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“Gut gedacht, schlecht gemacht”

17.02.2023 • 13:35 Uhr
Der Sprecher der Armutskonferenz Michael Diettrich (links) und Konrad Steurer bei einer Pressekonferenz am Freitag. <span class="copyright">Steinlechner</span>
Der Sprecher der Armutskonferenz Michael Diettrich (links) und Konrad Steurer bei einer Pressekonferenz am Freitag. Steinlechner

Vertreter der Vorarlberger Armutskonferenz erklärten am Freitag, warum sie mit der Wohnbeihilfe unzufrieden sind.

Nicht zufrieden sind die Verantwortlichen der Vorarlberger Armutskonferenz mit der Neugestaltung der Wohnbeihilfe im Land.

Diese sollte auch zu einer Entlastung bis in die Mittelschicht hinein führen, hatten die Vertreter der Landesregierung erklärt. Gelungen sei dies jedoch nicht beziehungsweise nur teilweise, bemängelten am Freitag Michael Diettrich, Sprecher der Armutskonferenz und früherer Dowas-Geschäftsführer, sowie Konrad Steurer, Geschäftsführer der Sucht- und Drogenhilfe-Einrichtung „Die Fähre“. Als Grund dafür sehen sie fehlendes Wissen darüber oder ein mangelhaftes Bewusstsein dafür, was „die Mittelschicht“ überhaupt ist.

Die Regelungen für die Wohnbeihilfe wurden kürzlich angepasst. <span class="copyright">Symbolbild/APA/Gindl</span>
Die Regelungen für die Wohnbeihilfe wurden kürzlich angepasst. Symbolbild/APA/Gindl

Einer gängigen Definition zufolge, der sich auch die Armutskonferenz anschließe, handle es sich bei der „unteren, einkommensschwachen Mittelschicht“ um jene Haushalte, die nur 60 bis 80 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hätten. Dazu zählten in Österreich beispielsweise Einpersonenhaushalte mit einem Jahresnettoeinkommen zwischen 17.300 und 23.000 Euro. Dies werde mit einem Bruttomonatsgehalt zwischen 1481 und 2142 Euro erreicht. Bei einer Familie mit zwei Kindern liege der Wert für das Jahresnettoeinkommen zwischen 36.200 und 48.200 Euro, erklärte Diettrich.

Mit Statistik Austria abgesprochen

Berechnet hat er die Zahlen für 2022 auf Grundlage der EU-SILC-Daten der Statistik Austria. Dabei werden das Einkommen und die Lebensbedingungen erhoben. Die aktuellsten Werte stammen aus dem Jahr 2020. Die von der Armutskonferenz genannten Zahlen entsprechen einer Schätzung, für welche die Werte jeweils um den Tariflohnindex der Jahre 2021 (1,7 Prozent) und 2022 (3,0 Prozent) erhöht wurden. Diese Methode sei in Absprache mit der Statistik Austria verwendet worden, betonte der Sprecher der Armutskonferenz.

Negatives Resümee

Betrachte man nun die angepassten Einkommensgrenzen für die Vorarlberger Wohnbeihilfe in Zusammenhang mit den definierten Jahreseinkommen der „unteren Mittelschicht“, so zeige sich, dass diese zu einem großen Teil nicht in den Genuss der Unterstützung komme. Lediglich bei den Einpersonenhaushalten sowie den Haushalten von Alleinerziehenden seien die Einkommensgrenzen so hoch, dass ein Teil der unteren Mittelschicht anspruchsberechtigt sei. „Gut gedacht, schlecht gemacht“, lautete daher auch Diettrichs Resümee zur Umgestaltung der Wohnbeihilfe.

Der Landtag hatte die Landesregierung damit beauftragt, den Bezieherkreis der Wohnbeihilfe zu erweitern. <span class="copyright">Paulitsch</span>
Der Landtag hatte die Landesregierung damit beauftragt, den Bezieherkreis der Wohnbeihilfe zu erweitern. Paulitsch

Er bemängelt, dass die Einkommenstabellen für die Unterstützungsleistung zu kompliziert sind. Auch die Obergrenzen seien teilweise willkürlich gezogen. Dies führe dazu, dass gerade vollständige Familien mit Kindern im Nachteil seien. Dies sei fast schon ein peinliches Manko, meinte der Sprecher der Armutskonferenz. Schließlich betone Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) immer wieder, besonders die Familien mit Kindern unterstützen zu wollen. Diettrich übte auch Kritik an den Verantwortlichen in der Landesverwaltung. Es könne nicht sein, dass dort niemandem die fehlende Entlastungswirkung für große Teile des Mittelstands aufgefallen ist. Auch im Landtag, welcher der Landesregierung den Auftrag zur Ausweitung der Anspruchskriterien gegeben habe, habe wohl niemand bemerkt, dass die Anpassungen mangelhaft seien.

Diettrich: Armut wird angesprochen

Durchaus geändert hat sich der Umgang der heimischen Politik mit dem Thema Armut. Das erklärte der Sprecher der Armutskonferenz Michael Diettrich am Freitag auf Nachfrage. Bei der Gründung der Organisation sei das bloße Reden über Armut schon ein Tabubruch gewesen. „Es war, als würde man den Papst fragen, wie es seinen Enkelkindern geht“, verdeutlichte Diettrich. Mittlerweile gebe es eine gewisse Offenheit bei dem Thema. So habe man etwa über die Wohnbeihilfe auch Gespräche mit Landeshauptmann Markus Wallner und Landesrat Marco Tittler (beide ÖVP) geführt. Allerdings sei dies wohl auch der Tatsache geschuldet, dass der Mittelstand und damit eine recht große Bevölkerungsgruppe betroffen sei. Man werde sehen müssen, ob und welche Anpassungen es bei der Wohnbeihilfe noch gebe.

Auch Fähre-Geschäftsführer Konrad Steurer sieht ein Bewusstsein in der Politik für das Thema Armut. Das Problem sei, dass der arme Teil der Bevölkerung keine Lobby habe. Wenn es um die Umsetzung von Maßnahmen zur Armutsbekämpfung gehe, spielten daher zu oft unterschiedliche Interessen eine Rolle. Die Armen und Armutsgefährdeten außer Acht zu lassen, sei jedoch zu kurzfristig gedacht. Denn: „Wenn es den Menschen nicht gut geht, haben wird ein Problem“, meinte Steurer.

Aus Sicht der Armutskonferenz braucht es daher eine weitere Anpassung der Wohnbeihilfe, um tatsächlich Entlastung für jene zu schaffen, welche diese am dringendsten benötigen. Ziel müsse es sein, dass die Obergrenzen für die verschiedenen Haushaltstypen bei 80 Prozent des mittleren Einkommens liegen. Überhaupt müsse diese Gruppe im Fokus der Entlastungsbemühungen stehen. Denn nur dann könne sichergestellt werden, dass neben den Armutsgefährdeten auch die untere Mittelschicht erfasst werde. Interessanterweise teile das Sozialministerium wohl diese Sichtweise, denn die Einkommensobergrenzen für Zuwendungen aus dem Lebenshaltungs- und Wohnkostenausgleichsgesetz seien bei exakt 80 Prozent des mittleren Nettoeinkommens angesetzt – allerdings entsprechend der Werte des Jahres 2020.

Hoffen auf Änderung

Diettrich und Steurer zeigten sich hoffnungsvoll, dass Änderungen bei den Einkommensobergrenzen der Wohnbeihilfe geben wird. Denn im Landtag habe jüngst auch Landesrat Marco Tittler (ÖVP) eingeräumt, dass man nachjustieren müsse.