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Hinweisgeber müssen warten

21.06.2023 • 23:00 Uhr
Whisteleblower sind im Sport ebenso gern gesehen wie in Unternehmen. <span class="copyright">Glyn KIRK / AFP</span>
Whisteleblower sind im Sport ebenso gern gesehen wie in Unternehmen. Glyn KIRK / AFP

Die EU verpflichtet Mitgliedsstaaten und Unternehmen dazu, anonyme Hinweise entgegenzunehmen. Unternehmen und öffentliche Hand hinken aber hinterher.

Wer zeigt schon gerne das eigene Unternehmen an, wenn es gegen das Gesetz verstoßen hat? Um solchen Gewissenskonflikten sogenannter Whistleblower zu begegnen, hat die EU verpflichtende Hinweisgebersysteme für Unternehmen und die öffentliche Hand vorgesehen.

Österreich hat, wenn auch erst nach der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens, die entsprechende Richtlinie mit Jahresbeginn umgesetzt. Ab Ende August müssen größere Unternehmen solche Hinweisgebersysteme für Mitarbeiter oder Lieferanten anbieten, Unternehmen ab 50 Mitarbeitern haben noch bis Ende des Jahres Zeit.

Noch Aufklärungsbedarf

Sehr verbreitet scheint das Wissen um diese Pflicht aber nicht zu sein, hat man auch bei der Rechtsanwaltskanzlei TWP in Dornbirn festgestellt. Dort bietet man künftig Paketlösungen für Unternehmen an. Die Kanzlei betreibt und wartet das Hinweisgebersystem für sie. Sobald eine Meldung eingeht, besteht nämlich die gesetzliche Verpflichtung, innerhalb von sieben Tagen darauf zu reagieren. Die Anwälte garantieren außerdem die Anonymität der Hinweisgeber. Für die Unternehmen hat das System nicht nur einen bürokratischen Aufwand zur Folge, sondern bietet auch mögliche Vorteile: Geht ein Informant direkt zu den Behörden, muss das Unternehmen ein Verfahren und empfindliche Strafen fürchten. Wird es hingegen über das Hinweisgebersystem informiert, kann es sich selbst anzeigen beziehungsweise durch tätige Reue einer Strafe entgehen.

Briefkasten reicht nicht

Entscheidet sich das Unternehmen, selbst ein Hinweisgebersystem einzurichten, muss es einen Mitarbeiter dafür weisungsfrei stellen und die Anonymität der Meldungen sicherstellen. Wer kein Hinweisgebersystem einrichtet wird dafür nicht unmittelbar bestraft. Es gibt allerdings sehr wohl Strafen, wenn man „Personen im Zusammenhang mit einer Hinweisgebung behindert oder zu behindern sucht oder durch mutwillige gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verfahren unter Druck setzt“. Wer also gezielt die Hinweisgebung verhindert, indem er kein System einrichtet, muss sehr wohl mit Strafen rechnen. Bestraft wird aber auch, wer wissentlich einen falschen Hinweis gibt – wobei die Grenzen des Strafrechts bei anonymen Hinweisen recht schnell erreicht sein dürften.

An einer digitalen Umsetzung kommen die Unternehmen kaum vorbei, da sie dafür Vorsorge treffen müssen, mit dem Hinweisgeber anonym Rücksprache zu halten. Außerdem muss er die Möglichkeit bekommen, sein Anliegen gegebenenfalls zu konkretisieren. Ein anonymer Briefkasten in der Kantine erfüllt diese Vorgaben jedenfalls nicht.

Hinweisgeberschutz

Das Hinweisgeberschutzgesetz (HSchG) regelt auf Bundesebene die Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden. Auf Landesebene wird die Richtlinie mit dem Hinweisgeberschutzgesetz (HSchG) umgesetzt. Daher sind die Hinweisgebersysteme auch für die Verletzung europäischen Rechts gedacht und konzentrieren sich auf Verstöße gegen Umweltauflagen oder das Wettbewerbsrecht.

Land und Gemeinden betroffen

Vom verpflichtenden Hinweisgeberschutz sind auch das Land und die Gemeinden betroffen. Der Landtag hat die entsprechende EU-Richtlinie im Juni 2022 und damit noch vor dem Parlament in Wien umgesetzt. Demnach müssen kleine Gemeinden kein Hinweisgebersys­tem einrichten – nämlich dann, wenn sie weniger als 10.000 Einwohner haben oder unter 50 Dienstnehmer beschäftigen.

Anders als das Bundesgesetz kennt das Landesgesetz aber keine allgemeine Übergangsregelung für die Einrichtung der Meldeplattformen. Die Hinweisgebersysteme waren damit von Land und Gemeinden am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes bereitzustellen – dem 14. Juni 2022. Ausnahmen gibt es nur für kleinere Landesunternehmen. Allerdings gab das Land erst im März 2023 bekannt, nun über ein Hinweisgeberportal zu verfügen – obwohl ihm das Gesetz nur ein internes Meldesystem vorschreibt. Ob die Gemeinden über 10.000 Einwohner bereits alle ein Hinweisgebersystem eingerichtet haben, ist von außen nicht feststellbar. Das Landesgesetz sieht auch hier nur interne Meldemöglichkeiten vor. Die IT-Kommunal stellt den Gemeinden ein Hinweisportal für ihre Nutzung zur Verfügung. Von den Vorarlberger Städten verweisen derzeit Bregenz, Bludenz und Hohenems auf ihren Webseiten darauf. Sie lassen auch die Meldung durch externe Hinweisgeber zu, auch wenn das Gesetz nur den Zugang für eigene Mitarbeiter vorsieht und parallel ein externes Hinweisgebersystem beim Landesvolksanwalt bestehen sollte.

Allerdings betreibt derzeit nur das Land Vorarlberg über seine Webseite ein Hinweisgebersystem, auf jener des Landesvolksanwaltes ist jedoch keines zu finden. Dabei sieht das Gesetz ausdrücklich vor, dass dieser „einen externen Meldekanal einzurichten“ habe und sich als Meldestelle nur seiner Mitarbeiter bedienen darf. Ein Verweis darauf fehlt auf der Webseite des Landes allerdings.