Geschichtsträchtige Zeit für Unternehmen

Friederike Hehle empfiehlt, die Entwicklungen in der Corona-Krise zu dokumentieren.
Die Corona-Pandemie war und ist weltweit ein einschneidendes Ereignis. Die Auswirkungen in Form von Erkrankungen, Todesfällen, Lockdowns, Social Distancing und anderen Veränderungen sind für alle Menschen spürbar. Auch zahlreiche Unternehmen sind auf verschiedene Art und Weise und in unterschiedlichem Umfang von der weltweiten Krise betroffen. Die Geschehnisse werden auf jeden Fall dereinst in Geschichtsbüchern behandelt werden. Umso wichtiger ist es, die Ereignisse zu dokumentieren. Dies gilt auch für Betriebe, die von der Pandemie betroffen sind, weiß Friederike Hehle, die in Dornbirn die Agentur für Geschichte historizing betreibt. Die studierte Kunsthistorikerin und Handelswissenschafterin hat sich 2013 selbstständig gemacht und unterstützt seitdem Unternehmensverantwortliche dabei, die Geschichte ihres Betriebs sichtbar zu machen.
Erinnerung fällt leichter
Die Expertin hat bereits während des ersten Lockdowns im vergangenen Jahr in einem Post auf ihrem firmeneigenen Blog dazu geraten, die Ereignisse aus der Krise festzuhalten. Auf diese Weise fällt es später leichter, sich an die schwierige Zeit zu erinnern und vielleicht auch positiv darauf zurückzublicken, wie die Herausforderungen gemeistert worden sind. „Es kann sichtbar gemacht werden, welche Weichen für die Zukunft gestellt oder welche Umstellungsprozesse vollzogen wurden“, erläutert Hehle.
Dornbirner Sparkasse
In der Dornbirner Sparkasse wurde während der Corona-Pandemie vieles in puncto Krisenbewältigung dazugelernt, von dem auch in Zukunft profitiert werden kann, erzählt der Vorstandsvorsitzende Harald Giesinger. Daten und Fakten wurden durch Protokolle, Medien- und Mitarbeiterinformationen dokumentiert.
Dem Gründungsgedanken treu. Allgemein ist das Unternehmen nach Angaben des Vorstandschefs sehr eng mit der Geschichte verbunden: „Wir halten den halten den Gründungsgedanken der österreichischen Sparkassen heute noch hoch: ‚Überall, wo es eine Sparkasse gibt, soll es den Menschen besser gehen.‘“ Im Zuge des 150-Jahr-Jubiläums im Jahr 2017 sei zudem die Unternehmensgeschichte, auf die man sehr stolz sei, intensiv aufgearbeitet und auch in der Öffentlichkeit kommunziert worden.Matthias Rhomberg
Hilfreich sind dabei aus Sicht der Expertin schriftliche Aufzeichnungen. Diese können Antworten auf grundsätzliche Fragen enthalten, wie beispielsweise der Betrieb von der Pandemie betroffen war. Gab es Einschränkungen durch Lockdowns? Wurde auf Homeoffice umgestellt? Wie gut ist diese Umstellung gelungen? Welche Unterstützungsangebote gab es von Politik, Unternehmenspartnern oder von anderswo? „Gut ist es auch, mit Kolleginnen und Kollegen über ihre Erfahrungen zu sprechen und die Ereignisse aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten“, regt die Expertin an. Ein positiver Nebeneffekt kann dabei auch sein, dass dadurch der firmeninterne Austausch gefördert wird. So berichtet Hehle von einer Rückmeldung aus einem Unternehmen. Dort hat die Marketing-Abteilung die Situation während der Corona-Pandemie dokumentiert: „Die dafür zuständige Mitarbeiterin hat auch in anderen Abteilungen über die Erfahrungen nachgefragt und die Kollegen haben sich über das Interesse erfreut gezeigt.“

Doch nicht nur schriftliche Aufzeichnungen helfen dabei, sich später an die gemeisterte Krise zu erinnern. Auch Fotos können hilfreich sein. Auf diese Weise lässt sich festhalten, wie sich die Pandemie auf den Arbeitsalltag ausgewirkt hat. Seien es Fotos vom geschlossenen Geschäft, der Besprechung im Homeoffice oder andere Veränderungen in den Abläufen im Unternehmen. Genauso können natürlich Erinnerungsstücke wie etwa Schilder, Mund-Nasen-Schutzmasken und andere Gegenstände gesammelt werden. Zahlen und Daten – etwa wie viele Schutzmasken oder wie viel Desinfektionsmittel eingekauft wurde – können ebenso hilfreich sein, sich später ein Bild über die Krise zu machen.
