Recep Tayyip Erdoğan: Der Pokerspieler, der immer gewinnt

Recep Tayyip Erdoğan hat seine Blockade gelöst: Schweden wird Teil der Nato.
Er hat es schon wieder getan. Recep Tayyip Erdoğan hat wieder einmal die EU und die Welt in Atem gehalten. Wieso? Das dürfte nur der türkische Präsident selbst wissen. Neu ist das Verhalten für Erdoğan jedenfalls nicht.
Hickhack um schwedischen Nato-Beitritt
Montagmittag ließ Erdoğan wissen, dass er einem schwedischen Nato-Beitritt nur zustimmen werde, wenn die EU die Beitrittsgespräche mit der Türkei wieder aufnehme. Wenige Stunden und ein Gespräch mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson später folgte die Kehrtwende. Erdoğan lenkte ein und löste seine Blockade. Schweden wird Teil der Nato, auch dank der Gnade des autoritär regierenden Erdoğans.
Schwedens Kosten für den Kompromiss halten sich für die Regierung in Stockholm in Grenzen. Die Skandinavier gingen offenbar auf Erdoğans Forderung ein, schärfer gegen Anhänger der kurdischen PKK in Schweden vorzugehen. Im Gegenzug kündigt Erdoğan an, im türkischen Parlament dafür zu sorgen, dass der im Nato-Rat bereits vereinbarte Beitritt zur Allianz umgehend ratifiziert wird.
Sieger ohne Einsatz
Erdoğan, der zu Hause mit einer Wirtschaftskrise zu kämpfen hat, konnte nun außenpolitisch seine Muskeln zeigen und sein Profil stärken. Der US-amerikanische Präsident Joe Biden wird mit ihm über die Verbesserung der Verteidigung und Abschreckung im euroatlantischen Raum debattieren. Eine Lieferung von F-16-Kampfjets, die sich die Türkei wünscht, steht jedenfalls im Raum.
Ohne großen Einsatz hat Erdoğan erneut einen Sieg davongetragen. Bereits im März 2016 hatte der autoritäre Machthaber die EU vor sich hergetrieben. Die Türkei erhielt sechs Milliarden Euro, im Gegenzug verpflichtete sich Ankara, Fluchtrouten zu schließen und Flüchtlinge zurückzunehmen, wenn sie doch mit Booten auf den griechischen Inseln anlandeten.
Faustpfand Flüchtlingsdeal
2020 benutzte Erdoğan den Deal als Faustpfand gegen die Staatengemeinschaft. Als diese nicht einlenkte, öffnete Erdoğan seine Schleusen. Laut Angaben der türkischen Regierung hätten es so binnen eines Jahres 130.000 Flüchtlinge nach Europa geschafft. Die EU reagierte mit rigorosen Maßnahmen. Pushbacks und desaströse Bilder in Flüchtlingslagern schadeten der europäischen Gemeinschaft, aber nicht Erdoğan.
Trotz massiver Probleme im eigenen Land wird er in seiner Heimat von vielen als der starke Mann wahrgenommen, der die Interessen der Türkei auch der Nato, der EU und sogar dem US-Präsidenten diktieren kann. Das Bild hat sich verfestigt, wirkt beinahe unerschütterlich. Auch eine Rekordinflation von über 80 Prozent im November 2022 hat die Türkinnen und Türken nicht davon abgehalten, Erdoğan bei der Wahl im Mai dieses Jahres in seinem Amt zu bestätigen. Der Mann vom Bosporus mit seinem Hang zu Stimmungsschwankungen bleibt der politischen Bühne also weiterhin erhalten – ob das allen gefällt oder nicht.