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Wie viele Pflegeheim-Betten leer bleiben

28.10.2022 • 22:08 Uhr
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Nach wie vor gibt es wegen Personalmangel lange Wartelisten für Pflegeheimplätze. Heimbetreiber suchen händeringend nach Personal. Ein Rundruf.

Nach wie vor stellt der Personalmangel die Pflege auf die Probe. Schon seit mehreren Monaten ist bekannt, dass es für Pflegeheimplätze teils lange Wartelisten gibt und viele Betten aufgrund von zu wenig Fachkräften leer stehen. Die NEUE hat sich nach dem aktuellen Stand der Dinge erkundigt und ob sich die Situation schon etwas verbessert hat.

Gesamt stehen in den 49 Vorarlberger Pflegeheimen 2391 Plätze/Betten zur Verfügung, informiert Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker auf Anfrage. 150 davon sind wegen Personalmangels allerdings nicht belegt. Dazu kommen weitere 48 Betten, die wegen Umbauarbeiten wegfallen. „Der Leerstand ist derselbe geblieben wie in den letzten Monaten und hat sich nur leicht um zwei Betten verbessert“, informiert die Landesrätin. Die Betreiber der Heime würden immer noch händeringend nach neuem Personal suchen. Es sei unmöglich, die Betten trotz herrschendem Mangel an Fachkräften zu belegen, denn so könne keine angemessene Pflege mehr sichergestellt werden.

Lange Wartelisten

Stand 30. September, die Zahlen für Oktober sind noch nicht bekannt, warteten 215 Personen auf einen Pflegeheimplatz. Auch die Monate zuvor waren es in etwa gleich viel. „Je nach Grad der Pflegebedürftigkeit besteht eine Wartezeit für die Betroffenen von circa sechs bis acht Wochen, diese kann jedoch auch länger sein“, teilt die Grünen-Politikerin mit und führt fort: „Die Wartezeit für Kurzzeitpflegebetten liegt bei 1,5 Wochen.“ Solche Betten dürfen maximal 90 Tage belegt werden und sind beispielweise für Menschen gedacht, die nach einem Spitalaufenthalt Pflege benötigen oder bei denen pflegende Angehörige ausfallen. Danach kehren die Patienten wieder in die häusliche Pflege zurück.

Katharina Wiesflecker, Soziallandesrätin.   <span class="copyright">hartinger</span>
Katharina Wiesflecker, Soziallandesrätin. hartinger

Doch wie läuft die Vergabe der Heimplätze eigentlich ab und wer entscheidet? In Vorarlberg kümmert sich das sogenannte Case Management der jeweiligen Gemeinde oder Region um die Zuteilung der Heimplätze. Die einzelnen Pflegeheime können daher keine genaue Auskunft über Wartelisten oder Zeiten geben. „Die Umsetzung des Projektes ,Case Management in der Betreuung und Pflege‘ startete im Jahr 2011 mit dem Ziel, Menschen mit entsprechenden Problemlagen flächendeckend und kompetent zu beraten sowie das Leistungsangebot aufeinander abzustimmen“, erklärt die Sozialreferentin. Dabei werde jeder einzelne Fall vom Case Management individuell betrachtet. Auch wenn dringliche Fälle grundsätzlich sicher Vorrang hätten, könne man nicht pauschal davon ausgehen. „Wenn jemand mit Pflegestufe sieben ein Bett braucht, aber eine diplomierte Fachkraft fehlt, kann man den Patienten möglicherweise nicht aufnehmen“, gibt Wiesflecker zu bedenken.

Pflegestufen

Ab Pflegestufe 4 hat man Anspruch auf einen Heimplatz. In Ausnahmefällen und mit Empfehlung des Case Management wird auch mit Pflegestufe 3 aufgenommen. Es gibt folgende Pflegestufen:

• Stufe 1: Mehr als 65 Stunden Pflegebedarf pro Monat.

• Stufe 2: Mehr als 95 Stunden Pflegebedarf pro Monat.

• Stufe 3: Mehr als 120 Stunden Pflegebedarf pro Monat.

• Stufe 4: Mehr als 160 Stunden Pflegebedarf pro Monat

• Stufe 5: Mehr als 180 Stunden Pflegebedarf pro Monat und Vorliegen eines ausergewöhnlichen Pflegebedarfs. Sprich die dauernde Bereitschaft, nicht aber Anwesenheit einer Pflegeperson, sowie regelmäßige Nachschau dieser. Weiters sind mehr als fünf Pflegeeinheiten, davon auch eine in der Nacht erforderlich.

• Stufe 6: Mehr als 180 Stunden Pflegebedarf pro Monat und bei Tag und Nacht sind zeitlich nicht planbare Betreuungsmaßnahmen oder die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson wegen Eigen- oder Fremdgefährdung nötig.

• Stufe 7: Mehr als 180 Stunden Pflegebedarf pro Monat und Zielgerichtete Bewegungen der Arme und Beine mit funktioneller Umsetzung sind nicht möglich oder es liegt ein gleich zu achtender Zustand vor.

Detailliertere Infos unter: www.pv.at

Zahlreiche Stellen unbesetzt

Um alle Betten wieder belegen zu können, müssten daher noch so einige Stellen landesweit besetzt werden. Bei den Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegern fehlen etwa 24,15 Vollzeitäquivalente (VZÄ). Da viele im Pflege- und Sozialbereich allerdings nur Teilzeit arbeiten, wären dies in Personen gerechnet um die 40 bis 50, informiert die Landesrätin. 80 bis 100 Personen bräuchte man zusätzlich in den Pflege­assistenzberufen, was 54,75 VZÄ entsprechen würde. Bei Heimhilfen sei die Not nicht so groß, 10 bis 14 zusätzliche Mitarbeiter (6,81 VZÄ) wären trotzdem nötig.

