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Lebensmittelkennzeichnung: Woher kommt unser Essen wirklich?

12.01.2024 • 23:00 Uhr
LWK-Präsident Josef Moosbrugger spricht sich für eine Herkunftskennzeichnung aus. <span class="copyright">Hartinger</span>
LWK-Präsident Josef Moosbrugger spricht sich für eine Herkunftskennzeichnung aus. Hartinger

Seit 1. September 2023 gibt es eine Kennzeichnungspflicht von Produkten in öffentlichen Großküchen. LK-Präsident Moosbrugger fordert eine Ausweitung auf die private Gastronomie.

Woher kommt eigentlich unser Essen? Und hat die gepulte Krabbe möglicherweise schon mehr von der Welt gesehen als wir selbst? Was überspitzt klingt, ist bei manchen Lebensmitteln Realität – insbesondere bei Fisch und einigen Gemüse- und Obstsorten. Eine Herkunftskennzeichnungspflicht für unverarbeitetes Rindfleisch, nahezu alle Obst- und Gemüsesorten, Fisch-, Krebs- und Weichtiere, Eier sowie Olivenöl gibt es schon länger. Seit 2015 gilt aber zusätzlich eine verschärfte EU-Verordnung, die sogenannte Lebensmittelinformationsverordnung. Sie verhindert nicht das Verschiffen von Lebensmitteln um die ganze Welt, aber sie zwingt die Produzenten zu einer genauen Kennzeichnung der Herkunft. Sie bezieht sich seither zusätzlich auf „frisches, gekühltes oder tiefgefrorenes Fleisch von Schweinen, Haus­ge­flügel, Schafen oder Ziegen.“ Ebenfalls soll eine Täuschung von Kunden verhindert werden.

Die Arbeiterkammer Vorarl­berg erklärt das folgendermaßen: „Wenn Sie ohne Herkunftsangabe getäuscht über die Herkunft wären. Wenn zum Beispiel auf einer Nudelpackung eine italienische Flagge prangt, das Pro­dukt aber in Polen erzeugt wurde, muss in Zukunft eine Her­kunfts­an­gabe aufs Etikett.“ Außerdem kann beispielsweise der „Vorarlberg Joghurt“ auch nur als solcher ausgelobt werden, wenn er auch ausschließlich aus „Vorarlberg Milch“ hergestellt wurde. Andernfalls müsste es beispielsweise heißen: „Vor­arlberg Joghurt mit Milch aus Italien“.

Allergene müssen bereits ausgezeichnet werden. <span class="copyright">APA</span>
Allergene müssen bereits ausgezeichnet werden. APA

Preiskampf

In der Realität ist es für Konsumentinnen und Konsumenten also bedeutend einfacher geworden, zu wissen, wo Teile ihrer Einkäufe herkommen. Geht man aber – und das ist die Realität vieler Berufstätiger oder Schülerinnen und Schüler – auswärts essen, etwa in einem Restaurant, dann ist als Kundin und Kunde nicht nachvollziehbar, woher das Produkt kommt, was auf dem eigenen Teller landet. Auch bei Produkten, die von der EU-Verordnung ausgenommen sind, wird die Luft schnell dünn. Im NEUE-Interview äußerte sich der Präsident der Landwirtschaftskammer Vorarlberg (LK), Josef Moosbrugger, darüber verärgert. „Ich hab immer das Gefühl, man wünscht sich günstige Lebensmittel, hat aber größere Anforderungen an die Produkte. Man kann mit mir gerne über alles diskutieren, aber was es braucht, ist eine klare Herkunftskennzeichnung.“ Im Regal zähle zu sehr nur der Preis. Rabattaktionen, wie sie die gängigen Supermärkte in Vorarlberg anbieten, würden das in seinen Augen noch befeuern. Er sieht unter anderem das Problem in der Preisentwicklung am ganzen Markt.