Doppelmayr
Beim Wolfurter Seilbahnhersteller Doppelmayr haben die Verantwortlichen die Auswirkungen der Pandemie auf das Arbeitsleben nach eine Anleitung von Friederike Hehle dokumentiert, berichtet Julia Schwärzler von der Abteilung Marketing und Öffentlichkeitsarbeit. „Wir sind sehr stolz auf unsere fast 130-jährige Geschichte. Diese ist geprägt von zahlreichen technischen Innovationen und Lösungen, die von Pionieren entwickelt und von vielen, vielen Menschen genutzt wurden oder sogar immer noch werden“, sagt sie. Belege dafür – wie etwa Dokumente, Pläne oder historische Objekte – werden in einem eigenen Archiv aufbewahrt. Die Unternehmensgeschichte wird nach Auskunft von Schwärzler auch in der Öffentlichkeitsarbeit genutzt: „Die Firmengeschichte beziehungsweise die Meilensteine des Unternehmens verdeutlichen, wie sich das Unternehmen entwickelt hat. Neben spektakulären Seilbahnanlagen und technischen Innovationen gehören auch unternehmerische Entwicklungen mit dazu.“
Auch in Zukunft begleiten. Informationen zur Historie gibt es unter anderem auf der Webseite und in der Unternehmensbroschüre. Auf dem Doppelmayr-Youtube-Kanal sind unter dem Titel „Perlen der Geschichte“ historische Filme zu finden. „Unsere Geschichte wird uns auch in Zukunft begleiten, schließlich verdeutlicht diese unsere Erfahrung und vermittelt die Handschlagqualität, Professionalität und unsere Werte als Familienunternehmen“, betont Schwärzler.Doppelmayr Seilbahnen Gmbh
Hehle geht mit historizing mit gutem Beispiel voraus und dokumentiert die Auswirkungen der Pandemie auf ihr eigenes Unternehmen. In einer Archivschachtel sammelt sie Dokumente, Zeitungsausschnitte und auch ein Mund-Nasen-Schutz mit dem Firmenlogo ist darin enthalten. In ihrem Blog hat sie die wichtigsten Ereignisse des vergangenen Jahres in einem Rückblick niedergeschrieben. Denn auch bei historizing war die Krise durchaus spürbar. Gerade der Beginn der Pandemie im März des vergangenen Jahres machte sich bemerkbar. „Zwei Monate lang gab es so gut wie keinen Austausch mit den bestehenden Kunden, geschweige denn Anfragen von möglichen Kunden. Erst im Mai und Juni ist es langsam wieder losgegangen“, berichtet die Unternehmerin. Glücklicherweise hatte sie einige laufende Projekte, an denen sie weiterarbeiten konnte. Doch auch das war aufgrund von Lockdowns nicht immer einfach. Denn sowohl das Landesarchiv als auch die Landesbibliothek waren zeitweise geschlossen. Die Lage hat sich mittlerweile zwar gebessert, allerdings gibt es immer noch Einschränkungen. Einerseits aufgrund der Sicherheitsmaßnahmen wegen der Corona-Pandemie, andererseits aufgrund der laufenden Umbauarbeiten in der Landesbibliothek.
Stiefmütterlich behandelt
Die Recherchen in den Archiven des Landes gehören für die Expertin dazu, wenn es darum geht, die Geschichte eines Unternehmens aufzuarbeiten. Vielfach erweisen sich aber auch Abstellräume im Keller oder Dachboden des Betriebs als wahre Fundgrube. Abgerundet werden die Recherchen immer auch durch Gespräche mit Mitarbeitern oder Zeitzeugen. Hehle findet es schade, dass die Firmengeschichte in vielen Unternehmen stiefmütterlich behandelt wird. Oftmals wird diese erst zum Thema, wenn es um die Vorbereitungen für ein Jubiläum geht. Dabei könnte die Historie auch im Alltag genutzt werden, um etwa Inhalte für die Social-Media-Kanäle zu generieren. „Historische Geschichten kommen bei den Menschen gut an“, betont die Fachfrau. Sie wird daher weiterhin fleißig dafür werben, dass sich Unternehmer mit ihrer eigenen Firmengeschichte befassen und diese nutzen. Schließlich hat jeder Betrieb eine eigene Historie, die auch ein Alleinstellungsmerkmal sein kann.
Liebherr-Werk Nenzing
Nicht speziell dokumentiert wurde die Corona-Pandemie beim Baumaschinen-Hersteller Liebherr in Nenzing. Die meisten Unterlagen stünden ohnehin digital zur Verfügung und könnten daher jederzeit – auch im Nachhinein – entsprechend aufbereitet werden, erläutert Wolfgang Pfister, Leiter der Kommunikationsabteilung.
Die Unternehmensgeschichte habe bei Liebherr allerdings „eine sehr hohe Bedeutung“. Immerhin sei die Firmengruppe trotz ihrer Größe immer noch ein hundertprozentiges Familienunternehmen. Diese Tatsache habe schon immer die Firmenkultur geprägt. Daher sei auch schon vor mehreren Jahren ein eigenes Unternehmensarchiv ins Leben gerufen worden.
Chronik produziert. Die Firmengeschichte ist auch am Standort in Nenzing „immer wieder Anknüpfungspunkt für diverse Marketing-Aktivitäten“, berichtet Pfister. So wurde 2011 anlässlich der Feierlichkeiten zum 35-Jahr-Jubiläum am Standort eine Chronik publiziert und an Geschäftspartner und Mitarbeiter verteilt. Zudem sei es gelungen den ersten vom Standort Nenzing ausgelieferten Seilbagger aus dem Jahr 1980 zurückzukaufen. Das Gerät soll künftig im Werk ausgestellt werden. Zudem wird der historische Bagger auch in einem Film gewürdigt.Liebherr-Werk Nenzing