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Hitzige Debatte um den Pflegebereich

04.02.2024 • 10:00 Uhr
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Steurer

Regierungsparteien und Opposition lieferten sich einen Schlagabtausch um den Zustand von Pflege und Gesundheit.

Einmal mehr hat der Vorarl­berger Landtag diese Woche die Situation in den heimischen Spitälern und Pflegeheimen diskutiert. Grund dafür war eine als dringlich namhaft gemachte Anfrage der Freiheitlichen (siehe unten) an die beiden Landesrätinnen Martina Rüscher (Gesundheit/ÖVP) und Katharina Wiesflecker (Soziales/Grüne). Naturgemäß hatten Vertreterinnen und Vertreter der Regierungsparteien und der Opposition deutlich unterschiedliche Ansichten, was die Lage in Gesundheit und Pflege betrifft.

Lippenbekenntnisse

Keine Freude mit den Antworten der Landesrätinnen hatte FPÖ-Gesundheits- und Pflegesprecher Hubert Kinz. Die Freiheitlichen würden schon seit Jahren auf den Personalengpass und die Probleme in Gesundheit und Pflege hinweisen. Doch sowohl im Bund als auch im Land werde von den Regierenden nichts getan. Stattdessen gebe es lediglich Lippenbekenntnisse. Dementsprechend sei auch die Anfragebeantwortung von Rüscher und Wiesflecker ausgefallen.

FPÖ-Gesundheits- und Pflegesprecher Hubert Kinz. <span class="copyright">Paulitsch</span>
FPÖ-Gesundheits- und Pflegesprecher Hubert Kinz. Paulitsch

Auch Nicole Feurstein-Hosp war unzufrieden mit den Ausführungen der Landesrätinnen. Sie warf Wiesflecker sogar vor, den Landtag in der Sitzung im Dezember belogen zu haben. Immerhin habe die Landesrätin damals gesagt, dass die Auswertung über das burgenländische Modell zur Anstellung pflegender Angehöriger offiziell nicht zu haben gewesen sei. In der Anfragebeantwortung heiße es dann aber, dass die Evaluierung seit September vorliege. Einen Ordnungsruf gab es für Feurstein-Hosp für ihren Vorwurf nicht. Wiesflecker äußerte sich in ihrem Redebeitrag ebenfalls nicht dazu.

Die FPÖ-ANfrage und ihre Beantwortung

Insgesamt 23 Fragen haben FPÖ-Klubobmann Christof Bitschi sowie FPÖ-Gesundheits- und Pflegesprecher Hubert Kinz an Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) und Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) gestellt. Unter anderem wollten sie wissen, mit welchen konkreten Maßnahmen das Pflegepersonal entlastet werden soll. Ebenso wurden Zahlen über offene Stellen und nicht zur Verfügung stehende Betten in den Spitälern und Pflegeheimen gefordert.

Unterstützung gab es für die FPÖ von der geschäftsführenden SPÖ-Klubobfrau Manuela Auer. Seit Jahren werde unter den unterschiedlichsten Titeln über Gesundheit und Pflege diskutiert. So habe es schon geheißen, es drohe ein Kollaps oder die Pflege sei an die Wand gefahren worden. Mittlerweile sei das System schon auf der Intensivstation und hänge am Tropf. Es brauche dringend „massive Sofortmaßnahmen“, um gegenzusteuern. Auer erneuerte auch die Forderung nach einem Pflegegipfel. Gerade erst vor einer Woche habe eine unangekündigte Feuerbeschau im Landeskrankenhaus Rankweil schwere Mängel aufgezeigt. So seien Patienten in Betten auf dem Gang betreut worden. Ebenso seien Vierbett-Zimmer mit sechs Betten und Zweibett-Zimmer mit drei Betten belegt gewesen. Die Zustände würden vom Personal seit Jahren regelmäßig gemeldet. Getan werde dagegen jedoch nichts. Es sei daher an der Zeit, „dringend etwas zu tun“. Homöopathische Mittel seien hier jedoch keine Lösung mehr.

Personalmangel und Umbau

Aus der Anfragebeantwortung geht hervor, dass aktuell 246 von 2355 Betten in Vorarlbergs Heimen nicht genutzt werden können. Bei 156 ist der Personalmangel der Grund dafür. Die übrigen 90 Betten stehen momentan aufgrund von Umbau- oder Sanierungsarbeiten nicht zur Verfügung. Gleichzeitig haben zum Ende des vergangenen Jahres 237 Personen im Land auf einen Heimplatz gewartet. Bei 29 Betroffenen ging es um eine Überleitungspflege, bei 208 Personen sollte eine dauerhafte Aufnahme erfolgen.

In den fünf Landeskrankenhäusern – Bludenz, Bregenz, Feldkirch, Hohenems und Rankweil – stehen laut der Anfragebeantwortung derzeit 127 von insgesamt 1522 Betten nicht zur Verfügung. Betroffen davon sind die beiden Spitäler in Feldkirch (61 von 605 Betten nicht belegt) und Rankweil (66 von 373 Betten). Die Gesundheitslandesrätin betont in ihrer Antwort jedoch auch, dass in den Landeskrankenhäusern keine Abteilungen gesperrt seien. Allerdings müsse in einigen Bereichen die Belegung reduziert werden. Die Akutversorgung sei jedoch in allen Abteilungen gewährleistet. Notfälle könnten jederzeit entsprechend versorgt werden, heißt es in der Beantwortung.

