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„Sprache formt unsere Realität“

07.02.2024 • 23:00 Uhr
Autorin und Bibliothekarin Jasmine Etter an ihrem Arbeitsplatz in Lustenau.<br><span class="copyright">hartinger</span>
Autorin und Bibliothekarin Jasmine Etter an ihrem Arbeitsplatz in Lustenau.
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Jasmine Etter aus Lustenau ist Bibliothekarin und Autorin. In ihren Werken setzt sie sich aufmerksam und reflektiert mit sensiblen Themen auseinander.

Wer hätte das gedacht: Lesen ist nach wie vor „in“. Unterschiedlichste Stilrichtungen sind gefragt, zahlreiche Communitys in sozialen Medien diskutieren die neuesten Werke ihrer teils ikonisch verehrten Lieblingsautoren. Dank diversen Self-Publishing-Anbietern ist es heuzutage so einfach wie nie zuvor, die eigenen Texte zu veröffentlichen. Sogar im verhältnismäßig kleinen Vorarlberg ist die schreibende Zunft recht groß. Zu ihr gehört auch Jasmine Etter. Die Lustenauerin macht seit einiger Zeit vor allem mit ihren Kurzgeschichten von sich reden, welche in verschiedenen Anthologien veröffentlicht wurden und durchaus sensible Thematiken behandeln. Doch von Anfang an.

Soziale Arbeit und Bücher

„Bücher habe ich immer gerne gehabt, darum habe ich nach der Matura eine Lehre im Buchhandel gemacht“, erzählt die 36-Jährige. „Allerdings konnte ich meine soziale Ader nicht ganz hinter mir lassen und habe danach Soziale Arbeit studiert, anschließend meinen Master in Gender Studies gemacht.“ Anschließend wurde sie in der Jugendarbeit tätig, etwa beim Mädchenzentrum Amazone. Doch: „Es hat mich immer wieder zu den Büchern zurückgezogen. Im Jahr 2019 habe ich wieder gewechselt, bin seitdem Bibliothekarin. Erst in Hard, jetzt in Lustenau.“

Geschrieben hat Jasmine immer schon viel und gerne, „in meiner Jugend vor allem peinliche Gedichte“, wie sie lachend erzählt. Mit Studium und Arbeit trat diese Leidenschaft allerdings etwas in den Hintergrund: „Das Aufgabenpensum war damals einfach so überwältigend, dass ich kaum zu etwas anderem kam. Nach dem Studium habe ich überhaupt erst wieder angefangen, für mich zu lesen und ein paar Schreibworkshops zu besuchen.“ Ausschlaggebend für eine richtige Veränderung war dann aber, wie so oft, Covid-19.

Wissen weitergeben

„Als Corona kam, habe ich meinen Fokus wieder auf das Schreiben gelegt und beschlossen, das Ganze professionell anzugehen. Also habe ich an weiteren Workshops teilgenommen, auch an schreibpädagogischen, um das Wissen weiterzuvermitteln“, so Jasmine. In den letzten Jahren hielt sie immer wieder Schreibseminare für Kinder und Jugendliche ab. „Die Arbeit mit jungen Menschen finde ich sehr spannend, weil es mir wichtig ist, ihnen eine Stimme zu geben“, erklärt die Lustenauerin, „Man hört nämlich selten auf Kinder oder Jugendliche, obwohl sie viele kluge Dinge zu sagen haben.“ Also hilft sie ihnen, zu lernen, wie man sich ausdrücken und die eigenen Gedanken auch in Texten verarbeiten kann.

In Jasmines eigenen Werken sind Aspekte der Jugend ebenfalls oft Thema. „Ganz oft geht es ums Erwachsenwerden, um Identitätsfindung. Auch Hoffnung zieht sich als Thema durch.“ Viele ihrer Geschichten sind in der Zukunft angesiedelt, von der sie aber kein allzu negatives Bild zeichnen möchte: „Ich gehe weg von dystopischen Szenerien, mir geht es eher darum, wie man Utopien schaffen kann, eine bessere Welt. Das finde ich ganz wichtig.“ Ebenso relevant in den Arbeiten der jungen Autorin, die oft im Bereich Fantasy angesiedelt sind, ist eine Abbildung der menschlichen Vielfalt. Sie versucht, unterschiedlichste Charaktere zu inkludieren: „Das sind dann eben nicht immer nur normschöne weiße Personen, sondern vielleicht auch mal jemand, der etwas übergewichtig ist oder eine Behinderung hat, und natürlich gibt es auch ganz viele queere Charaktere.“

