Die geringe Dynamik im Dynamic Ticket-Pricing

Wer einen Tag Ski fahren möchte, muss mitunter tief in die Tasche greifen. Besonders zu Buche schlagen die Preise in der Silvretta Montafon.
In den 1970er-Jahren wedelten Skifahrer über die TV-Bildschirme und brachten in der Sendung „Sportmosaik“ den Zuschauern daheim das „Schussfahren“, den „Grundschwung“ oder auch den „Schneepflug“ bei. Franz Klammer zeigte in der Sendung „Tele Ski“ im Bayerischen Rundfunk die richtigen Übungen für gekonnte Akrobatik auf der Piste, und Rosi Mittermaier, teils gemeinsam mit ihrem Mann Christian Neureuther, brachte die Abfahrtshocke und das Wegfedern von Buckeln in der Sendung Tele-Gym in die heimischen Wohnzimmer. Skifahren entwickelte sich nicht nur zum Volkssport, sondern gar zur Volkskultur.
Preisschock auf der Piste: Skipässe werden zum Luxusgut

Das ist nun Geschichte. Immer weniger Vorarlberger Kinder lernen Skifahren. Schuld daran laut aktuellen Umfragen: die gestiegenen Preise für das Winter-Vergnügen. Wer weiß, dass die Familie ski-affin ist und häufig die Hänge hinunter sausen möchte, kauft vermutlich eine Saisonkarte im Vorverkauf. Auch, wenn die Preise dafür im Schnitt um zehn Prozent gestiegen sind – für Vielfahrer gibt es lukrative Angebote. Kinder unter zehn Jahren erhalten im Montafon und Brandnertal eine kostenlose Saison- und Jahreskarte. „Damit sind wir die Einzigen in Österreich”, stellte Peter Marko, Geschäftsführer der Silvretta Montafon, im November 2023 in einem Interview mit den VN klar. Wer allerdings weniger regelmäßig an den Berg möchte, muss bedeutend tiefer in die Tasche greifen. Am Arlberg zahlt ein Tagesfahrer beispielsweise stolze 75 Euro für den Skipass. Der Verbund Montafon-Brandnertal greift auf das sogenannte „Dynamic Pricing“ zurück. Je nach Nachfrage kostet der Skipass verschieden viel, wer früh bucht, hat Zugriff auf günstigere Tickets.
Was in der Theorie gut und lukrativ klingt, hat Schwächen in der Praxis. Bucht man eine Tageskarte in der Silvretta Montafon für den heutigen Sonntag am Abend zuvor, muss man auch dort 75 Euro hinlegen. Damit ist der Skipass genauso teuer wie im mit über 300 Pistenkilometern größten Skigebiet Österreichs, dem Arlberg. Bucht man den Pass taggleich, ist gar davon auszugehen, dass er noch teurer ist. So kostete am Montag, 29. Jänner, eine Tageskarte im Skigebiet taggleich 76,50 Euro. Das Wetter an diesem Tag laut Lawinenlagebericht, der archiviert einsehbar ist: „wolkenlos, beste Fernsicht und windschwach bis ins Hochgebirge“. Traumbedingungen also. Anders am wohl eher wenig frequentierten Mittwoch, dem 31. Jänner. Der Himmel war an diesem Tag dick wolkenverhangen, die Tageskarte mit 75,50 Euro aber wohl eher weniger den Wetterbedingungen „dynamisch“ angepasst. Auf Anfrage, die Durchschnitts-Tageskarten-Preise des heurigen Winters herauszugeben, kam bis Redaktionsschluss keine Reaktion seitens der Silvretta Montafon. Die eingeräumte Beantwortungszeit mit fünf Tagen: wohl durchaus angemessen.

Dynamisches Preissystem: Lockangebot oder faire Preisgestaltung?
Auch an Tagen in der Vorsaison und während des berühmten Jänner-Lochs pendelte der Preis bei um die 70 Euro – für den Skifahrer nicht klar erkennbar an die Nachfrage und die Wetterbedingungen angepasst. Eine Varianz also von nur wenigen Euros zu rappelvollen Tagen im Skigebiet. Ein weiteres Beispiel: Am gestrigen Samstag kostete die Tageskarte 75 Euro. Und das, obwohl das Skigebiet wie leergefegt wirkte. Die NEUE erfuhr zudem, dass es sich bei diesem Tag in der Silvretta-Montafon-Gastronomie um einen der umsatzschwächsten Tage der Saison handelte. Keine Spur also von der Notwendigkeit für Regulationsmaßnahmen, die ein völlig überfülltes Skigebiet verhindern sollen und die Anstürme der Tagestouristen verhindern müssen. Es entsteht beinahe der Eindruck, das dynamische Preissystem könnte als eine Art Lockangebot verstanden werden. Wie also kommen die dynamischen Preise zustande und wie rechtfertigt sie das Skigebiet?
„Das dynamische Preismodell funktioniert auf Basis eines Algorithmus, welcher die Preise für die Skitickets jeden Tag neu berechnet. Dabei spielen Faktoren wie unter anderem die Saison (Haupt- oder Nebensaison), der Wochentag, das Buchungsdatum und die Nachfrage für den jeweiligen Tag eine Rolle“, heißt es auf der Webseite der Silvretta Montafon. Die Nachfrage, die am gestrigen Samstag gering war, widerspricht dieser Begründung und legitimiert wohl kaum, dass das mit 140 Pistenkilometern nur halb so große Skigebeit den selben Preis zugrunde legt wie die Konkurrenz am Arlberg.

Die Einheimischen zeigen sich entsetzt über die Preise der Tageskarten. Wer nur wenig Zeit habe, müsse tief in die Tasche greifen und zahle ebenso viel wie der anreisende Tourist. Das Fehlen eines Einheimischen-Rabatts: ein wunder Punkt im Tal. Wie soll so der Skisport wieder zum Kulturgut werden?
Sind auch die Preise schwer nachvollziehbar, muss an dieser Stelle durchaus erwähnt werden, dass das Skigebiet sich die Nachwuchsförderung groß auf die Fahne geschrieben hat. Mit kostenlosen Schulskitagen und Skikursen für einheimische Kinder tragen die Verantwortlichen zum Erlernen des Sports bei. Ob das aber zu einer größeren Kaufbereitschaft der Eltern und später bei ihnen selbst führt, bleibt durchaus fraglich.