“Hauskrankenpflege ist ein cooler Job”

Landesverband-Geschäftsführerin Johanna Rebling-Neumayr spricht im Interview über das Jubiläum, aktuelle Herausforderungen, ihre Pläne und die Wichtigkeit, junge Menschen an Bord zu holen.
Der Landesverband Hauskrankenpflege Vorarlberg feiert heuer sein 50-jähriges Bestehen. Was bedeutet dieses Jubiläum für Sie?
Johanna Rebling-Neumayr: Die 50 Jahre, die hinter uns liegen, sind eine enorme Leistung. Ohne diese Aufbauarbeit wären wir heute nicht da, wo wir stehen. Gleichzeitig verändert sich die gesamte Landschaft massiv – Stichworte wie finanzielle Engpässe, demografischer Wandel oder Fachkräftemangel kennen wir alle. Für die Zukunft braucht es daher neue Ideen und den Mut, Pflege und Gesundheitssystem neu zu denken.

Prägende Entwicklungen?
Rebling-Neumayr: Ein entscheidender Wendepunkt war die Gründung des Landesverbands. Damit wurden die vielen Vereine in ein gemeinsames System eingebettet und Fördermittel gebündelt. So konnten Strukturen aufgebaut und mehr für die Pflege erreicht werden. Über die Jahre ist der Landesverband immer wichtiger geworden. Zwar sind wir nicht weisungsbefugt, aber wir haben heute eine klare Steuerungsfunktion.

Was macht die Hauskrankenpflege in Vorarlberg so stark?
Rebling-Neumayr: Vor allem unser Vereinssystem. Es ist europaweit einzigartig, dass Pflege so stark von der Gesellschaft getragen wird – durch Mitglieder, ehrenamtliche Funktionäre und Gemeinden. Pflege ist hier nicht bloß eine Dienstleistung, sondern ein fester Bestandteil des gemeinschaftlichen Lebens. Das Bewusstsein dafür ist in den letzten Jahren zwar etwas schwächer geworden, aber wir wollen es wieder stärken. Hauskrankenpflege ist für alle da.

Wie stellt sich die aktuelle Personalsituation dar?
Rebling-Neumayr: Noch sind wir gut aufgestellt. Rund 80 Prozent unseres Personals sind diplomierte Pflegekräfte – das ist im Vergleich zu anderen Bundesländern ein Luxus. Aber wir merken die Folgen des demografischen Wandels: Die Bevölkerung wird älter, gleichzeitig gehen viele Pflegekräfte in Pension.
Pflege kostet viel Geld.
Rebling-Neumayr: Pflege hat einen hohen Wert und muss entsprechend entlohnt werden. Unsere diplomierten Pflegekräfte sind medizinisch hochqualifiziert, das ist kein Vergleich mehr zu früher. Gute Arbeit kostet Geld, und wir spüren steigende Personalkosten, anhaltende Inflation und Teuerung. Wir arbeiten aber sehr verantwortungsvoll mit öffentlichen Mitteln. Allein durch ehrenamtliche Tätigkeit sparen wir rund elf Millionen Euro pro Jahr.
Zur Person
Johanna Rebling-Neumayr wurde am 24. November 1981 in Eckernförde (Deutschland) geboren. Sie ist verheiratet und Mutter von drei Kindern. Seit Oktober 2024 ist sie Geschäftsführerin des Landesverbandes Hauskrankenpflege Vorarlberg. Rebling-Neumayr studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft sowie Anglistik und absolvierte ein Lehramtsstudium in Musikpädagogik und Englisch. In ihrer Freizeit widmet sie sich dem Klavierspiel, dem Singen, dem Reisen und dem Restaurieren von Möbeln.
Der Abschluss 2024 ergab ein Minus von 448.510 Euro. Hat das Auswirkungen auf die Leistungen?
Rebling-Neumayr: Das wollen wir unbedingt vermeiden. Wir sind überzeugt, dass wir kluge Lösungen finden können. Gleichzeitig dürfen Land und Gemeinden nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Die Wertschätzung seitens des Landes ist groß, und ich hoffe, dass wir gemeinsam tragfähige Antworten finden.
Stichwort Sparmaßnahmen.
Rebling-Neumayr: Es wird sich erst zeigen, wie stark uns die Sparmaßnahmen der Politik betreffen. Momentan ist es ein Stück weit eine Fahrt im Nebel – wir wissen noch nicht, welche Mittel uns zugesprochen werden.
Sie sind November 2024 Geschäftsführerin. Was hat sich seitdem verändert?
Rebling-Neumayr: Wir haben stark in Digitalisierung investiert, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing ausgebaut und arbeiten an einer neuen Homepage. Mir ist wichtig, dass wir als moderner, attraktiver und glaubwürdiger Arbeitgeber wahrgenommen werden. Zudem wollen wir unsere Prozesse professionalisieren.

Wie wollen Sie jüngere Menschen für die Hauskrankenpflege gewinnen?
Rebling-Neumayr: Das ist eine zentrale Aufgabe. Hauskrankenpflege ist vielleicht nicht „sexy“, aber sie ist relevant. Jeder kann in eine Situation geraten, in der er Pflege braucht – unabhängig vom Alter. Schon ein kleiner Mitgliedsbeitrag hilft, Nachbarn professionelle Unterstützung zu ermöglichen. Das System lebt von Solidarität, und das wollen wir auch den Jüngeren bewusst machen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Hauskrankenpflege?
Rebling-Neumayr: Ich wünsche mir, dass wir unsere Vereinsstruktur erhalten und weiter professionalisieren können. Dass wir den Spardruck meistern, ohne an Qualität zu verlieren. Und dass es uns gelingt, besser zu kommunizieren, wie spannend und cool dieser Job eigentlich ist. Hauskrankenpflege ist kein Auslaufmodell für Menschen kurz vor der Pension, sondern ein zukunftsweisender Beruf.