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Tischlein deck dich – Hilfe, die seit 20 Jahren ankommt

20.07.2025 • 10:00 Uhr
Tischlein deck dich - Hilfe, die seit 20 Jahren ankommt
Elmar Stüttler ist immer mit großem Engagement dabei. Hartinger

2005 legten Elmar und Margit Stüttler den Grundstein für Tischlein deck dich in Vorarlberg. Eine Idee, getragen von persönlichem Engagement und praktischer Nächstenliebe.

Die Anfänge: Am 4. Oktober 2004 hörte Elmar Stüttler eine Radioreportage über die „Münchner Tafel“. Was er dort erfuhr, ließ ihn nicht mehr los: Lebensmittel, die nicht mehr verkauft, aber noch einwandfrei genießbar waren, wurden an Bedürftige weitergegeben. „Das hat mich begeistert“, erinnert er sich. Eine Woche später reisten er und seine Frau Margit Stüttler nach München, um sich die Organisation vor Ort anzusehen – und das hat beide tief beeindruckt. „Wir haben dann gesagt: Wenn der Herrgott hilft, machen wir das auch bei uns in Vorarlberg.“

Tischlein deck dich - Hilfe, die seit 20 Jahren ankommt

Viel Arbeit

Von Oktober bis April wurde alles vorbereitet. „Ich bin von Händler zu Händler gegangen. Manche waren sofort offen, andere skeptisch – man wusste ja noch nicht genau, ob das wirklich seriös ist“, so der 73-Jährige. „Ich bin auch zu den Behörden gegangen, zur Lebensmittelaufsicht, zur Bezirkshauptmannschaft – musste abklären, was erlaubt ist und was nicht. Es war viel Arbeit, und es stellte sich auch die Frage: Wie finanzieren wir das alles? Ich habe vieles aus eigener Tasche bezahlt, weil ich überzeugt war, dass es das Richtige ist.“

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Elmar Stüttler im Gespräch mit der NEUE am Sonntag. Hartinger

Knackpunkt Kühlauto

Es gab aber noch einen Knackpunkt: „Ich wusste, ohne Kühlauto geht gar nichts – sonst ist die Kühlkette im Sommer unterbrochen.“ Doch es gab eine Lösung. „Ein neues Kühlauto war zu teuer. Dann hat sich ein Lustenauer Händler gemeldet. Er hatte genau so ein Auto, wie ich es brauchte – gebraucht, in einem Top-Zustand und preislich erschwinglich.“

Tischlein deck dich

Verteilen statt Vernichten
Verteilen statt Vernichten ist der Grundsatz von Tischlein deck dich. Der Verein sammelt einwandfreie Lebensmittel, die sonst aus verschiedenen Gründen vernichtet würden und verteilt diese an Menschen in Not.
Kooperationen
Tischlein deck dich kooperiert mit Firmen, die Produkte wegen Überproduktion, optischen Beschädigungen und Mindesthaltbarkeitsdaten kurz vor dem Ablauf sonst entsorgen müssen. Diese Lebensmittel verwaltet der Verein in seinem eigenen Lagerzentrum in Vandans.
Unabhängig
Tischlein deck dich ist ein politisch und konfessionell unabhängiger Verein und verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke.
Abgabestellen
Der Verein verteilt die Lebensmittel an fünf Standorten – Bludenz, Feldkirch, Götzis, Dornbirn und Hard – jeweils einmal in der Woche.
Berechtigungskarte
Für den Bezug von Lebensmitteln an den Ausgabestellen ist eine Berechtigungskarte erforderlich. Die Karten werden nach Prüfung der Einkommensverhältnisse vom Sozialamt der Gemeinde, Caritas, Aktion Leben, Volkshilfe oder IfS ausgestellt. Der ausgefüllte Haushaltsplan mit Belegen ist zur Antragstellung mitzubringen.
Vorstand
Elmar Stüttler (Obmann und Gründer), Gerold Kornexl (Schriftführer), Johanna Mangeng (Kassierin).


Im Februar 2005 gründeten Elmar und Margit Stüttler dann den Verein „Tischlein deck dich Vorarlberg“. Am 19. April desselben Jahres sammelten sie am Vormittag erstmals Lebensmittel ein und verteilten diese am Nachmittag beim Kapuzinerkloster in Feldkirch. „Das war an einem Dienstag – das ist bis heute unser Ausgabetag für Feldkirch. Wir haben damals Waren an 13 Familien verteilt.“ Am Donnerstag ging es dann in Dornbirn beim Kolpinghaus weiter.