Neos-Klubobmann Johannes Gasser gab zu bedenken, dass durch die angespannte Situation etwa am Krankenhaus Rankweil auch der Druck auf die dort in Behandlung stehenden Patientinnen und Patienten steige. Umso wichtiger sei es, neues Personal zu gewinnen. Die im Ausbildungsbereich getroffenen Maßnahmen würden sich erst in der Zukunft auswirken. Umso wichtiger sei es daher, kurzfris­tige Schritte zu setzen. Gasser regte daher an, Maßnahmen zu setzen, damit es sich für Teilzeitbeschäftigte lohne, ihre Stundenzahl zu erhöhen.

Fachkräftemangel

Seitens der Regierungsparteien äußerten sich Gesundheitssprecherinnen Susanne Andexlinger (ÖVP) und Nadine Kasper (Grüne) zum Thema. Sie wiesen auf den Fachkräftemangel hin. Ebenso sei von Schwarz-Grün bereits ein ganzer Strauß an Maßnahmen eingeleitet worden, um die Personalsituation zu verbessern. Mit dem Vorarlberger Johannes Rauch (Grüne) gebe es nun zudem einen Gesundheitsminister, „der die Reform quasi im Blut hat“, meinte Kasper.

Die Personalsituation

Daneben wollten die Freiheitlichen wissen, wie es um die Personalausstattung in den Spitälern steht. Unbesetzte Stellen gibt es in allen Landeskrankenhäusern bis auf jenes in Hohenems. Insgesamt sind 67,2 Stellen nicht besetzt – die meisten davon in Rankweil (30) und Feldkirch (22). An allen fünf Spitälern gibt es derzeit insgesamt 3537,27 besetzte Posten. In den Pflegeheimen fehlen derzeit laut Anfragebeantwortung etwa 102 Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegekräfte (71,22 Vollzeit­äquivalente), 25 Beschäftigte im Bereich Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz oder Diplomsozialbetreuung (17,22 VZÄ) sowie 33 Personen im Bereich Heimhilfe (22,93 VZÄ).

Der gesamte Pflegebereich sei von hoher Personaldymanik geprägt, heißt es in der Anfragebeantwortung. So habe es 2022 in allen Settings 804 Zugänge und 794 Abgänge gegeben. Knapp ein Viertel aller Personen, die in einer Einrichtung zu arbeiten beginnen, kommen direkt aus der Ausbildung. 37 Prozent aller Neueinstellungen sind die Folge eines Wechsels der Einrichtung. Auch bezüglich der Elternkarenz gebe es eine hohe Dynamik.

Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker. <span class="copyright">Paulitsch</span>
Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker. Paulitsch

Pflegeheimgesetz

Lob für den Parteikollegen gab es dann auch von Landesrätin Wiesflecker. Mit Rauch als Minister sei es nun erstmals möglich, die Maßnahmen zwischen Bund und Land gut aufeinander abzustimmen. Sie legte auch Wert auf die Feststellung, dass die Betten in den Pflegeheimen nicht seitens des Landes gesperrt würden. Vielmehr gehe es dabei um das vom Landtag beschlossene Pflegeheimgesetz. Dieses stelle die angemessene Pflege als Zielsetzung in den Raum. Die Verantwortlichen in den Heimen würden dies daher auch in den Mittlepunkt stellen und Betten nicht belegen. Dies zeige sich auch darin, dass bei allen 40 Überprüfungen von Heimen in den vergangenen zwei Jahren festgestellt worden sei, dass die Vorgabe der angemessenen Pflege eingehalten worden sei.

St. Gallen

Die Freiheitlichen wollten in ihrer Anfrage auch wissen, wie auf den angekündigten Stellenabbau in den St. Galler Krankenhäusern reagiert worden ist, und ob schon neue Mitarbeiter für Vorarlbergs Spitäler rekrutiert werden konnten. Nach Angaben der Gesundheitslandesrätin wurde die Recruiting-Kampagne seitens der Krankenhausbetriebsgesellschaft gezielt auf die Region St. Gallen ausgeweitet. Der Hauptfokus liege dabei auf Pflegepersonal und Radio­technologen und -technologinnen. Weiters hätten bereits Personen aus St. Gallen konkret zugesagt, ins Ländle zu wechseln.

Nicht zuletzt würden sich Vorarlbergerinnen und Vorarl­berger vermehrt überlegen, ob sie überhaupt beruflich im medizinischen Bereich in der Schweiz tätig sein möchten.

Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher. <span class="copyright">Paulitsch</span>
Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher. Paulitsch

Gesundheitslandesrätin Rüscher wehrte sich gegen die Vorwürfe, dass seitens der Landesregierung nichts getan werde. Den feuerpolizeilichen Bericht über das LKH Rankweil habe sie angefordert, und sie werde entsprechend reagieren, sollte es Missstände gegeben haben. Die Zustände seien aber sicher nicht katastrophal und untragbar, wie von Auer behauptet.

Rüscher lud die Gesundheitssprecherinnen und -sprecher der Fraktionen ein, sich gemeinsam ein Bild vor Ort zu machen. Die Patientinnen und Patienten würden mit hohem Engagement auf einem ausgezeichneten Niveau versorgt. Die Landesrätin räumte ein, dass es in gewissen Bereichen im Gesundheitswesen „Druckpunkte“ gebe. Es stimme allerdings nicht, wenn die Opposition behaupte, dass von der Regierung nichts dagegen getan werde.