Neue IT-Lösung soll Menschenleben retten

Mit Blockchain-Lösung Schutzanzüge schneller nach Europa bringen.
Rund 50 Milliarden Euro werden heuer für medizinische Schutzausrüstung weltweit ausgegeben. Acht Milliarden davon können mit der Optimierung des Transports eingespart werden, fünf Milliarden Euro gehen durch Verzögerungen im Zahlungsverkehr verloren – Geld, das im Gesundheitssystem fehlt. Wie viel chinesische Fabriken erzeugen und wie viel Europas Krankenhäuser zeitgerecht erhalten, ist nur schwierig fortlaufend zu koordinieren.
In einem Forschungsprojekt unter Leitung von Radu Prodan, seit 2018 Professor am Institut für Informationstechnologie an der Universität Klagenfurt, arbeiten Wissenschaftler aus Kärnten und China gemeinsam am Aufbau eines Entscheidungsnetzwerks, das entlang der Versorgungskette Stakeholder auf allen Ebenen unterstützt. Projektziel ist eine gemeinsame Blockchain-Lösung, damit Schutzausrüstung auch in Krisenzeiten schneller, effizienter und günstiger nach Europa gelangt.
Denn, so Prodan, „die Lieferketten sind zu langsam und verschlingen zu viel Geld.“ Eine gemeinsame und umfassende IT-Lösung könnte mit einer verlässlicheren und besseren Versorgung mit medizinischer Schutzausrüstung letztlich viele Menschenleben retten. Das mit 570.000 Euro dotierte Projekt läuft für zwei Jahre.
Zum Projekt
Das Projekt trägt den Namen ADAPT (Adaptive and Autonomous data Performace connectivity and decentralized Transport decision-making Network).
Die Vorarbeiten begannen während der ersten kritischen Phase der Covid-19-Pandemie in Europa im Frühjahr 2020.
Neben der Uni Klagenfurt und der Chinese Academy of Sciences sind die Johannes-Kepler-Universität Linz sowie die Unternehmen Logoplan sowie Interact GmbH als Ürojektpartner involviert.
Interview mit Prof. Radu Prodan:
Sie bauen ein “anpassungsfähiges und autonomes Entscheidungsnetzwerk” auf – was kann man darunter als Laie verstehen?
RADU PRODAN: Stellen Sie sich eine Gruppe von 50 Menschen vor, die sich nicht kennen, selten eine gemeinsame Sprache sprechen und in unterschiedlichen Zeitzonen leben. Diese 50 Menschen versuchen jedem Tag gemeinsame Entscheidungen zu treffen um Menschenleben in Europa und China zu retten. Wenn jeder mit jedem also fünf Minuten pro Tag telefoniert/E-Mails schreibt (um Informationen auszutauschen), sind das 6 Stunden und 5 Minuten. Unser Entscheidungsnetzwerk macht das in 5 Minuten, weltweit und in Echtzeit. Das heißt, wir alle können viel schneller auf die rasanten Änderungen im Zusammenhang mit COVID-19 reagieren.
Wie können einzelne, etwa ein Kärntner Spital oder die Landesregierung, von ihrem Projekt profitieren?
PRODAN: Lassen Sie uns hier auch ein Beispiel nehmen. Ein Kärntner Spital benötigt in 2-3 Wochen weitere Schutzausrüstung und meldet dies an die Landesregierung. Anstatt jetzt mit jedem einzelnen der 5000 Produzenten in China in Kontakt treten zu müssen, nutzt die Landesregierung unser Entscheidungsnetzwerk und sieht in Echtzeit wo Produktionskapazitäten verfügbar sind, welche Transportmöglichkeiten und -zeiten aktuell verfügbar sind und wann die Güter da sein werden. Und sollte es in den nächsten Wochen zu Problemen kommen hilft das Entscheidungsnetzwerk mit Vorschlägen und Optionen um es doch noch zeitgerecht zu schaffen und stellt auch sicher, dass die Überprüfung der medizinischen Zertifikate ordnungsgemäß ablaufen kann.
Das Projekt läuft auf zwei Jahre – ist dann mit konkreten und in der Praxis anwendbaren Ergebnissen zu rechnen?
PRODAN: Wir versuchen in unserem Projekt die Machbarkeit eines gemeinsamen Blockchain-basierenden Entscheidungsnetzwerkes zu erforschen. Das internationale Forscherteam hat sich im Vorfeld der Projektarbeit schon intensiv mit möglichen Anwendungsfällen beschäftigt und wir erwarten im zweiten Forschungsjahr bereits einen praktischen Testlauf mit Organisationen aus Europa & China. Sollte dieser erfolgreich sein, wäre die technischen Probleme aus unserer Sicht gelöst und wir könnten das Entscheidungsnetzwerk mit anderen europäischen Ländern verknüpfen und.
Können Sie einem Laien erklären, was man unter der angestrebten “Blockchain-Lösung” verstehen kann?
PRODAN: Eine Blockchain ist eine transparente Datenbank zum Wissensaustausch. Stellen Sie sich vor, dass alle Organisationen, die einen Zugang dazu haben immer sofort wissen, ob die Lieferung verspätet ist, es ein Problem am Transportweg zum Flughafen gegeben hat, sich die Kapazität der Produktionsstätten verringert hat oder auch das ein Flugzeug aus einem anderen Land noch Platz für eine Transportpalette in Österreich hätte. Solch eine technische Lösung schafft Vertrauen zwischen den einzelnen Organisationen, da keine Geheimnisse vor dem anderen hat und dadurch niemand benachteiligt werden kann.
Wer würde vom Einsparungspotenzial von gesamt 13 Milliarden Euro besonders profitieren?
PRODAN: Schlussendlich profitieren alle Menschen in unserem Land davon. Unsere Regierung muss weniger Geldmittel zwischenfinanzieren und Europa erhält mehr der notwendigen Schutzausrüstungen aus China. Sollten unsere Forschungen erfolgreich sein, würden wir viele Engpässe im Angebot, Transport und der Produktion von Schutzausrüstungen aufzeigen und durch neue Algorithmen besser verteilen können. Und dadurch können wir noch mehr Krankenhäuser und Patienten zeitgerecht versorgen und hoffentlich noch mehr Leben retten.