Sprache im Wandel

In dieser Hinsicht achtet die 36-Jährige auch vermehrt auf sprachliche Aspekte. „Ich experimentiere öfters mit Neopronomen. Das ist für mich etwas ganz Besonderes, weil die Sprache derzeit so im Wandel ist. Es gibt so viele Menschen, die sich weder als männlich noch weiblich identifizieren und eigene Pronomen nutzen. Im Englischen ist das mit ‚they/them‘ relativ einfach, im Deutschen schon schwieriger, weil es eine Vielzahl an Möglichkeiten gibt.“ Diese Möglichkeiten lässt die Autorin gerne in ihre Texte einfließen, auch als Herausforderung: Wie schreibt man einen Text in genderneutraler Sprache, der sich trotzdem noch flüssig und leicht lesen lässt? Eine Variante, die Jasmin oft verwendet, ist die Verwendung von neutralen Begriffen: „Wenn man Studierende statt Studenten schreibt, fällt das eigentlich gar nicht auf.“ Nicht nur schriftlich, auch beim Sprechen achtet sie auf ihre Ausdrucksweise: „Ich lasse entweder eine Gender Gap oder benutze, wie auch in Texten, neutrale Worte. Sprache formt unsere Realität, je nachdem, wie wir sie verwenden, verändert sie unser Denken.“

Zukunfts-Setting

Stichwort Realität: „Ich versuche in meinen Werken oft, die Realität, die manchmal echt anstregend ist, zu kompensieren. Darum spielt viel in der Zukunft, etwa in Solarpunk-Settings.“ Heißt: Die Klimakrise ist überwunden, nachhaltige Energien werden genutzt. Zwar gibt es Konflikte, aber nicht unbedingt Krieg.

Inspirationen findet Jasmine also genug – Schreibblockaden kennt sie deshalb zum Glück noch nicht. „Ich bin eigentlich immer konstant dabei. Aber ich mache mir keinen Druck, gehe nicht davon aus, dass ich jetzt einen Bestseller schreiben muss. Ich will das auch gar nicht hauptberuflich machen, das wäre mir zu anstrengend.“ Viel Zeit fürs Schreiben nimmt sie sich dennoch, teilt ihre Leidenschaft auch mit anderen: Einmal im Monat findet sich eine Schreibgruppe zusammen und arbeitet gemeinsam. „Es ist schön, während des Prozesses Feedback zu bekommen. Wir haben uns per Zufall gefunden, behandeln ähnliche Themen. Alle sind im Fantasy- und Science-Fiction-Bereich unterwegs und sehr queer-freundlich. Und das in Vorarlberg“, schildert Jasmine mit einem Augenzwinkern.

Ein großes Thema für alle Autoren ist, selbstredend, die Veröffentlichung der eigenen Werke. Dazu gibt es mittlerweile zahlreiche Möglichkeiten, auch Self-Publishing ist ein großes Thema. Über diverse Anbieter kann mittlerweile fast jeder relativ einfach ein Buch auf den Markt bringen. In dieser Flut nicht unterzugehen ist nicht einfach. Aber es hat auch Vorteile, wie Jasmine erklärt: „Viele Schreibende treffen bewusst die Entscheidung, nicht mit einem Verlag zu publizieren. Da geht es nämlich zwei, drei Jahre, bis das Buch erscheint. Wenn man zu einem aktuellen Thema schreibt, macht es aber natürlich Sinn, den Text gleich auf den Markt zu bringen. Zudem präsentieren immer mehr Verlage immer weniger Bücher. Wenn ich in der Bibliothek die Kataloge mit dem Jahresprogramm bekomme, ist es oft so, dass zwei Bücher enorm promotet werden, aber der Rest wirkt irrelevant.“ Insofern sei Self-Publishing eine gute Möglichkeit für viele, zumal es heutzutage auch ein breites Angebot für Lektorat, Korrektorat oder professionelles Cover-Design gebe.

Eigener Roman

Dennoch ist es für die junge Lustenauerin „schon ein Ziel, mal mit einem Verlag zu arbeiten – es gibt dann auch Möglichkeiten für Förderungen oder Stipendien.“ Erstmal steht aber ein anderes großes Ziel an: „Für heuer habe ich mir vorgenommen, einen Roman fertigzustellen. Drei habe ich angefangen, es warten also Hunderte Seiten.“

Wer sich einen Überblick über Jasmines Werke und dessen Erhältlichkeit – viele Texte sind in Anthologien veröffentlicht – verschaffen möchte, tut dies am besten auf Instagram unter dem Account „@wildhexxe“.