Wassersportbranche boomt trotz Corona

Interboot 2020: rund 200 Aussteller, acht aus Österreich, nehmen teil.
Dass sich jeglicher Vergleich zur Interboot des Vorjahres oder zu auch einer der letzten Jahre verbietet, dürfte klar sein: So bewirbt denn auch die Messe Friedrichshafen die am 19. September beginnende 59. Interboot mit dem Slogan „Mit Abstand einmalig“, Pressemitteilungen beginnen mit „In Zeiten wie diesen ist vieles nicht mehr so, wie es mal war“ und bei den meisten Hinweisschildern steht nicht der Wassersport oder Ähnliches im Mittelpunkt, sondern die Abstands- und Hygieneregeln. So tut es denn „enorm gut“, wie Messe-Geschäftsführer Klaus Wellmann gestern die Medienschar begrüßte, „nach 29 Wochen endlich wieder einen Austausch in Liveversion anbieten zu können“.
Fragen und Antworten
Dennoch werde die Special Edition der Interboot nicht sehr viel gemeinsam haben können mit der Wassersport-Ausstellung, die seit fast sechs Jahrzehnten Jahr für Jahr das Eldorado für die Wassersportler darstellt. „Jedoch möchten wir sehr gerne gemeinsam mit unseren Ausstellern und Partnern versuchen, unter strikter Einhaltung der aktuell geltenden Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg, ein riesengroßes Einkaufszentrum des Wassersports zu realisieren“, so die Messeleitung auf ihrer Homepage. Dort sind die 18 wichtigsten Fragen und Antworten zum alles bestimmenden Thema aufgeführt (https://www.interboot.de/besucher/faq-special-edition).

„Mit der 59. Interboot werden die Segel gesetzt“, so der fast schon euphorische Ausspruch Charlotte Murakamis, der Referentin Kommunikation der Messe Friedrichshafen. Laut Wellmann ist es die erste große Messe in Baden-Württemberg und eine der ersten in Deutschland. „Wir können zeigen, dass wir es können, eine Messe mit ordentlich fachlichem Tiefgang“, fügte Projektleiter Dirk Kreidenweiß hinzu. „Wir waren vor Corona die zweitgrößte Wassersportmesse Deutschlands, jetzt bieten wir europaweit eine der wenigen Chancen, live mit dabei zu sein“, rührten die Messeverantwortlichen die Werbetrommel.
Alles richtig machen
„Die Corona-Verordnung des Landes gibt die Richtung vor, es wird auch auf der Messe viel visuell passieren – und viel mit Desinfektionsmittel. Die Gänge sind verbreitert worden, wir haben mehr Personal eingestellt und man muss sich im Vorfeld registrieren“, fasste Kreidenweiß zusammen. Und Klaus Wellmann sagte: „Wir wollen erstmal alles richtig machen, darum gibt es etwa erstmal keinen Interboot-Hafen, wo es zu eng hergehen könnte.“ Allzu eng wird es auch in den Messehallen nicht. Denn von den über 450 Ausstellern in den Jahren zuvor werden bis Sonntag, 27. September nur rund 200 nationale und internationale Aussteller in sechs Messehallen Boote, Funsport-Produkte und Zubehör präsentieren – exakt acht aus Österreich. Und täglich erhalten höchstens 8500 Messebesucher Einlass.
Die internationale Wassersport-Ausstellung präsentiert neben Segel- und Motorbootpremieren unter anderem zahlreiche Fachvorträge sowie visuelle Highlights mit dem „Beach-Kino“ und der „Ocean Film Tour“. Dass auch die heimischen Gewässer attraktive Ziele für Wassersportler sind, zeigte die Corona-Pandemie. Nachdem im Frühjahr weltweite Reisewarnungen ausgesprochen wurden, machten sich viele auf die Suche nach einem Alternativurlaub im eigenen Land. „Davon profitiert haben die Hersteller von Booten, Bootsausrüstung und Funsport“, weiß der Geschäftsführer des Deutschen Boots- und Schiffbauerverbands Claus-Ehlert Meyer. „Nach dem strengen Lockdown bis Ende April haben die Sommermonate den Ausfall vielerorts mehr als wettgemacht.“

