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Rodeln im Eiskanal – Geschwindigkeit
im Selbstversuch

11.02.2023 • 19:22 Uhr

Rodeln ist viel Technik und vor allem eins: Adrenalin pur. Ich habe ausprobiert, wie es sich anfühlt, mit Vollspeed durch den Bludenzer Eiskanal zu schießen, mit 55 km/h.

Ein Mal im Leben mit Vollspeed durch den Eiskanal schießen. Bis letzte Woche habe ich nicht geglaubt, dass ich das Gefühl einmal erlebe. Im Rausch der Geschwindigkeit, voller Adrenalin und mit ein klein wenig Angst durfte ich auf Kufen durch die Kurven rasen und am eigenen Leib erleben, wie es sich anfühlt, ein wenig machtlos und auf dem Rücken liegend zu rodeln.

Rodeln ist ein sehr technischer Sport. Viel mehr vielleicht, als ich es erwartet hätte. Die Kufen werden vor jeder Fahrt im Eiskanal präpariert und mit feinstem Diamantschleifpapier von Kerben oder Graten befreit. Als ich den Schlitten kurz auf der Kufe abstellen wollte, wurde ich gerade noch rechtzeitig ermahnt. „Auf keinen Fall auf den Boden stellen.“ Der Grund ist eigentlich logisch: Das Eis soll steinfrei bleiben. Und damit man mit hohen Geschwindigkeiten trotzdem sicher runterfahren kann, müssen eben auch die Kufen in einem einwandfreien Zustand sein.

Mein Selbsttest begann daher also im Keller, in dem die Rodel präpariert werden. Der Obmann des Rodelclubs Sparkasse Bludenz übergab mir den Schlitten und einen Helm. Ohne den darf nämlich niemand rodeln. „Das war auch früher zu meiner aktiven Zeit in den 60ern schon so. Der Helm war Pflicht“, erklärte mir Helmut Tagwerker. Mit rund 25 Kilogramm unterm Arm ging es für mich dann weiter in Richtung Eiskanal. Die Schlitten sind so schwer, damit sie ruhig in der Bahn liegen. Außerdem ist der Schwerpunkt weit unten, um die Stabilität während der Fahrt zu erhöhen. Wie gesagt, Rodeln ist ein technischer Sport.

Der Helm ist das A und O in puncto Sicherheit. <span class="copyright">Hartinger</span>
Der Helm ist das A und O in puncto Sicherheit. Hartinger

Start aus der Geraden

Damit ich nicht ohne Kontrolle und Vorwissen gleich durch die Kurven schieße und dabei Spitzengeschwindigkeiten von 60 km/h – so schnell wird man vom Jugendstart aus – erreiche, bin ich erst einmal in Richtung der Kurvenausfahrt der fünften Kurve gegangen. Dort wartete der Trainer des Landesverbandes Vorarlberg, Patrick Korbela, auf mich. Gemeinsam mit ihm habe ich mir einige Fahrer des Vereinstrainings angeschaut. Wenn man kurz vor der eigenen Fahrt die Geschwindigkeit von außen sieht, wird es einem anders zumute.

Auf dem Weg zur Rodelbahn. <span class="copyright">Hartinger</span>
Auf dem Weg zur Rodelbahn. Hartinger

Nachdem ich dem Rennbüro angekündigt wurde und die Bahn frei war, durfte ich dann mit Patricks Hilfe in den Eiskanal steigen. Wichtig vorher: Schuhe gut abtreten, damit kein Schnee oder keine Steine in den Eiskanal gelangen. Patrick hat den Rodel netterweise für mich festgehalten und mir erklärt, wie ich mich positionieren muss. „Ganz nach vorne rutschen“, „noch weiter“, und „du bist noch immer nicht ganz vorne“, hieß es zu Beginn.

Nach der Fahrt half mir Arthur Tagwerker aus der Bahn.<span class="copyright"> Hartinger</span>
Nach der Fahrt half mir Arthur Tagwerker aus der Bahn. Hartinger

Als ich nun endlich weit genug vorne auf dem Schlitten saß, erklärte mir der Trainer, wie ich lenke und wo meine Hände beziehungsweise Arme hingehören. „Ganz vorne im Schlitten sind kleine Griffe. Sie sind mit den Kufen verbunden und helfen, so den Schlitten zu lenken. Der Fahrer greift sie mit den Fingern von oben und platziert die Hände neben beziehungsweise unter dem Oberschenkel. Die Arme werden ebenfalls in die Schale gelegt. Die Beine werden nach vorne und die Füße leicht nach innen gestreckt. Und der Kopf bleibt möglichst auf der Brust liegen, die Schultern nach unten gedrückt – nur so ist ein Profi aerodynamisch unterwegs. Auch wenn zu Beginn natürlich die Aerodynamik wenig bis gar keine Rolle spielt, spielt die Position auch für die Sicherheit eine wichtige Rolle. Wenn alle Gliedmaßen nahe des Schlittens sind, birgt das Anschlagen an der Bande nur geringe Gefahren.

