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Eine Familie, 1500 Rinder und das Risiko einer Seuche

26.04.2025 • 16:00 Uhr
Christoph Haller
Tierarzt und Landwirt Christoph Haller. Haller

Christoph Haller hat in Burgenland einen der größten Rindermastbetriebe des Landes aufgebaut. Der gebürtige Vorarlberger setzt auf nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Aktuell bereitet ihm die Maul- und Klauenseuche große Sorgen.

Im südburgenländischen Markt Allhau betreibt Familie Haller mit rund 1500 Maststieren den größten Familienbetrieb Österreichs. Im Mittelpunkt steht ein ganzheitliches Konzept der Kreislauflandwirtschaft, das ökologische Landschaftspflege, artgerechte Tierhaltung, regionale Energiegewinnung und die Produktion natürlicher Düngemittel miteinander verbindet.

Rindermast-Christoph Haller
Christoph Haller mit seiner Frau Monika. Haller

Vorarlberger Wurzeln

Christoph Haller, aufgewachsen als Bauernsohn in Langen bei Bregenz, lernte schon früh die kleinbäuerlichen Strukturen kennen. Als praktizierender Tierarzt ist er auch aus wissenschaftlicher Sicht mit den Bedürfnissen seiner Rinder vertraut. „Ich wollte ein Zeichen setzen, dass es auch in Österreich möglich ist, eine wiederkäuergerechte Kreislaufwirtschaft im größeren Stil umzusetzen – und konnte das mit einem der größten Rinderställe des Landes realisieren“, sagt der 60-Jährige und blickt zurück: „Ich verbrachte schöne Jahre in Vorarlberg, aber der Drang nach draußen war immer schon da, ebenso wie die Leidenschaft für Tiere, besonders für Rinder und Wiederkäuer. Dieses Thema beschäftigt mich bis heute intensiv.“ Seine Ausbildung begann er mit 15 Jahren in der Steiermark. Sie führte ihn über landwirtschaftliche Schulen bis hin zur Tierarztpraxis – ein Beruf, den er später auch im östlichsten Bundesland ausübt. „Anfang der 1990er-Jahre war das noch eine ganz andere Welt in Burgenland“, erinnert er sich.

Rindermast-Christoph Haller
Das weitläufige Betriebsgelände. Haller

“Ein Weckruf für mich”

Besonders bewegte ihn damals das Verschwinden der Wiesen: „Viele dieser Flächen waren über Generationen bewirtschaftet worden. Sie waren Hotspots der Biodiversität, bis sie dem Pflug weichen mussten. Das war für mich ein Weckruf.“ Heute hält Haller seine Tiere in großzügigen Hallen und füttert sie mit Heu und Einstreu von den artenreichen Wiesen des Lafnitztals – einem ökologisch wertvollen, unregulierten Flachlandgewässer. Diese vormals vernachlässigten Wiesen gewinnen durch die Rinderhaltung neue Bedeutung, auch für die Biodiversität.

Rindermast-Christoph Haller
Die ganze Familie packt mit an. Haller


Die gesamte Verwertungskette bleibt im Betrieb: vom Futter über die Fleischproduktion bis hin zur Vermarktung im 2020 eröffneten hofeigenen „Bullinarium“, wo Rindfleisch und weitere Produkte verkauft und präsentiert werden. Mit dem „Bullinarium“ will der gebürtige Vorarlberger dem Trend zur Transparenz folgen und Konsumenten einen Einblick in die Erzeugung von hochwertigem, gesundem Rindfleisch geben, dies bei gleichzeitig größtem Respekt vor den Tieren und einem Bewusstsein für natürliche Kreisläufe. Das Konzept gliedert sich in drei Bereiche: ein Restaurant, in dem alles vom Rind auf den Tisch kommt, ein Infozentrum, das transparent über die Herkunft der Speisen informiert, sowie ein Café – der „Meating Point“ für Besucher. „In unserer Kreislaufwirtschaft muss sich die Wertschätzung für das Tier auch in der Küche widerspiegeln.“

Zahlen

350 Hektar (3,5 Quadratkilometer oder 3,5 Millionen Quadratmeter) beträgt die von Haller bewirtschaftete Fläche. Das entspricht 450 Fußballfelder.