An Schulen muss nun auch die Herkunft der Lebensmittel aufgezeigt werden. <span class="copyright">dpa</span>
An Schulen muss nun auch die Herkunft der Lebensmittel aufgezeigt werden. dpa

„Wenn ich versuchen muss, mit einer höheren Anzahl an Tieren der rückläufigen Preisentwicklung entgegenzuwirken, dann ist das eine Entwicklung, die in vielerlei Hinsicht ungesund ist.“ Er ist sich sicher, dass solche Preiskämpfe zum Aufgeben einiger bäuerlicher Betriebe führen ­würde. „Das hält die Landwirtschaft nicht aus. Wenn ich die Anforderungen an die Landwirte hochstelle, dann aber davon ausgehe, dass im Regal ein Produkt landet, das preisgünstiger ist als ein Produkt von weither, das unter anderen, einfacheren Rahmenbedingungen hergestellt wurde, dann kann das nicht funktionieren“, stellt Moosbrugger klar. Wichtig ist ihm zu betonen, dass eine regional erzeugte Wurst noch kein Garant dafür ist, dass sie aus regionalen Zutaten hergestellt wurde. Insbesondere das Zukaufen von Verarbeitungsware in der Fleischindustrie ist of der Fall. „Ich glaube, da würden sich viele Leute wundern, wie viele andere Herkunftsorte auf einem solchen Produkt erscheinen würden.“

Übergreifendes Kennzeichnen

Er fordert daher eine eindeutige und übergreifende Kennzeichnungspflicht. Auch im Sinne der Bäuerinnen und Bauern. „Eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung ist für mich die Basis für echte Wahlfreiheit unserer Konsumentinnen und Konsumenten. Damit unsere bäuerlichen Familienbetriebe auf den hart umkämpften, extremst preisgetriebenen Märkten in Zukunft überhaupt bestehen können“, stellt er klar. Man könne nicht glauben, dass die landwirtschaftlichen Betriebe in Vorarl­berg stetig wachsen können. Dafür reiche allein die Fläche schon nicht.

Seit dem 1. September ist eine solche Pflicht bereits für Schulen, Kantinen, Pflegeheime oder Krankenhäuser in Kraft. Die Herkunft von Fleisch, Milch und Eiern muss so ausgewiesen werden. Die Grünen begrüßen diese Entscheidung. Landwirtschaftssprecherin Christine Bösch-Vetter sagte damals in einem Statement: „Das ist ein erster wichtiger Schritt für mehr Konsumentinnen- und Konsumentenschutz, regionale ­Landwirtschaft und Tierschutz.“ Sowohl die Partei als auch ­Moosbrugger sind sich aber einig: Genug ist das noch nicht. Auch in der Privatgastronomie müssten solche Statuten festgehalten werden. Dass sich die private Gastronomie beziehungsweise der Wirtschaftsbund gegen die Lebensmittelkennzeichnung gewehrt habe, ist für Bösch-Vetter absolut unverständlich. Bei Wein sei eine detaillierte Darstellung bereits gang und gäbe. „Wieso soll das nicht auch bei anderen Lebensmitteln funktionieren?“

Die Tierhaltung spielt eine entscheidende Rolle beim Preis. <span class="copyright">dpa</span>
Die Tierhaltung spielt eine entscheidende Rolle beim Preis. dpa

ÖHV-Meinung

Die Vorarlberger Gastronomie um Vizepräsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung Heike Ladurner-Strolz steht einer solchen Pflicht offen gegenüber. Im Land seien viele Privatbetriebe stolz darauf, regionale Produkte zu verwenden. Das offenzulegen, sei kein Problem. Allerdings müsse an der konkreten Umsetzung noch gearbeitet werden. Moosbrugger meint, das sei eine der zentralen Herausforderungen, mit der sich die Landwirtschaftskammer im Jahr 2024 beschäftigen werde. Er stehe einer zeitnahen Umsetzung nicht im Wege. Und vielleicht ist es mit Jahresende dann ja schon ebenso Standard über Qualitätsprodukte zu sprechen, wie man es über besondere Weinjahrgänge tut.