverlust rechnen. Damit trägt die Konsum-Ente dazu bei, fairere Marktbedingungen zu schaffen.

Umfrage: “Irreführend”, “Abzocke” und “Verschleierung”

Kennen Sie den Begriff „Shinkflation“? Diese Frage hat die NEUE Passanten in der Dornbirner Innenstadt gestellt. Die sechs Befragten verneinten, kannten jedoch alle das Phänomen, das dahintersteckt (mehr dazu in der Factbox rechts). Auch einer Kennzeichnungspflicht der Shinkflation-Produkte würden alle Umfrageteilnehmer zustimmen.

Shrinkflation: Was die Vorarlberger denken, wenn weniger Inhalt denselben Preis hat
Johanna Lenk Fussenegger

Johanna Lenk denkt bei dem Thema gleich an Chipspackungen, bei denen „mehr als die Hälfte des Inhalts Luft ist.“ Auch bei Müslipackungen ist ihr dieser Umstand schon aufgefallen. „Eine Kennzeichnungspflicht wäre eine gute Idee. Wenn man schnell einkaufen muss, achtet man auf die Mengen in den Verpackungen nicht.“ Die Dornbirnerin sagt, sie würde statt der gekennzeichneten Produkte andere Lebensmittel kaufen. Der aktuelle Fall mit dem Atlantik-Lachs von Iglo (siehe oben) berührt sie nicht: „Ich bin Vegetarierin.“

Reyhan Özdemir, die ihr Foto nicht in der Zeitung sehen wollte, hat auch ein Beispiel für Shrinkflation parat: „Bei Chips ist mir das besonders aufgefallen: Da wurde mit einem XL-Pack geworben, aber als ich den Inhalt in eine Schüssel umgefüllt habe, war genauso viel drin wie bei der normalen Packung. Gerade bei Produkten, die man schon kennt, finde ich es irreführend, wenn plötzlich die Grammzahl reduziert wird, ohne dass das deutlich erkennbar ist.“ Im Sommer sei ihr das bei einer Chipspackung an einer Raststätte aufgefallen: „Sie kostete gleich viel wie anderswo, nur war sie deutlich kleiner und hatte weniger Inhalt. Die Grammangabe musst ich af der Packung suchen, weil sie so klein abgedruckt war.“ Auch Özdemir befürwortet eine Kennzeichnungspflicht: „Bei Verpackungen, bei denen der Inhalt nicht sichtbar ist, fände ich eine klare Kennzeichnung solcher Veränderungen sehr wichtig.“

Shrinkflation: Was die Vorarlberger denken, wenn weniger Inhalt denselben Preis hat
Philip Kofler Fussenegger

Auch Philip Kofler findet eine Kennzeichnungspflicht für Shrinkflation-Produkte wichtig: „Dann kann jeder selbst entscheiden, ob er das Produkt trotzdem kaufen will oder nicht. Sonst ist das so, als ob ich zwei Schuhe kaufe und nur einen bekomme.“ Bei Milka-Schokoladentafeln, Müsli oder Chips sei ihm oft schon aufgefallen, dass „mehr Luft als Inhalt in der Packung ist.“ Das sei „Abzocke“, verdeutlicht Kofler.

Shrinkflation: Was die Vorarlberger denken, wenn weniger Inhalt denselben Preis hat
Paul Rusch Fussenegger

„Konkrete Beispiele sind mir selbst noch nicht aufgefallen, aber ich habe schon davon gehört“, meint Paul Rusch, als er auf den Hintergrund der Shrinkflation angesprochen wird. „Bei uns in der Schweiz gibt es die TV-Sendung ‚Kassensturz‘, die solche Fälle aufdeckt“, erklärt er. Einer Kennzeichnungspflicht steht er grundsätzlich befürwortend gegenüber: „Das wäre besonders für große Konzernen angebracht. Bei kleinen Geschäften würde es mich nicht stören, wenn es keine Pflicht zur Kennzeichnung gibt.“

Shrinkflation: Was die Vorarlberger denken, wenn weniger Inhalt denselben Preis hat
Angelika Hartz Fussenegger

Angelika Hartz stören besonders jene Produkte, die doppelt verpackt sind: „Zum Beispiel Zwieback: Der ist in der Verpackung nochmals verpackt und in der Überpackung ist extra Luft. Sowas ärgert mich, denn im Moment sind die Lebensmittel teuer genug.“ Zu einer Kennzeichnungspflicht sagt Hartz: „Da wäre ich total dafür. Dann gehe ich entweder woanders hin oder kaufe das betroffene Produkt nicht mehr. Man sollte mit offenen Karten spielen. Diese Verschleierungstaktik ist nicht meins.“

Shrinkflation: Was die Vorarlberger denken, wenn weniger Inhalt denselben Preis hat
Michaela Wallner und Ines Seidel Fussenegger

Michaela Wallner berichtet, wie sie vor Kurzem bei einer Packung Gummibärchen über das Prinzip der Shrinkflation gestolpert ist: „Mir ist aufgefallen, dass nur noch 150 Gramm Gummibärchen in der Packung waren. Zufällig hatten wir noch eine ältere Packung zuhause, in dieser waren noch 200 Gramm enthalten.“ Wallner würde – ebenso wie ihre Begleitung Ines Seidel – eine Kennzeichnungspflicht begrüßen. „Das wäre besonders für die älteren Leute super, denen es nicht auffällt, wenn in einer Packung plötzlich weniger drin ist. Gerade jene mit einer kleinen Pension trifft das doppelt hart“, führt Seidel aus.