Sarkastischer Roadtrip eines Prinzenpaars

Mit „Leonce und Lena“ bringt das Landestheater in kurzer Zeit das dritte Büchner-Stück auf die Bühne. Und das mit Erfolg.
Georg Büchners Stück „Leonce und Lena“, das er kurz vor seinem frühen Tod 1837 vollendete, ist gespickt mit Wortwitz, Anspielungen und satirischen Elementen und verlangt dem Publikum einiges an Konzentration ab. Der melancholische und arbeitsunwillige Prinz Leonce (Nico Raschner) sollte eigentlich König werden. Doch das behagt ihm gar nicht.
Die Langeweile beherrscht sein Leben, und auch die Liebe ist ihm ein unerträglich mühseliger Zeitvertreib. Das zeigt sich gleich in der dritten Szene, in der er seine Geliebte Rosetta, wunderbar verführerisch gespielt von Luzian Hirzel, davonjagt und sich lieber mit seinem Freund Valerio (Sebastian Schulze) philosophisch austauscht. Beide beschließen, dieser engen Welt zu entfliehen, und begeben sich auf eine Reise.

Ähnlich ergeht es Prinzessin Lena (Maria Lisa Huber). Sie soll mit einem Mann verheiratet werden, den sie nicht kennt. Anfangs noch in einem barocken Kleid eingehüllt, entledigt sie sich dieses und sucht mit ihrer Gouvernante (Vivienne Causemann) das Weite. Der Roadtrip der beiden Protagonisten beginnt. Auf einer großen Scheibe, die sich unaufhörlich dreht, bewegen sie sich nun durch mehrere kleine Königreiche.
Wer in „Leonce und Lena“ nur die romantische Komödie sieht, der verpasst einen wichtigen Aspekt. Mit König Peter (Tobias Krüger) betritt eine Figur die Bühne, die eine einzige Lachnummer und Parodie auf den damaligen Absolutismus darstellt. Er läuft in einer weißen Unterhose umher und wird nur notdürftig in seinen Königsumhang eingewickelt. Seine pseudophilosophischen Ergüsse und seine Verwirrtheit machen ihn zu einer äußerst komischen Gestalt, der man kein Regieren zutraut. Tobias Krüger geht voll und ganz in dieser Rolle auf. Die königlichen Diener spielen das Spiel mit, und man bekommt den Eindruck, dass hier die Nacktheit des Königs nicht enthüllt werden darf. Dem Zuschauer ist diese aber vollkommen bewusst. David Kopp überzeugt unter anderem in der leicht dümmlichen Rolle des Polizeidieners.

Angesichts der vielen Irrungen und Wirrungen des Leonce und seines Gefährten Valerio will man als Zuschauer ab und zu den direkten Weg in den Narrenturm wählen, so verstrickt scheint die Lage zu sein. Milena Fischer gelingt in ihrer Inszenierung jedoch aufs Beste, die im Stück angelegte spärliche Handlung in einen stringenten Handlungsbogen zu übersetzen. Leonce und Lena nähern sich einander an, Lena stößt Leonce ab, worauf er sich das Leben nehmen will, aber schließlich kommt es zum romantischen Kuss im Schein des Vollmonds.
Nico Raschner kann in der Rolle des melancholischen Leonce, der gut zwischen heiteren Scherzen und bitterbösem Sarkasmus wechselt, vollkommen überzeugen. Maria Lisa Huber spielt die störrische, verträumte und freiheitsliebende Lena sehr authentisch und erinnert, nicht zuletzt durch die noch präsente Neuverfilmung von Sisi, an diese historische Figur. Kostüm- und Bühnenbildner Philipp Eckle wechselt elegant vom großen Reifrock zu den bunten Converse-Sneakers, die Lena trägt
Dem Schicksal beugen
Fulminant gut umgesetzt gestaltet sich die Rückkehr von Leonce, Valerio, Lena und der Gouvernante an den Königshof. Alle vier erscheinen sie als menschliche Automaten, mit mehreren Masken und Gesichtern. Dass die Masken am Handgelenk der Gouvernante FFP2-Masken ähneln, ist eine geschickte Verheutigung dieses Themas. Die roboterartigen Menschen, die tun, was man ihnen sagt und sich am Schluss dem Schicksal der Ehe beugen, wirft die Frage auf, inwiefern wir heute unserer Gesellschaft entfliehen können.
Dass sich das Quartett, neben Makkaroni und Feigen, am Schluss eine „kommende Religion“ statt der mittlerweile gängigen Leseweise der „kommoden Religion“ für die Zukunft wünscht, überrascht und beflügelt eine neue Interpretation der letzten Szene. Daniel Furxer
Weitere Vorstellungen: www.landestheater.org