“Es muss keiner auf der Straße schlafen”

In den Notschlafstellen gibt es eine verstärkte Nachfrage.
Es ist November, die Nächte sind kalt, und die Menschen sollen zu Hause bleiben. Eine schwierige Situation vor allem auch für Obdachlose. Das merken derzeit teilweise auch die Verantwortlichen der drei Notschlafstellen im Land. „Wir verspüren aktuell eine verstärkte Nachfrage“, sagt Peter Brunner, Geschäftsführer des Vereins Dowas in Bregenz. Allerdings unterliege diese immer wieder Schwankungen.
Elf Plätze gibt es in der Notschlafstelle in der Landeshauptstadt. Ein Einzelzimmer wird für eine eventuelle Isolierung freigehalten, erzählt Brunner. Bisher sei die Einrichtung von Infektionsfällen verschont geblieben, berichtet er. Weder bei den Mitarbeitern noch bei den Klienten gebe es einen bestätigten Corona-Fall. „Infektionen wären für uns eine große Belastung“, so Brunner.
„Wir verspüren aktuell eine verstärkte Nachfrage.“
Peter Brunner, Dowas
Dass Leute abgewiesen werden müssen, komme immer wieder vor, auch in „normalen“ Zeiten, erklärt der Geschäftsführer. In Hinblick auf Corona werde dabei aber jeweils das aktuelle Risiko abgewogen. „Das wird im Einzelfall entschieden.“ Aber es könne schon auch passieren, dass einfach voll ist. Dann wird mit anderen Einrichtungen im Land Kontakt aufgenommen, informiert der Dowas-Geschäftsführer.
Brunner geht aber davon aus, dass die Nachfrage in den nächsten Wochen steigen wird und es dann auch wieder zu Engpässen kommen kann. Für diesen Fall gebe es eine „Winterlösung“ vom Land (siehe auch links), informiert er.

„Momentan sind wir voll“, berichtet auch Rebecca Hopfner von der Caritas-Abteilung Existenz & Wohnen, zu der die Notschlafstelle in Feldkirch gehört. „Es ist spürbar, dass die Tage kälter werden.“ Dazu komme jetzt noch der Lockdown.
Acht Schlafplätze gibt es bei der Caritas, die für die Bezirke Feldkirch und Bludenz vorgesehen sind. Auch hier bestimmen die Corona-Maßnahmen den Alltag. Bei Leuten, die am Abend kommen, werde die Temperatur gemessen, berichtet die Caritas-Mitarbeiterin. Zudem werde der Gesundheitszustand der Klienten beobachtet und im Verdachtsfall bei 1450 angerufen.
Strenge Regeln
Für eine eventuelle Isolierung sind auch in Feldkirch Einzelzimmer vorhanden. Offensichtlich Erkrankte können hingegen nicht aufgenommen werden. Bis dato gab es auch in dieser Notschlafstelle keine Infektionsfälle. Zumal es in allen Bereichen strenge Abstandsregeln gebe, erklärt Hopfner. Sie geht davon aus, dass die Anfragen in nächster Zeit noch steigen werden. Ein Grund dafür sei, dass noch nicht absehbar sei, wie sich die Zahl der Delogierungen entwickle. Da könne es dann schnell geschehen, dass jemand eine Möglichkeit zum Übernachten brauche.
Aber „wenn voll ist, ist voll“. Dann werde, erzählt auch sie, geschaut, ob vielleicht in den anderen Notschlafstellen des Landes noch ein Platz frei sei. „Da arbeiten wir zusammen.“

Die dritte diesbezügliche Anlaufstelle im Land ist das Kaplan-Bonetti-Haus in Dornbirn. Dort sind derzeit 90 von 100 stationären Betten belegt. Dabei handelt es sich um Plätze, die einige Tage, Wochen oder fallweise auch einige wenige Monate genützt werden. Dazu kommen die vier Notschlafbetten, informiert Cornelia Matt, Geschäftsführerin der Kaplan Bonetti Sozialwerke. „Wir werden auch weiterhin jeden aufnehmen, der es nötig hat“, betont sie. Allerdings sei die Erfahrung die, dass der Winter nicht unbedingt jene Jahreszeit sei, in der die meisten Obdachlosen kommen würden. „Manchmal ist es im Sommer brechend voll und im Winter gar nicht.“
Der derzeitige Lockdown stellt für Obdachlose aber noch insofern eine Verschärfung dar, als man sich nach 8 Uhr abends nicht mehr draußen aufhalten darf. Matts Erfahrung ist diesbezüglich die, dass die Polizei die Obdachlosen, die sie in dieser Zeit im Freien antrifft, einfach in die Notschlafstellen bringt. „Und sollten wirklich zu viele mehr Leute kommen, dann haben wir immer noch die Möglichkeit, zusätzliche Schlafplätze zu schaffen“, so die Geschäftsführerin, „niemand muss draußen bleiben.“
„Wir werden auch weiterhin jeden aufnehmen, der es nötig hat.“
Cornelia Matt, Kaplan Bonetti Sozialwerke
Auch in den Kaplan Bonetti Sozialwerken gibt es strenge Schutzmaßnahmen. Schon frühzeitig wurde zudem ein Einfamilienhaus, das sich im Besitz der Einrichtung befindet, als Quarantänestation leergeräumt. Ein Mal wurde es für einen Verdachtsfall, der sich letztlich als unbegründet erwiesen hat, genützt. Jetzt ist erstmals eine infizierte Person dort untergebracht, erzählt Matt. Ein Bewohner, der zuvor erst wenige Tage in der Einrichtung war. „Wir sind bisher wahnsinnig gut davongekommen“, zeigt sie sich diesbezüglich erleichtert.
Im August hatte es bereits Screeningtests aller Bewohner und Mitarbeiter gegeben, berichtet Matt. Das werde jetzt wieder gemacht. Aber die Einrichtung bleibe auf jeden Fall offen: „In Vorarlberg muss keiner auf der Straße schlafen, der es nicht will“.
Ansturm im nächsten Jahr
Eine spürbar stärkere Nachfrage gebe es indes bei der Sozialberatungsstelle, informiert die Geschäftsführerin. Allerdings wird befürchtet, dass das erst die Ruhe vor dem Sturm ist. Noch würden Vermieter mit Delogierungen abwarten, und die Menschen hätten noch ein paar finanzielle Reserven. „Den großen Ansturm erwarten wir uns da im nächsten Jahr“, so Matt.