Kleine Branche
Denn etwas, mit dem nicht einmal Wirtschaftsforschungsinstitute rechneten, passierte in der Bootswirtschaft. Die Experten gingen aufgrund der Corona-Krise von einer allgemeinen wirtschaftlichen Rezession aus – aber es boomte in den vergangenen Monaten in den Betrieben. Die mit rund vier Milliarden Euro Jahresumsatz kleine, aber feine Branche rund um Boote und Yachten hatte in der von der Corona-Pandemie erstarrten Wirtschaft und Gesellschaft eine Sonderstellung eingenommen. „Alles, was schwimmt, wurde gekauft“, berichteten etwas überspitzt Firmenvertreter aus der Branche.
Prüfungen
Sonja Meichle von Ultramarin Meichle + Mohr in Kressbronn berichtete von der Wirtschaftslage am Bodensee: „Bei uns herrscht Hochbetrieb, weil alle Leute anscheinend Urlaub auf dem Wasser machen wollen“, sagte die Geschäftsführerin. „Überrascht hatte uns vor allen Dingen die große Nachfrage nach Gebrauchtbooten. Da waren wir sogar eine Zeit lang ausverkauft“, so Meichle. Und: Im Auftrag des Landratsamtes Bodensee werden zurzeit zwei Mal pro Woche rund 200 praktische und theoretische Prüfungen abgenommen. Das sind nach Informationen des Landratsamtes 30 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
Wie Weihnachten verliefen die letzten Wochen auch für Markus Rhomberg vom Six Feet SUP & Surf Shop in Wasserburg. Durch den Boom von Wasser- und Funsportartikeln stieg die Nachfrage nach Stand-up-Paddle-Boards nach einem kurzzeitigen Umsatzeinbruch zu Beginn der Corona-Pandemie immens an. „Die Zielgruppe wird immer größer und es ergeben sich neue Käuferschichten. Der Markt ist insgesamt schwierig, aber solide“, ließ der Wassersportler wissen. Sein Großvater stammt übrigens aus Dornbirn, er selbst ist jedoch gebürtiger Lindauer. „Wie für alle im Freizeitbereich gilt es, den Taschenrechner benützen zu können. Auch viele Große der Branche hangeln sich von Jahr zu Jahr“, weiß Rhomberg, der seinen Shop seit 2009 führt.
infos zur messe
Auf der Interboot wird von Samstag, 19., bis Sonntag, 27. September, täglich von 10 bis 18 Uhr die Welt des Wassersports präsentiert. Tagesdatierte Tickets sind ausschließlich online erhältlich. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.interboot.de, www.facebook.de/interboot, www.instagram.com/interboot.friedrichshafen und #interboot.
“Caravan Salon”
Messe-Chef Klaus Wellmann, der zugibt, dass er nicht viel gen Dornbirn zur derzeitigen Herbstmesse schielt („Da wird das anders gehandhabt, aber sie stehen sicher auch auf dem Prüfstand.“), kam am Mittwoch von der Düsseldorfer Messe „Caravan Salon“ zurück. Dort ziehen Veranstalter und Aussteller ein außerordentlich positives Zwischenfazit: „Wir sind mit dem bisherigen Verlauf sehr zufrieden und konnten bis einschließlich Mittwoch mehr als 65.000 Caravaningfans auf unserem Messegelände begrüßen. Wir freuen uns sehr darüber, dass unser Hygienekonzept hervorragend funktioniert und die Verhaltensregeln von den Besuchern ohne Probleme akzeptiert werden“, sagte der dortige Messe-Director Stefan Koschke. Wellmann sprach auch von einer „sehr positiven Stimmung, die auch von dem Special Interest dieser und unserer Messe herrührt“.
Bereits einen Blick auf den Winter hat Michael Menken, Geschäftsführer vom Bootscenter Menken, geworfen. Alle Kunden, die während der Interboot ein Saver-Boot kaufen, nehmen an seiner sogenannten „Schneewette“ teil: Sollte an Heiligabend in Friedrichshafen Schnee oder Regen mit einer Niederschlagsmenge von mindestens 1,8 Millimeter pro Quadratmeter gemessen werden, erhalten alle Käufer der entsprechenden Boote den Kaufpreis zurück. Menken: „Ich würde mich freuen, den Preis für die Versicherung zahle ich eh.“
Jochen Dedeleit