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Ein Jahr nach dem Katastropheneinsatz

06.02.2024 • 23:00 Uhr
In Rankweil wurde das Saruv-Team am 14. Februar 2023 wieder in Empfang genommen. <span class="copyright">VLK/Serra</span>
In Rankweil wurde das Saruv-Team am 14. Februar 2023 wieder in Empfang genommen. VLK/Serra

Das schwere Erdbeben in der Türkei jährt sich zum ersten Mal. Saruv-Einsatzleiter Markus Mayr blickt zurück

Ein Jahr ist es her, dass im Südosten der Türkei die Erde bebte. Zehntausende verloren dabei ihr Leben. In der Türkei starben laut Regierungsangaben 53.000 Menschen, im vom Bürgerkrieg geplagten Nachbarland Syrien waren es Schätzungen zufolge mindes­tens 6000. Hilfe gab es damals aus der ganzen Welt – auch aus Vorarlberg. Neben Spenden und Hilfsgütern reisten auch Einsatzkräfte aus dem Ländle unmittelbar nach dem Erdbeben in die Katastrophenregion.

Vier Menschen gerettet

Saruv („Search and Rescue Unit Vorarlberg“) heißt die Spezialtruppe aus Freiwilligen, die auf die Suche nach verschütteten Personen spezialisiert ist. 32 Helferinnen und Helfer – 22 Feuerwehrleute, vier Bergretter, fünf Mitglieder des Arbeiter-Samariter-Bunds sowie ein Arzt – waren im Februar des Vorjahrs in den türkischen Städten Osmaniye und Kahramanmaras im Einsatz. Auch fünf Hunde waren mit dabei. „Die Emotionen sind noch immer da – gerade jetzt zum ersten Jahrestag“, erzählt Markus Mayr, Kommandant der Feuerwehr Rankweil und Leiter des Saruv-Einsatzes in der Türkei. Genau heute vor einem Jahr ist das Team der Vorarlberger Helfer in die Krisenregion aufgebrochen. Eine Woche lang wurde von der Spezialeinheit nach Überlebenden gesucht. Vier Menschen wurden teilweise viele Stunden nach dem Erdbeben noch gerettet. Diese positiven Erlebnisse und auch die Tatsache, dass man vor Ort helfen konnte, stehen beim Rückblick auf den Einsatz im Fokus, sagt Mayr.

Markus Mayr leitete den Saruv-Einsatz in der Türkei. <span class="copyright">Mathis</span>
Markus Mayr leitete den Saruv-Einsatz in der Türkei. Mathis

Das Saruv-Team ist auch nach wie vor mit Einsatzkräften vor Ort in Kontakt. Die Einheimischen haben die Vorarlberger bei der Überlebenden-Suche unterstützt – beispielsweise als ortskundige Fahrer. „Wir wissen daher auch, dass das 15-jährige Mädchen, das wir retten konnten, mittlerweile in Istanbul bei einer Tante lebt“, berichtet der Einsatzleiter.

„Bewältigung wird noch Jahre dauern“

Ein schockierendes Erlebnis war das Erdbeben in der Türkei für Grünen-Landtagsabgeordnete Vahide Aydin. Sie ist schon seit vielen Jahren in Vorarlberg heimisch, wurde aber in einer der von der Katastrophe betroffenen Regionen geboren. Elf große Provinzen und damit Millionen von Menschen seien von dem Ereignis betroffen gewesen und seien dies auch heute noch, erzählt Aydin. Es werde noch länger dauern, ehe die Katastrophe überwunden und deren Auswirkungen beseitigt seien. Auch die Betroffenen würden wohl noch Jahre brauchen, um das erlebte Trauma aufzuarbeiten. Zumal es mittlerweile Berichte in türkischen Medien gebe, nach denen es eine sehr hohe Dunkelziffer bei der Zahl der Opfer gebe. Mehr als doppelt so viele Menschen wie nach offiziellen Angaben sollen demnach ums Leben gekommen sein.

Die Hilfe, die es aus Vorarlberg für die Türkei gegeben hat, sieht die Politikerin positiv. Dadurch sei das Verhältnis zwischen der einheimischen und der türkischstämmigen Bevölkerung gestärkt worden, glaubt sie: „Man hat gesehen, dass man sich in Krisenzeiten aufeinander verlassen kann.“

Grünen-Landtagsabgeordnete Vahide Aydin wurde in der vom Erdbeben betroffenen Region geboren. <span class="copyright">Hartinger</span>
Grünen-Landtagsabgeordnete Vahide Aydin wurde in der vom Erdbeben betroffenen Region geboren. Hartinger

Doch natürlich haben die freiwilligen Helferinnen und Helfer bei der Arbeit nach der Erdbebenkatastrophe nicht nur positive Erfahrungen gemacht. Diese wurden nach der Rückkehr nach Vorarlberg gemeinsam aufgearbeitet. „Es gab auch die Möglichkeit für alle Beteiligten, sich Unterstützung beim IfS (Anmerkung: Institut für Sozialdienste) zu holen, wenn sie diese brauchen.“ Gebrauch habe davon jedoch niemand gemacht. Die Einsatzkräfte sind es schließlich auch bei ihrer Tätigkeit für die jeweilige Blaulichtorganisation gewohnt, mit herausfordernden Situationen und negativen Erlebnissen umzugehen.

Darüber sprechen

Über das Erlebte zu sprechen, ist aus Sicht von Mayr hilfreich. Das hätten die Teammitglieder im Nachgang auch getan. Nicht nur miteinander, sondern auch im Rahmen von unterschiedlichsten Veranstaltungen. So waren Vertreter von Saruv etwa bei Feuerwehren, beim Dornbirner Montagsforum, bei der Kirche, bei Vereinen und anderen Organisationen zu Besuch, um von ihrem Einsatz in der Türkei zu berichten.

Zusammenhalt

Auch zu zahlreichen Dankesveranstaltungen waren die Helferinnen und Helfer nach ihrer Rückkehr eingeladen. Positiver Stress sei das gewesen, wie Mayr mit einem Lachen meint. Das habe ebenfalls beim Verarbeiten des Erlebten geholfen. Dazu hat der Einsatz im Katastrophengebiet aus Sicht des Feuerwehrmanns auch den Zusammenhalt im Team gestärkt – sowohl bei jenen, die vor Ort waren, als auch jenen, die von Vorarlberg aus Unterstützung geleistet haben. Nicht zuletzt habe es auch Gelegenheit gegeben, im ­Katastrophengebiet neue ­Freundschaften zu knüpfen. Es sind also vor allem die positiven Erinnerungen, die den Helfern im Gedächtnis geblieben sind.

Ein 15-jähriges Mädchen wurde nach 110 Stunden lebend geborgen. Sie ist mittlerweile bei ihrer Tante in Istanbul. <span class="copyright">Mathis</span>
Ein 15-jähriges Mädchen wurde nach 110 Stunden lebend geborgen. Sie ist mittlerweile bei ihrer Tante in Istanbul. Mathis

Weitere Vorarlberger

Das Saruv-Team war im Februar 2023 übrigens nicht die einzige Vorarlberger Beitrag zu den Rettungsmaßnahmen nach dem Erdbeben. Zwei weitere heimische Feuerwehrleute waren als Teil der gemeinnützigen Hilfsorganisation „@fire – Internationaler Katastrophenschutz Deutschland e.V.“ am Einsatz in der Türkei beteiligt. Auch den deutschen Helfern ist es in der Türkei gelungen, Menschenleben zu retten.