Überzeugendes Debüt von Mengoli

Statt des erkrankten Dirigenten Omer Meir Wellber dirigierte Giuseppe Mengoli am Montag das erste Orchesterkonzert der Wiener Symphoniker.
Vor wenigen Tagen erst hat der 30-jährige Italiener Giuseppe Mengoli den renommierten Gustav Mahler-Dirigierwettbewerb der Bamberger Symphoniker für sich entschieden: Unter 350 Bewerbungen wurden dort 16 Dirigenten und vier Dirigentinnen ausgewählt und durften eine Woche mit einem der besten Orchester weltweit arbeiten – allein die Teilnahme war also schon eine Auszeichnung! In Bregenz sprang Mengoli sehr kurzfristig für den erkrankten Dirigenten Omer Meir Wellber ein und nutzte die Gunst der Stunde für ein überzeugendes Debüt.
Sinn für Klangbalance
Vom ursprünglich vorgesehenen Programm war „nur“ die Tondichtung „Ein Heldenleben“ von Richard Strauss übriggeblieben, freilich ein groß besetztes spätromantisches Werk, bei dem der junge Dirigent seinen Sinn für Klangbalance, Übergänge und Klangfarben unter Beweis stellen konnte. Da in Bamberg die Symphonie Nr. 92 von Joseph Haydn zu den Pflichtstücken des Wettbewerbs gehört hatte, setzte er sie auch mit den Wiener Symphonikern an den Anfang des Programms. Passend zu diesem Wiener Klassiker erklangen als Mittelstück die Haydn-Variationen von Brahms. Mit dem slowakischen Konzertmeister Dalibor Karvay, den man bereits vor einigen Jahren in Lindau als Meisterschüler von Boris Kuschnir erleben konnte, hatte der junge Preisträger einen engagierten Partner zur Seite.

Auch Mengolis Hauptinstrument ist die Geige, schon früh war er Konzertmeister unter anderem im Gustav Mahler Jugendorchester, zu anderen Instrumenten kamen Kompositionsstudien, Dirigieren (zurzeit macht er noch den Masterstudiengang an der Musikhochschule Weimar) und bereits einige Assistenzen bei renommierten Kollegen wie dem ebenfalls noch jungen Lorenzo Viotti. Er kommt also aus der Orchesterpraxis und weiß seine Vorstellungen klar zu vermitteln, wie der ein wenig heikle Beginn der langsamen Einleitung der Haydn-Symphonie sogleich zeigte. Mit dem Übergang zum Allegro spirituoso gestaltete er plastische, fein artikulierte Figuren in den Streichern und Holzbläsern und würzte die Durchführung mit Akzenten und Spannungsklängen. Die feinen Bögen im langsamen Satz wurden vom Grundrauschen des draußen niedergehenden Wolkenbruchs untermalt, da passte auch die bodenständige Interpretation des Menuetts. Filigran, fantasievoll und organisch entwickelte er mit den Wiener Symphonikern den Finalsatz.
Geringe Probenzeit
Vermutlich der Kürze der Probenzeit geschuldet war die Programmfolge mit den Haydn-Variationen von Brahms: das Orchester kennt das Stück und der Dirigent kann damit geradezu schulmäßig die Entwicklung des Brahms’schen Orchestersatzes aufzeigen: Aus dem fein ausbalancierten Bläserchoral mit Pizzicatobegleitung der tiefen Streicher lösten sich in den Variationen kleine Portraits der Instrumentalgruppen und musikalischen Charaktere. Giuseppe Mengoli formte sie mit großer Klarheit und Gespür für die Klangmischungen, man hätte ihm allerdings noch mehr Unterstützung von Seiten der Wiener Symphoniker gewünscht – sonderlich inspiriert klang das nicht!
Mit der Hundertschaft von Musikerinnen und Musikern breitete der Dirigent im „Heldenleben“ von Strauss die Farbpalette des Spätromantikers aus – im Wettbewerb hatte er ja die siebte Symphonie von Mahler auf dem Programm, der breite Pinsel und die vielen Schattierungen eines großen Klangkörpers scheinen ihm also zu liegen. Beeindruckend seine klare Ansage in den Steigerungen und besonders in den Tempoübergängen, die Differenzierung der Themen, das Schwelgen in Innigkeit (mit dem kapriziös virtuosen Violinsolo als Portrait von „Des Helden Gefährtin“) oder der Wandel von Tumult zu stiller Zartheit. Es gibt zahlreiche Deutungsversuche über den autobiographischen Anteil von Richard Strauss in dieser Tondichtung. Unbestreitbar aber ist „Ein Heldenleben“ ein überwältigendes Orchestergemälde, das Mengoli mit den Symphonikern großartig gemeistert hat. Man darf gespannt sein auf die Karriere dieses jungen Musikers!
Von Katharina von Glasenapp