1500 Rinder, ausschließlich Fleckvieh, werden in Hallers Kreislaufwirtschaft gehalten. Diese Rasse ist prädestiniert für die Gras- und Heufütterung.

3 Millionen Kilogramm Biofasern werden als Dünger für Haushalte und Biolandbau pro Jahr getrocknet.

60.000 Kilometer könnte man mit der täglich produzierten Energie fahren. Umgerechnet sind das eineinhalb Erdumrundungen pro Tag, die man in einem Auto fahren könnte.

Ökostrom

Zur Energiegewinnung nutzt Haller Biogas aus Rindermist. Der daraus erzeugte Ökostrom versorgt über 2000 Haushalte, die Rückstände dienen als Dünger oder Torfersatz. „Damit ist unser Betrieb nicht nur CO₂-neutral, sondern sogar klimapositiv.“

Rindermast-Christoph Haller
Das “Bullinarium”. Haller

Die ganze Familie

Im Alltag ist Christoph Haller nicht allein: „Einige aus der Familie arbeiten direkt mit, andere bringen ihr Fachwissen von außen ein“, sagt er. Besonders stolz ist er auf seinen Sohn Florian, der bereits die Verwaltung übernommen hat. „Er kümmert sich auch um die Digitalisierung. Das ist ein Bereich, der mich ehrlich gesagt nicht mehr interessiert. Aber ich sehe, wie wichtig er ist.“ Ziel der Familie sei nicht grenzenloses Wachstum, sondern nachhaltige Verbesserung. „Stillstand bedeutet Rückschritt. Aber wir wollen nicht größer werden, sondern besser“, bringt es Haller auf den Punkt.

Rindermast-Christoph Haller
Christoph Hallers Sohn Florian. Haller

Seuchengefahr

Aktuell liegt sein Hauptaugenmerk aber auf der Maul- und Klauenseuche. Nach Ausbrüchen in Ungarn und der Slowakei schrillen die Alarmglocken, die Grenznähe zu Ungarn macht die Situation besonders heikel. „Wir sind wirklich ganz nah am Geschehen, und die Lage beunruhigt uns sehr“, gibt der 60-jährige Landwirt und Tierarzt zu. „Natürlich haben wir entsprechende Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die Biohygienemaßnahmen wurden verstärkt, betriebsfremde Personen haben keinen Zutritt mehr. Es wird desinfiziert, gewaschen, und wir arbeiten mit Schleusen. Auch Zukäufe haben wir derzeit eingestellt.“

Rindermast-Christoph Haller
Interessierte Zuhörer: Christoph Haller im Infozentrum. Haller


Zum Glück, so Haller, habe man eine weniger exponierte Betriebsform: „Wir haben keinen täglichen Milchverkehr, keine externen Tiertransporte. Aber natürlich macht uns die Entwicklung Sorgen. Auch, weil es in der breiten Bevölkerung zu wenig Bewusstsein dafür gibt, was jeder Einzelne zur Eindämmung beitragen kann.“ Das Innenministerium hat bereits reagiert, vorübergehend Grenzübergänge in Burgenland und Niederösterreich geschlossen und Seuchenteppiche ausgelegt.

Rindermast-Christoph Haller
Christoph Haller bewirtschaftet 350 Hektar Land. Haller

“Es zehrt an den Nerven”

Die Gefahr ist jedoch noch lange nicht gebannt. „Ich schätze, mindestens drei bis vier Monate wird es dauern, bis man halbwegs Entwarnung geben kann. Aber selbst dann ist nicht ausgeschlossen, dass irgendwo noch Viren schlummern. Das zehrt schon an den Nerven.“ Denn auch für Christoph Hallers Betrieb gilt: erkrankt ein Tier, müssen alle getötet werden. „Das hätte nicht nur gravierende wirtschaftliche, sondern auch emotionale Konsequenzen. Es würde alles betreffen – die Rindermast, unsere Energieprodukte, das Bullinarium. Es ist eine existenzielle Grundfrage, wenn in unserem Betrieb ein positiver Fall auftritt.“

Haller-Wiese

Kämpferisch

Dieses Szenario will sich Haller nicht vorstellen. „Wir versuchen gemeinsam und mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, das zu verhindern“, zeigt er sich trotz der aktuellen Belastung kämpferisch und optimistisch.