Der Schlitten wiegt 25 Kilogramm und ist damit gar nicht so einfach zu handhaben.<br><span class="copyright">Hartinger </span>
Der Schlitten wiegt 25 Kilogramm und ist damit gar nicht so einfach zu handhaben.
Hartinger

Nach einem kurzen Check, ob alles richtig sitzt, und einer kurzen Einweisung, wie man lenkt – die Beine drücken gegen die Kufen und lenken den Schlitten so in die jeweilige Richtung –, kam die alles entscheidende Frage: „Bist du bereit?“ Ich muss zugeben, so richtig bereit habe ich mich nicht gefühlt. Wie auch? Ich wusste ja nicht, was mich erwartet und wie ich die Zielkurve managen sollte.

Wilde Fahrt mit viel Kontrolle

Patrick gab mir trotzdem einen kleinen Schubs und rief mir nur nach: „Gute Fahrt“. Und ab dann war es um mich geschehen. Ich nahm mit jedem Meter Fahrt auf, schaffte es zu meiner eigenen Überraschung aber, den Schlitten so gerade in der Bahn zu halten, dass ich nirgends anschlug. Dann, ziemlich zeitnah, ging es in Richtung Zielkurve, eine Spitzkehre mit hohen Wänden. Im Fernsehen hatte ich gesehen, dass es Sinn macht, weit oben in der Kurve zu fahren, also gab ich mein Bestes. „Ein wildes Auf und Ab war das“, kommentierte Arthur Tagwerker am Ende, der im Ziel auf mich wartete.

Diese optimale Spur in der Kurve hätte ich auch gerne getroffen.<span class="copyright">STIPLOVSEK</span><br>
Diese optimale Spur in der Kurve hätte ich auch gerne getroffen.STIPLOVSEK

Aber ich hätte eine erstaunlich gute Fahrt hingelegt. „Bist du bereit, noch höher zu gehen?“, fragte er mich. Ohne zu zögern entschied ich mich für „Ja“, denn was soll schon passieren. Ich hatte definitiv Blut geleckt und Lust auf noch mehr Speed. Also ging ich mit meinem Schlitten in Richtung der Ausfahrt von Kurve drei. Sie liegt ein ganzes Stück weiter oben. Das allein machte mir aber keine Sorge, sondern vielmehr die Tatsache, dass ich gleich zu Beginn zwei Kurven fahren musste, bevor es in die Zielgerade geht. Martina Steu half mir oben in den Schlitten und gab mir den vielleicht wertvollsten Tipp mit: „Nach der zweiten Kurve, also in Kurve fünf, ist es ganz wichtig, mit dem linken Bein gegenzulenken.“ Logisch, denn die Fliehkräfte drängen einen sonst in die linke Bande.

<span class="copyright">Hartinger</span>
Hartinger

Mit diesem Gedanken im Kopf schoss ich los und merkte, wie viel mehr Fahrt man auf den paar Metern aufnahm. Die Kurve konnte ich wunderbar bewältigen und schaffte es, ohne anzustoßen die gesamte Gerade zu fahren. Im Ziel angekommen, kam ich aus dem Grinsen nicht mehr heraus. All das Adrenalin und der Mut, den ich aufgebracht hatte, lösten größte Freude in mir aus. Und als es dann auch noch Lob von den Zuschauern gab, war ich noch stolzer. Das Rennbüro gab mir im Anschluss meine Trainingslaufzeiten. Die Zeit war vielleicht irrelevant und schwer einzuordnen, dass ich aber mit 55 km/h durch den Eiskanal geschossen bin, war schon beeindruckend und vielleicht sogar etwas angsteinflößend.

Rodeln ist eine Sportart, die mir taugt. <span class="copyright">Hartinger</span>
Rodeln ist eine Sportart, die mir taugt. Hartinger

Fest steht aber: Rodeln ist eine Sportart, die mir taugt. Die Geschwindigkeit, das Adrenalin und dazu die Möglichkeit, mit den richtigen Bewegungen absolute Kontrolle zu haben. Keine Frage: Ich würde es wieder tun!