“Es steht Spitz auf Knopf”

Sozialunternehmen in finanzieller Schieflage. Bei der Generalversammlung wurden ein klar negatives Jahresergebnis präsentiert.
Das Sozialunternehmen Integra Vorarlberg gGmbH mit beinahe 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steckt gegenwärtig in massiven wirtschaftlichen Turbulenzen, die den Fortbestand des Sozialunternehmens gefährden und möglicherweise sogar in einer Insolvenz enden. Diesbezügliche Informationen wurden der Wirtschaftspresseagentur.com aus gut informierten Kreisen zugespielt und zum allergrößten Teil auf wpa-Anfrage von mehreren Seiten auch bestätigt.
Klar negatives Jahresergebnis
Demnach stellt sich die Situation so dar, dass im Rahmen der jüngsten Generalversammlung am 1. März 2023 den Gesellschaftern eine deutliche Verschlechterung der Geschäftskennzahlen und ein klar negatives Jahresergebnis mitgeteilt wurde. Im Zuge dessen sei auch ein notwendiges Nachschießen von frischem Geld durch die Gesellschafter angesprochen worden, um den Weiterbestand des Sozialunternehmens zu sichern und eine Insolvenz abzuwenden.

Zu den Gesellschaftern der Integra Vorarlberg gGmbH gehören die Arbeiterkammer Vorarlberg (38,25 Prozent) und das DOWAS – der Ort für Wohnungs- und Arbeitssuchende (36,7 Prozent). Die restliche Anteile halten die ARB Arbeitsinitiative Regio Bodensee (18,33 Prozent) und der Verein Berufsvorschule Jugend am Werk (6,75 Prozent).
“Spitz auf Knopf”
AK Vorarlberg-Direktor Rainer Keckeis bestätigte auf wpa-Anfrage, dass es bei Integra Vorarlberg aktuell “Spitz auf Knopf” stehe, was den Fortbestand der Gesellschaft betreffe. Auch eine mögliche Insolvenz wollte Keckeis nicht ausschließen. Es sei in dem Zusammenhang korrekt, dass die AK Vorarlberg vorbehaltlich der Zustimmung ihrer Gremien den Vorschlag – aber kein verbindliches Angebot – gemacht habe, das Sozialunternehmen Integra zur Gänze zu übernehmen. Die Bedingung: Zuvor müssten die anderen Gesellschafter zusätzliche finanzielle Mittel nachschießen, um die aktuellen Verluste abzudecken. “Alle müssen ihren Beitrag zur Sanierung leisten”, so Keckeis. Erst dann könne man eine mögliche Komplettübernahme durchführen. Über diesen Vorschlag müssten sich jetzt die anderen Integra-Gesellschafter eine Meinung bilden.
Kein durchgängiges Controlling
Der wpa liegen Auszüge aus den vorläufigen Kennzahlen des Jahresabschlusses 2022 vor. Demnach gibt es einen Jahresverlust von 1,99 Millionen Euro. Das Eigenkapital drehte binnen eines Jahres von plus 641.000 Euro auf minus 869.000 Euro und ist damit negativ. Der Kassa-Bankbestand verschlechterte sich von vormals plus 2,4 Millionen Euro auf minus 850.000 Euro. Nach Darstellung des beauftragten Steuerberaters liege die mögliche Ursache für diese negative Entwicklung darin, dass die Fördermöglichkeiten nicht vollständig ausgeschöpft worden seien. Das Personal sei zwar da, aber es sei nicht richtig eingesetzt worden. Es fehle ein durchgängiges Projekt- und Personalkosten-Controlling.
DOWAS-Sprecher: “Es gibt keinen Cent”
Vom zweitgrößten Miteigentümer DOWAS kommt unterdessen ein klares Nein für frisches Geld. Deren Sprecher und Rechtsanwalt Nicolas Stieger sagte im wpa-Gespräch: “Nicht ein Cent wird nachgeschossen.” Integra wolle von DOWAS einen Nachschuss von rund 300.000 Euro.

Man habe erst in der Generalversammlung von der angespannten wirtschaftlichen Situation erfahren und im Zuge dessen die angebliche Nachschuss-Verpflichtung für Mitgesellschafter rechtlich geprüft. Das Ergebnis: Es gebe dafür keine rechtliche Verpflichtung. Im Zuge dessen wollte man von Integra konkrete Details zur aktuellen finanziellen Situation erfahren. In einem dann von einer Vorarlberger Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei vorgelegten aktuellen Schreiben stehe zu lesen, dass es “auf Basis der vorliegenden Unterlagen keine Aussicht auf eine positive Weiterentwicklung” von Integra gebe.
Dowas kann keine Gelder nachschießen
Weil es an den rechtlichen Grundlagen für eine Nachschusspflicht mangle und weil auch die betriebswirtschaftliche Grundlage mit einer positiven Fortbestandsprognose fehle, sei es für das DOWAS unmöglich, hier Gelder nachzuschießen, so Stieger. “Das DOWAS würde gerne helfen. Aber es kann und darf hier nichts unternehmen.” Er verweist darauf, dass auch das DOWAS mit öffentlichen Geldern arbeite.
Ausstieg als Miteigentümer
Man habe die Integra-Miteigentümer in einem Schreiben am 27. März 2023 darüber informiert, dass man ihnen die DOWAS-Anteile an Integra um einen Euro verkaufen möchte. Sollten sie das Angebot nicht annehmen, dann kündige man das Gesellschaftsverhältnis zum 31. Dezember 2023 auf, sagt Stieger.
Vom neuen Integra-Geschäftsführer Patrick Breuss war am Dienstagnachmittag keine Stellungnahme zu erhalten. Der bisherige Integra-Geschäftsführer Hartwig Maier ist aus gesundheitlichen Gründen derzeit im Krankenstand.
Günther Bitschnau/wpa