Auch Klaus Müller, Geschäftsführer der Stiftung Liebenau Österreich, meint, dass er zusätzlich zu seinen rund 280 Mitarbeitern jederzeit 15 bis 20 Vollzeitkräfte in den Heimen einstellen könne. Die Stiftung betreibt an sechs Standorten im Land Pflegeheime mit Kapazität für gesamt rund 360 Personen. Abgesehen vom generellen Fachkräftemangel würden derzeit auch viele Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfallen. Darauf reagiere die Stiftung mit unbelegten Betten, um so die verbliebenen Mitarbeiter zu entlasten. „Insgesamt stehen daher aktuell sieben oder acht Betten leer“, so Müller. Dem Mangel an Personal wirke man nun entgegen, indem man beispielsweise versuche, ausländische Arbeiter anzuwerben. In Vorarlberg bekomme die Stiftung schon bald indische Fachkräfte dazu.

Klaus Müller, Geschäftsführer Stiftung Liebenau Österreich.    <span class="copyright">Liebenau österreich</span>
Klaus Müller, Geschäftsführer Stiftung Liebenau Österreich. Liebenau österreich

Interne Maßnahmen

Ähnlich wird es bei Benevit gehandhabt, die unter anderem sieben stationäre Pflegeheime im Land betreibt. Auch die Vorarlberger Pflegegesellschaft zieht in Erwägung, Fachkräfte aus Drittstaaten oder der EU zu rekrutieren. Gleichzeitig setzten sie aber auch auf interne Maßnahmen, indem zum Beispiel eigene Mitarbeiter umgeschult werden oder statt Teil- nun Vollzeit arbeiten. 14 bis 15 Vollzeitäquivalente bräuchte man allerdings noch. „Im Vergleich zu den letzten Monaten hat sich die Personalsituation weder verbessert noch verschlechtert“, erklärt Thomas Scharwitzl. Er ist gemeinsam mit Carmen Helbok-Föger Geschäftsführer bei Benevit.
Insgesamt könne man aufgrund des Fachkräftemangels neun Betten nicht belegen. Das sei aber schon seit rund einem Jahr so. Im Durchschnitt seien Langzeitpflegebetten zwei bis 2,5 Jahre belegt. „Wir spüren aktuell aber vermehrt, dass es viele Menschen gibt, die zur Übergangspflege beziehungsweise Kurzzeitpflege hier sind.“ Die Verweildauer betrage dann nur einige Wochen.

Thomas Scharwitzl. Er ist gemeinsam mit Carmen Helbok-Föger Geschäftsführer bei der Vorarlberger Pflegegesellschaft Benevit.  <span class="copyright"> Benevit</span>
Thomas Scharwitzl. Er ist gemeinsam mit Carmen Helbok-Föger Geschäftsführer bei der Vorarlberger Pflegegesellschaft Benevit. Benevit

Attraktivität steigern

Auch bei Senecura, die hierzulande sieben Pflegeheime betreibt, reicht die Verweildauer von mehreren Wochen bis hin zu Jahren. Gesamt haben sie Platz für 387 Bewohner. In Lauterach wird aktuell sogar ein weiterer Standort errichtet, der im Frühjahr 2023 eröffnen soll. Dort suche man noch neun Mitarbeiter. Christian Läng­le, Senecura Regionaldirektor Tirol/Vorarlberg, erzählt jedoch: „Insgesamt betrachtet haben wir in Vorarlberg kaum leere Betten. Nur einzelne Plätze sind zeitweise nicht belegt.“ In dem ein oder anderen Pflegeheim würde man aber gerne mehr Fachkräfte einstellen. Dies gestalte sich derzeit aber eher schwierig. Gegensteuern wolle die Senecura-Gruppe etwa mit Aus-, Fort- und Weiterbildungen der Mitarbeiter sowie der Ausbildung von Einsteigern in den Pflegeberuf.

Christian Längle, SeneCura Regionaldirektor Tirol/Vorarlberg. <span class="copyright">Senecura</span>
Christian Längle, SeneCura Regionaldirektor Tirol/Vorarlberg. Senecura


Auch das Land Vorarlberg erhofft durch verschiedene Initiativen wie unter anderem die Verbesserung des Personalschlüssels oder dem seit September eingeführten Ausbildungszuschuss von 600 Euro monatlich eine positive Wirkung zu erzielen. Ein weiterer wesentlicher Punkt für die Landesrätin ist die Team- und Arbeitsplatzqualität. „Wir müssen versuchen, das Personal zu binden, als Arbeitgeber den Mitarbeitern entgegenkommen und so attraktive Arbeitsbedingungen schaffen. Das ist mindestens genauso wichtig.“

Hoffnung bleibt

Alles in allem könne man nicht abstreiten, dass der Personalmangel belastend für alle sei. Egal, ob für Betroffene, Angehörige, für Mitarbeiter, denen die Kollegen fehlen, und für die Betreiber der Heime, die die Betten schnellstmöglich wieder zur Verfügung stellen wollen, resümiert Katharina Wiesflecker. Schon vor Corona habe man in den Pflegeheimen eine angespannte Personalsituation erlebt. Die vergangenen beiden Jahre hätten diese deutlich verschärft. „Die Arbeitsbedingungen sind schwierig. Die Mitarbeiter müssen seit zwei Jahren mit Maske arbeiten. Man merkt, dass sie erschöpft sind“, so die Soziallandesrätin. Sie hoffe allerdings, dass all jene, die den Pflegebereich in den vergangenen Monaten verlassen haben, auch irgendwann wieder zurückkehren.