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„Nie wieder ist jetzt“: Neue Stele in Fußach erinnert an Opfer der NS-Zwangsarbeit

07.11.2025 • 10:48 Uhr
„Nie wieder ist jetzt“: Neue Stele in Fußach erinnert an Opfer der NS-Zwangsarbeit
Der Obmann des Dorfgeschichtevereines, Friedrich Schneider, und der Historiker, Werner Bundschuh, sind stolz auf die Verortung der Geschichte der Zwangsarbeit in Fußach an einem öffentlichen Ort. Bereuter

Der Dorfgeschichteverein Fußach präsentierte im Mai „die verschwiegene Geschichte der Zwangsarbeiter“ während des Nationalsozialismus in ihrem Dorf in einer gut besuchten öffentlichen Veranstaltung. Dort wurde auch ein Entwurf einer Erinnerungs-Stele enthüllt, die nun rechtzeitig zum „Friedenssonntag“ ihren Platz fand.

Von Kurt Bereuter
neue-redaktion@neue.at

Wie in vielen anderen Gemeinden des Landes wurde in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts auch in Fußach ein Kriegerdenkmal errichtet, in das nach dem Zweiten Weltkrieg auch die Namen der Gefallen und Vermissten dieses Krieges eingemeißelt wurden. Dieses Denkmal steht mitten im Friedhof und ist sehr monumental mit einem kleinen Rundtempel errichtet worden. Für die Zwangsarbeitenden gab es bisher kein Erinnerungsmahnmal.

Eine Erinnerungs-Stele an die Zwangsarbeiter

Wie die NEUE im Mai berichtete, gab es in Fußach mehrere Zwangsarbeitende, Männer, Frauen und Jugendliche, die im Zwangsarbeiterlager namens „Birkenfeld“ untergebracht waren. Genannt werden sie in Erzählungen bis heute „Fremdarbeiter“, was dem Jargon der Nazis entspricht. Während die einen in der Ziegelei Ochsenreiter arbeiteten, waren andere in Haushalten von Familien, in der Landwirtschaft oder in der Trockenlegung von Wiesen im Rahmen der Wasserbaugenossenschaft verpflichtet worden. Abgesehen von der Unterbringung im Lager, das von Stacheldraht umgeben war, waren die Arbeitsbedingungen ganz unterschiedlich, je nach Arbeitsort. Vor allem die Arbeit in der Ziegelei und in der Trockenlegung der Wiesen war streng und die Bedingungen oft unmenschlich. Zudem müsse immer mitbedacht werden, was diese armen Menschen schon im Wege ihrer Verschleppung mitgemacht hatten, erklärt der Historiker Werner Bundschuh. Dass es immer wieder zu Fluchtversuchen kam, erklärt sich so, und die „rettende Schweiz“ war nicht weit, gerade mal über den Rhein hinweg. Jetzt gibt es eine Stele in der Nähe des Kriegerdenkmales, aber außerhalb des Friedhofes, mit Erläuterungen und einem QR-Code, um sich diese „Dorfgeschichte“ aufs Handy zu holen. Erarbeitet hat den Bericht der renommierte Dornbirner Zeithistoriker Werner Bundschuh im Rahmen der Johann-August-Malingesellschaft.

„Nie wieder ist jetzt“: Neue Stele in Fußach erinnert an Opfer der NS-Zwangsarbeit
Friedrich Schneider zeigt auf die Stelle, wo der „Junge Pole“ auf der Flucht erschossen wurde, beim Schifflegarten in Fußach.

Der auf der Flucht erschossene Pole

Der „junge Pole“ Franciszek Mendrala wurde im August 1942 mitten in Fußach – im Schifflegarten – auf der Flucht von einem „übereifrigen“ Hilfs-Grenzzoll-Angestellten erschossen. Mit fünf weiteren Zwangsarbeitern versuchte er, aus Kempten kommend, in die Schweiz zu gelangen. Seine fünf Fluchtfreunde wurden verhaftet, in Nürnberg als „Hochverräter“ verurteilt und hingerichtet. Am 24. April 1944 wurden von der Ziegelei Ochsenreiter drei polnische Zwangsarbeiter als abgängig gemeldet, die offenbar über den Rhein in die Schweiz flüchten wollten. Der polnische Zivilarbeiter Wojciech Sajdlowski wurde zwei Wochen später tot im Rhein gefunden. Beerdigt wurde er nicht in Fussach, sondern in Gaißau.

