Kommentar

Eine Wahl mit wirren Wendungen – Freud und Leid oft nah beieinander

17.03.2025 • 07:00 Uhr
Eine Wahl mit wirren Wendungen – Freud und Leid oft nah beieinander
Michael Ritsch konnte auf ganzer Linie überzeugen und hat Grund zum feiern. Steurer

Vorarlberg hat gewählt – hauchdünn oder Erdrutschsieg, eine Wahl voller Überraschungen.

Mario Leiter und Roland Frühstück sind wohl die beiden Kandidaten, die sich die deutlichsten Abfuhren in der Wählerschaft abgeholt haben. Rot-schwarzes Leid und Freud liegen in Bregenz und Bludenz nahe beieinander, in beiden Städten dürfen sich die amtierenden Bürgermeister aus dem jeweilig anderen Lager über einen Erdrutschsieg freuen.  

Besonders hervorgetan hat sich angesichts der nicht rechtskräftigen Verurteilung wegen Amtsmissbrauchs hier Simon Tschann. Trotz der Querelen rund um seine Person hat der ÖVP-Bürgermeister in der Alpenstadt die Wählerschaft überzeugt und Mario Leiter, der sich als Landesparteichef, Landtagsabgeordneter und Kommandant der Stadtpolizei nach seinem wenig erfolgreichen Abschneiden bei den Landtagswahlen kurzfristig für ein Antreten entschied, in seine Schranken gewiesen. Der Tanz auf allen Hochzeiten hat dem schon vor fünf Jahren als Verlierer aus dem Duell um die Alpenstadt hervorgegangenen Sozialdemokraten sprichwörtlich „das Genick“ gebrochen.  

Eine nicht weniger schallende Ohrfeige setzte es für Roland Frühstück als ÖVP-Herausforderer von Michael Ritsch in Bregenz. Das Scheitern des schwarzen Urgesteins und Langzeitklubobmanns kann man getrost als Desaster bezeichnen, das Nichterreichen einer Stichwahl und der Verlust von Mandaten in der Stadtvertretung wiegen schwer.  

Hauchdünn scheiterte der wohl mit Abstand auffälligste, grüne Spitzenkandidat Simon Vetter in der Marktgemeinde Lustenau, gerade einmal 16 Stimmen fehlten ihm auf FPÖ-Kandidaten Martin Fitz. Der Freiheitliche wird sich in der Stichwahl in zwei Wochen mit Patrick Wiedl (ÖVP) um den Bürgmeistersessel in Lustenau messen. Dass die Lustenauer Grünen erfolgreich auf Stimmenfang waren, zeigt sich im bisher besten Ergebnis seiner Fraktion, die fast 26 Prozent Stimmenanteil in der Gemeindevertretung verbuchen. 

Eine zumindest überraschende Konstellation für die Stichwahl verspricht das Ergebnis in der größten Stadt Vorarlbergs. In Dornbirn darf die Bevölkerung am 30. März erneut zum Urnengang und zwischen Julian Fässler (ÖVP) und Markus Fäßler (SPÖ) als Nachfolger für Andrea Kaufmann entscheiden. FPÖ-Kandidat Christoph Waibel, der sich angesichts der starken Ergebnisse der Freiheitlichen auf Landes- und Bundesebene wohl mehr ausgerechnet hatte, landet auf Platz drei. Das Erreichen von rund 20 Prozent in der Stadtvertretung darf der Landtagsabgeordnete und Stadtrat aber sehr wohl als Erfolg für sich verbuchen. 

Eine spannende Konstellation mit vielen offenen Fragen in der Gemeindevertretung bedeutet das Ergebnis im Nobelskiort Lech. Der bisherige Bürgermeister Gerhard Lucian muss herbe Verluste einstecken und braucht die Zustimmung der Gemeindevertretung, was angesichts des eher eisigen Verhältnisses zu Elias Beiser, der mit der Liste „Gemeinsam für morgen“ als Wahlsieger hervorgeht, schwierig werden dürfte. 

Persönlich freut es mich besonders, dass mit Elisabeth Kuster zum ersten Mal eine Bürgermeisterin in meiner Montafoner Heimatgemeinde St. Gallenkirch das Ruder übernimmt.

(NEUE Vorarlberger Tageszeitung)