Ständig gewachsen

Was mit einem Kühlschrank und einem Tiefkühlschrank in der Garage bei Stüttlers zu Hause in Vandans begonnen hat, ist heute eines der bedeutendsten Sozialprojekte des Landes. „Wir sind ständig gewachsen. Heute haben wir mit Feldkirch, Dornbirn, Bludenz, Götzis und Hard fünf Abgabestellen“, so der gelernte Tischlermeister und Diakon. Gut 750 Familien werden pro Woche regelmäßig versorgt. Dabei werden mit 14 Kühlwagen 30 bis 35 Tonnen Lebensmittel bewegt. „Alles ist gewachsen.“

Tischlein deck dich - Hilfe, die seit 20 Jahren ankommt


Für einen reibungslosen Ablauf sorgen 13 Angestellte, drei Zivildiener und rund 350 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich in den Dienst der guten Sache stellen. „Ohne Ehrenamtliche funktioniert das nicht. Auch meine Frau und ich machen das seit 20 Jahren ehrenamtlich. Es gibt so viel zurück – die Dankbarkeit der Menschen, die Umarmungen. Das gibt Kraft“, führt Stüttler aus.

Kaum Restmüll

150 Fahrer und Beifahrer sind heute regelmäßig im Einsatz. Die in über 130 Geschäften eingesammelte Ware wird täglich mit sechs bis acht Autos ins angemietete Lager am Ladritschweg 10 in Vandans angeliefert. Von Freiwilligen wird sie dort sortiert, umgepackt und weiterverteilt. Nicht brauchbare Lebensmittel landen entweder als Schweinefutter bei Bauern oder im Biogas. „Wir versuchen, so wenig wie möglich wegzuwerfen, haben kaum Restmüll – maximal zwei, drei Kübel in der Woche.“ Über die vielen Jahre hat sich Elmar Stüttler auch ein großes Netzwerk aufgebaut – und das über die Grenzen hinaus. „Wir tauschen Lebensmittel mit unterschiedlichen Organisationen wie der Tafel aus. Wer zu viel am Lager hat, gibt es weiter – und umgekehrt. Das erfordert auch eine sehr gute Logistik, die wir mit unserer jahrelangen Erfahrung aber gut im Griff haben.“

Tischlein deck dich - Hilfe, die seit 20 Jahren ankommt

Unabhängig bleiben

Bemerkenswert ist, dass der Verein mit einer derart großen Infrastruktur seit über 13 Jahren ohne öffentliche Gelder auskommt. „Wir finanzieren uns ausschließlich über Spenden und die Einnahmen aus unseren Verkäufen.“ Wichtig für den 73-Jährigen: „Damit können wir unabhängig bleiben – auf das können wir stolz sein. Und die Menschen in Vorarlberg stehen voll hinter uns.“
Zum heurigen Jubiläum wurde mit „Mein guter Laden“ auch ein neues Projekt ins Leben gerufen. Elmar Stüttler ist auch nach 20 Jahren als Obmann, Organisator und Motor des Vereins mit viel Herzblut dabei. Neben all seinen Tätigkeiten gibt der Montafoner auch Schulführungen vor Ort im Lager in Vandans. „Das, was wir hier tun, lässt sich besser erleben als erklären“, ist für ihn klar. Es sei auch wichtig, jungen Menschen das Thema Lebensmittelverschwendung näherzubringen.

Tischlein deck dich - Hilfe, die seit 20 Jahren ankommt
Im Lager in Vandans werden die Lebensmitel sortiert, umgepackt und weitergeleitet.Hartinger

Aufhören?

Auf die Frage, wie lange er noch weitermachen möchte, antwortet der 73-Jährige: „Solange mir der Herrgott die Kraft gibt.“ Denn: „Ich bin auch Diakon. Meine Aufgabe ist es, für die Menschen am Rand der Gesellschaft da zu sein.“ Sein Wunsch: „Dass wir weiterhin Unterstützung erfahren – von Firmen, Spendern, der Bevölkerung und ehrenamtlichen Helfern. Ohne sie wäre das alles nicht möglich. Dafür möchten wir auch jedem Einzelnen ganz besonders danken.“

“Mein guter Laden”

Zum 20-jährigen Jubiläum wurde heuer mit „Mein guter Laden“ ein zukunftsweisendes Projekt ins Leben gerufen – eine soziale Einkaufsmöglichkeit für einkommensschwache Menschen. In Bludenz und Feldkirch-Tosters können Menschen mit geringem Einkommen – etwa Pensionisten, Alleinerziehende oder Studierende – Lebensmittel zu stark vergünstigten Preisen einkaufen. Voraussetzung ist ein Bezugsschein, der je nach Einkommensgrenze direkt im Laden beantragt werden kann. Koordiniert wird das Projekt mit viel Einsatz und organisatorischem Geschick von Eugen Wenin, der gemeinsam mit seinem Team für einen würdevollen und unkomplizierten Ablauf sorgt – und damit ein weiteres Stück gelebter Solidarität ermöglicht.

Elmar Stüttler
20 Jahre Tischlein deck dich: Obmann Elmar Stüttler. tdd


„Viele Menschen schämen sich, zur Lebensmittelausgabe von Tischlein deck dich zu kommen. Die Hemmschwelle ist groß. Im Sozialladen können sie selbst einkaufen – für einen symbolischen Betrag“, ist Elmar Stüttler vom neuen Projekt überzeugt. Er möchte „Mein guter Laden“ auch in Dornbirn etablieren:
„Das ist eines der nächsten Ziele für mich. Dafür brauchen wir aber Unterstützung. Vor allem ein passendes Lokal – günstig und für alle gut erreichbar.“