Lächeln macht gesund, Grant macht krank

„Ihr seid nicht fähig, ihr seid zu blöd.“ Der Ton in Ambulanzen und Ordinationen wird rauer. Freundlichkeitsoffensive soll gegensteuern. Das Motto: „Lächeln macht gesund, Grant macht krank.“
Immer häufiger sehen sich Mitarbeiter in Ambulanzen, Ordinationen und Spitälern mit aggressiven Patienten konfrontiert. Beschimpfungen, Untergriffigkeiten und sogar Drohungen gegen Ärzte sowie das Pflege- und Verwaltungspersonal nehmen zu. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, haben die Vorarlberger Ärztekammer, die Landeskrankenhäuser, das Stadtspital Dornbirn und die Landesstelle der Österreichischen Gesundheitskasse eine Freundlichkeitsoffensive gestartet.
Kapazitätsgrenzen
Die Gesundheitsversorgung in Vorarlberg, wie auch in anderen Bundesländern, stößt zunehmend an ihre Kapazitätsgrenzen. Lange Wartezeiten in Spitalsambulanzen und Arztpraxen sind keine Seltenheit. Dies führt zu wachsendem Frust und Ärger bei den Patienten. „Doch das medizinische Personal ist der falsche Adressat für diesen Unmut“, betont Alexandra Rümmele-Waibel, Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzte. Rund 7000 hochmotivierte Fachkräfte setzen sich in Vorarlberg für die Gesundheit der Bevölkerung ein – rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. „Mehr Spitäler, Praxen und Personal sind aus budgetären Gründen schlicht nicht realisierbar“, erklärt Rümmele-Waibel, die in ihrer Kinderpraxis seit 2020 einen Anstieg der Patientenanzahl um 30 Prozent verzeichnet. „Um das Beste aus der aktuellen Situation zu machen, ist gegenseitiger Respekt unerlässlich.“

Doch die Realität sieht oft anders aus. „In letzter Zeit erhalten wir vermehrt Meldungen über aggressive Patienten – sowohl aus Spitälern als auch aus niedergelassenen Praxen“, berichtet Rümmele-Waibel. Sie zitiert einige der Beschimpfungen, die Mediziner und ihr Personal über sich ergehen lassen müssen: „Ihr seid unfähig“, „Habt ihr überhaupt studiert?“ oder sogar „Euch wird alles einholen, ihr werdet dafür büßen.“ Dabei zeigen sich keine besonderen Auffälligkeiten hinsichtlich Alter oder sozialer Herkunft der Wutpatienten – „sie kommen aus allen Gesellschaftsschichten“. In einigen Fällen kam es sogar zu körperlichen Übergriffen.
Niedrige Hemmschwelle
Die Hemmschwelle für Beschimpfungen, herabwürdigende und geschäftsschädigende Kommentare und sogar die Androhung von Gewalt wird im digitalen Raum immer niedriger, wie die Detaildaten der Wiener Umfrage zeigen: 58 Prozent der rund 1000 befragten Mediziner gaben an, in den vergangenen zwei Jahren von ungerechtfertigten Bewertungen betroffen gewesen zu sein. Hinzu kommen auch untergriffige Kommentare auf Social Media (30 Prozent im selben Zeitraum). Und rund ein Fünftel der Mediziner hat bereits persönliche Drohungen per Mail erhalten. Hier hat es auch schon einige Strafanzeigen gegen die Urheber solcher Drohungen gegeben.
„Für Vorarlberg liegen keine spezifischen Zahlen vor, doch die Erfahrungen hier dürften denen in Wien ähnlich sein“, berichtet Rümmele-Waibel. Besonders betroffen ist nicht nur das ärztliche Personal, sondern auch die Mitarbeiter an der Rezeption sowie das Pflegepersonal, die an vorderster Front den Unmut der Patienten abbekommen.

Bewusstseinsinitiative
Um diesem negativen Trend entgegenzuwirken, startet heute die Freundlichkeitsoffensive unter dem Motto „Lächeln macht gesund, Grant macht krank.“ Diese Initiative soll in Spitälern und Arztpraxen auf eine wertschätzende Kommunikation aufmerksam machen. „Die Kampagne ist als Bewusstseinsinitiative angelegt und soll Patienten mit positiven Botschaften zu mehr Respekt und Verständnis motivieren“, erklärt Rümmele-Waibel. Die Botschaften sind bewusst einfach und direkt formuliert, um auf emotionaler Ebene Wirkung zu erzielen und das Miteinander im Gesundheitssystem zu verbessern. Transportiert werden die Botschaften über Flyer, die Patienten beim Check-in in Ambulanzen und Ordinationen erhalten, sowie über Plakate und Bildschirmsujets in Wartebereichen.
Unterstützung von der ÖGK
Christoph Jenny, Vorsitzender des Landesstellenausschusses der ÖGK in Vorarlberg, unterstreicht die Notwendigkeit dieser Kampagne: „Die Mitarbeiter in Ordinationen und Spitälern leisten unter herausfordernden Bedingungen tagtäglich hervorragende Arbeit. Aggression und Respektlosigkeit gegenüber medizinischem Personal sind weder akzeptabel noch zielführend. Ein wertschätzender Umgang ist die Basis für ein funktionierendes Miteinander – insbesondere im Gesundheitswesen. Deshalb unterstützen wir als Österreichische Gesundheitskasse diese wichtige Initiative.“
Zusätzlich zu einem verbesserten Arbeitsklima für das Gesundheitspersonal kann die Kampagne auch einen positiven Effekt auf die Patienten selbst haben, ist Rümmele-Waibel überzeugt: „Lächeln stärkt das Immunsystem, reduziert Stress, schafft Nähe, macht glücklich und fördert somit auch die Genesung.“

Zwischenmenschliche Zuwendung wichtig
„Ein Krankenhausaufenthalt bedeutet für viele Menschen Stress und Unsicherheit. In dieser herausfordernden Zeit möchten wir als Pflegekräfte nicht nur pflegerisch, sondern auch menschlich unterstützen. Ein freundliches Lächeln schafft Vertrauen, vermittelt Geborgenheit und kann nachweislich das Wohlbefinden der Patienten fördern. Die Kampagne unterstreicht, wie wichtig zwischenmenschliche Zuwendung in der Pflege ist. Denn einfühlsame Betreuung ist ein wesentlicher Bestandteil des Heilungsprozesses“, so Sandra Wilhelmsen, Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin am Krankenhaus der Stadt Dornbirn.