Unendliche Weiten – Raumschiff Heidi

Heidi Salmhofer mit Ihrer Sonntags-Kolumne in der NEUE am Sonntag.
Ich weiß noch, beim ersten Lockdown im März habe ich mich noch motiviert ins kanadische Outback begeben. Ich habe mir einfach vorgestellt, in einer abgelegenen Hütte in der Wildnis mit meinen HomeschoolingKids auf den nächsten Versorgungshubschrauber zu warten. Umzingelt von Braunbären und Wölfen, harrten meine Mädels und ich der Dinge, die da kommen mögen, voll motiviert, dieses „Abenteuer“ gut hinter uns zu bringen. Ich gebe zu, inzwischen sind die Winter in dieser kanadischen Hütte doch schon sehr lange geworden. Der rettende Hubschrauber lässt auf sich warten, die Wölfe haben Nachwuchs bekommen, und zum Braunbär hat sich noch eine Bärin gesellt. Na bravo. Also bleiben wir noch ein bisschen. Die Sehnsucht nach der großen weiten Welt fängt aber langsam an zu brodeln. Wie vermisse ich es, dass ich mich darüber aufregen kann, wie unangenehm nahe sich die Menschen an einer Bar drängen, nur um möglichst schnell an ihr Bier zu kommen. Wie sehr geht es mir ab, in einem überfüllten Zug zu sitzen und mir zu überlegen, ab welchem Grad des KlogehDranges ich am besten aufstehe, um mich durch die Menschenmassen zu kämpfen und noch rechtzeitig auf der Toilette anzukommen. Wann habe ich eigentlich das letzte Mal „Halte dir die Hand vor beim Niesen!“ zu meinen Mädels gesagt? Auf das Gefühl, sich irgendwie nackt oder zumindest wie ohne BH zu fühlen, wenn ich in einem geschlossenen Raum keine Maske trage, auf das könnte ich auch gut und gerne wieder verzichten. Ich gebe gesenkten Hauptes zu, mir geht meine kanadische Blockhütte unglaublich auf den Zeiger. Aber es ist nun einmal so, der Winter da draußen dauert noch ein wenig an, und ich muss gucken, wie ich mein fantasiertes knisterndes Kaminfeuer weiterhin befeuere. Eine neue Idee muss her. Vielleicht tatsächlich weg vom Kamin und rauf auf die ISSRaumstation? Oder gar ein Versuchslabor am Mars? Vielleicht wirklich ein einsames Raumschiff, das nun auf seiner monatelangen Reise zurück zur Mutter Erde ist. Das Raumschiff schaut zwar aus wie ein Wohnbau aus den 70ern, inklusive billigem Interieur. Aber so HoloProgramme können in der Zukunft ja einiges an Illusion zaubern. Sogar ein roter Kater und ein schwarzer Minihund sind holografisch mit an Bord. Ab und an werden wir uns auf fremde Planeten beamen, um unsere Lebensmittelvorräte aufzufüllen oder um andere Luft zu atmen als diese durch Maschinen reproduzierte. Ich bin zuversichtlich, in spätestens zwei Monaten sind wir wieder auf der Erde. Dann gehe ich in eine Bar. Live long and prosper!
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalistin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.