Meereskoloss, ganz nach Kundenwunsch

Die „Icon of the Seas“ definiert Kreuzfahrt als 365 Meter langen Erlebnispark, Fragen zum ökologischen Fußabdruck bleiben.
Am vergangenen Wochenende brach die „Icon of the Seas“ zu ihrer Jungfernkreuzfahrt von Miami in die Karibik auf. Das weltgrößte, 250.000 Tonnen schwere Kreuzfahrtschiff definiert „Superlative“ neu: 365 Meter lang, Platz für 7600 Gäste und 2350 Crew-Mitglieder, 2805 Kabinen in 28 Kategorien von 14,5 bis 164,5 m², 20 Decks, 20 Lokale, ein riesiger Wasserpark mit sechs „actionreichen Themenrutschen“, ein Surfsimulator und und und …
Die „Icon of the Seas“ verblüfft Kreuzfahrtfreunde – Kritiker orten ökologischen Irrsinn, und der nicht sehr schmeichelhafte Begriff „menschliche Lasagne“ geht im Netz um. Erste Reiseberichte betonen das enorme Angebot an Bord, das aber auch eine nicht unbeträchtliche Reizüberflutung mit sich bringe.

Kritik an der Gigantomanie
Hält die Branche weiter an der Gigantomanie fest? „Die Tendenz zu immer größeren Schiffen ist da. Die Wirtschaftlichkeit stimmt, verglichen mit den Investitionskosten. Wirtschaftlich kann man das nicht bis in alle Ewigkeit fortführen: Es gibt einen Punkt, an dem die Investitionskosten, die es braucht, um die Schiffe zu bauen, die operative Ersparnisse übersteigen, die man durch immer größere Modelle erzielt“, sagt Alexis Papathanassis, Professor für Seetouristik und Rektor der Hochschule Bremerhaven, im Interview. In den Pandemiejahren wurden viele ältere Modelle abgewrackt, durch riesige neue Modelle werden die Kapazitäten insgesamt mindestens ausgeglichen.
Der Kunde, der eine Reise auf einem Megaschiff bucht, erwarte ein besonders üppiges Angebot: „Je größer das Schiff, desto mehr Optionen hat der Kunde bzw. Einnahmemöglichkeiten der Anbieter: Dienstleistungen, Gastronomie, Einkaufs- und Unterhaltungsmöglichkeiten. Der Gast bezahlt für Reservierung und Kabine, aber ein Drittel der gesamten Ausgaben wird dann an Bord getätigt oder bei Landgängen eingespielt“, so Papathanassis. Und: „Durch die riesige Anzahl an Passagieren kann man niedrigere Reservierungspreise verlangen.“ Der Experte erwartet in den nächsten Jahren aber eine Preissteigerung, auch wegen Emissionssteuern.
Flüssigerdgas als Treibstoff
Die „Icon of the Seas“ wird mit „Flüssigerdgas“ (LNG) betrieben, was sich das Kreuzfahrtunternehmen Royal Caribbean International auf die Fahnen heftet: „Marinediesel (mit dem die allermeisten Kreuzfahrtschiffe betrieben werden, Anmerkung) ist noch viel schlimmer“, bestätigt Papathanassis, doch: „LNG bleibt ein fossiles Gas“. Zudem gelte es, zu überprüfen, woher LNG kommt, wie es transportiert wird – der gesamte Kreislauf sei hier zu beachten.
Noch kritischer sieht den „Mythos LNG“ Wolfgang Meyer-Hentrich: „Flüssigerdgas“ sei bestenfalls eine Übergangstechnologie zu Erdgas, der Kreuzfahrtexperte und Buchautor verweist auf das umweltschädliche Methan, das beim Verbrennen frei wird („Methanschlupf“). Derzeit seien zehn von den 25 ganz großen Kreuzfahrtschiffen damit unterwegs – der Rest weiter mit Marinediesel. Ein Betrieb mit der Alternative Wasserstoff? Derzeit noch Zukunftsmusik.
“Masse macht Kasse”
Die Baukosten von 1,85 Milliarden Euro für die „Icon of the Seas“? Meyer-Hentrich geht davon aus, dass diese in vier bis sechs Jahren eingespielt sind. Die Kreuzfahrtindustrie sei profitabel und hochattraktiv – bevor Corona kam, hatte 2019 das Allzeitrekordjahr markiert: „Masse macht Kasse“, sagt er.
Die Werften seien gut ausgelastet. 10.000 Menschen an Bord sei für die nächsten Jahre das Maximum – für die Zukunft aber gebe es keine Grenzen.