„Diese ‚Geschichte‘ war immer schon da, jetzt ist sie in die Gegenwart transformiert worden.“

Friedrich Schneider, Obmann Dorfgeschichteverein

Die Gemeinde “Rheinau”

Fußach war mit Höchst und Gaißau Teil der unter den Nazis neu gebildeten Gemeinde „Rheinau“. Während in Fußach und Gaißau die zur Zwangsarbeit Verpflichteten in Haushalten, der Landwirtschaft, in der Trockenlegung von Wiesen im Rahmen der Wasserbaugenossenschaft oder in Gewerbebetrieben eingesetzt waren, wurden jene in Höchst zum Großteil beim Flugzeugbauer Kittelberger „beschäftigt“, ein kriegswichtiger Betrieb, der für die Dornier-Werke produzierte. Werner Bundschuh, als begleitender Historiker, lobt die Zusammenarbeit mit der Gemeinde Fußach und dem Dorfgeschichteverein, und verweist auf die noch ausständige Aufarbeitung, Dokumentation und öffentliche Präsentation in den beiden anderen Gemeinden der ehemaligen Gemeinde „Rheinau“, nämlich Höchst und Gaißau. Es sei von größter Bedeutung, wenn Geschichte verortet werde, wie in diesem Fall. Bis auf ganz wenige Fälle sei das Gedenken an die Schicksale der Zwangsarbeitenden noch nicht in unseren Gemeinden aufgearbeitet, dokumentiert und eben gewürdigt worden. Ausnahmen sind Faschina und Fraxern, wo lokale Proponenten in den letzten Jahren für Erinnerungszeichen an die Zwangsarbeit sorgten. Nun sei das auch in Fußach gelungen.

„Nie wieder ist jetzt“: Neue Stele in Fußach erinnert an Opfer der NS-Zwangsarbeit
Aus einem dieser Fenster sei der „Junge Pole“ im August 1942 geflüchtet, ehe er auf der Flucht erschossen wurde.

Eine neue Hörstation zu den getöteten Flüchtenden

Das Radweg-Projekt von Hanno Löwy, dem Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems, „Über die Grenze“, hat sich mit einem weiteren Gedenkwürfel den Flüchtlingen angenommen, die als Zwangsarbeiter, zum Teil aus Kempten geflüchtet, in Fussach ums Leben kamen, oder schlicht und einfach hingerichtet wurden, weil ihnen Hochverrat angelastet wurde, weil ihnen unterstellt wurde, dass sie in der Schweiz in die „Polnische Legion“ eintreten hätten wollen. Auch dieser Gedenkwürfel hat einen QR-Code, um diese Fluchtgeschichten anzuhören und schließt nun eine Lücke zwischen Hard und Höchst: www.ueber-die-grenze.at.

„Nie wieder ist jetzt“: Neue Stele in Fußach erinnert an Opfer der NS-Zwangsarbeit
Direkt bei der Rheinbrücke befindet sich eine neue Hörstation zu den Fluchtgeschichten in Fußach.

„Nie wieder ist jetzt“

Während der Historiker Bundschuh darauf verweist, dass Zwangsarbeit immer mit einem rassistischen Denken einhergehe und deshalb noch weltweit ein Thema sei, erklärt Friedrich Schneider, als Obmann des Fußacher Dorfgeschichtevereines, dass diese „Geschichte“ bei der älteren Generation im Dorf präsent war, und sie jetzt ins öffentliche Gedächtnis der Gemeinde transformiert wurde. In vielen Familien in der Gemeinde gebe es noch Erinnerungen an Zwangsarbeitende, da sei noch vieles nachzuspüren. Letztlich mahne jede Zeit zum „Nie wieder“, auch jetzt, deshalb der Satz seines Vereinskollegen Gerald Mathis auf der Stele: „Nie wieder ist jetzt“.