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„Einkaufszettel sind auch Stimmzettel“

23.03.2024 • 18:56 Uhr
Tierschützerin Tierschutz Tierschutzaktivistin Sandy P Peng
Ein Herz für alle Tiere: Sandy P. Peng ist Aktivistin unter anderem beim VGT. Klaus HArtinger

Der Verein Gegen Tierfabriken (VGT) deckte in den vergangenen Monaten besonders zahlreiche Missstände in Sachen Tierwohl auf. Aktivistin Sandy P. Peng über das Systemversagen, die Verantwortung des Handels und die Sensibilisierung der Gesellschaft.

In letzter Zeit gab es überdurchschnittlich viele Aufdeckungen. Woran liegt das?

Sandy P. Peng: Meinem Gefühl nach werden die Menschen mehr und mehr sensibilisiert. Sie schauen genauer hin und wissen auch, an wen sie sich wenden können, wenn sie Missstände entdecken. Wir bekommen wahnsinnig viele Meldungen, bearbeiten jede einzelne. Veröffentlicht wird aber tatsächlich nur ein Bruchteil der Fälle.

Wie gehen Sie nach einer Meldung weiter vor?

Peng: Wir besprechen sie im Team, vor allem auch mit unseren wirklich sehr guten Juristen. Je nachdem werden sie weiterverfolgt und zur Anzeige gebracht, wenn es ganz extreme Fälle sind, werden sie veröffentlicht. Oft kann man aber auch gar nichts machen. Leider.

Warum das?

Peng: Ganz viele schlimme Zustände können nicht angezeigt werden, weil sie im System normal und legal sind. Trotzdem aber grausam. Viele Menschen sind entsetzt und können das nicht verstehen, aber innerhalb der Gesetze kann man einfach nichts machen.

Wo liegen die Probleme?

Peng: Ich spreche ganz klar von einem Systemversagen. Tierärzte, Landwirte, Kontrollorgane sind teilweise überfordert. Der Preisdruck seitens des Handels ist immens – da ist einfach kein Tierwohl möglich. Unsere Aufgabe ist es, die Missstände zu melden, aber irgendjemand muss jetzt einfach mal den Anfang machen und etwas ändern. Es ist höchste Eisenbahn, und es wäre besser für alle. Behörden, Handel, Landwirte und auch die Konsumenten haben eine Verantwortung.

Tierschützerin Tierschutz Tierschutzaktivistin Sandy P Peng
Tierschützerin Sandy P Peng Klaus Hartinger

Stichwort Konsumenten: Das Fleisch wird ja auch zu Schleuderpreisen gekauft. Legt der Konsument Wert auf Tierwohl?

Peng: Durchaus! Ich selbst lebe seit vielen Jahren vegan, unterhalte mich aber oft mit Fleischessern. Ihnen ist es wichtig, zu wissen, was sie essen, sie wollen diese Aufdeckungen! Insofern erhalten wir auch viel Zuspruch. Die Konsumenten bedanken sich bei uns für die Aufdeckungen, weil ihnen oft gar nicht klar war, dass das Tier, dessen Fleisch sie verzehren, monatelang in seinem eigenen Kot und Urin gelebt hat, wie das etwa beim Vollspaltenboden in der Schweinehaltung der Fall ist. Vielen Menschen ist das gar nicht bewusst. Man sieht ja auch nirgends ein Schwein, weil sie großteils in diesen Tierfabriken leben. Ihr erstes Tageslicht sehen sie oft erst auf dem Weg zum Schlachthof. Viele von ihnen sind schwer krank. Will man das wirklich essen? Das ist doch eine Zumutung.

Der VGT

Verein Gegen Tierfabriken
Auf Missstände aufmerksam zu machen, sie teils auch anzuzeigen und zu veröffentlichen, ist die Mission des Vereins Gegen Tierfabriken, der in ganz Österreich aktiv ist. Mitmachen kann jeder. Informationen über Tierschutz und Handlungsmöglichkeiten gibt es auf www.vgt.at.

Nachdem solche und andere Missstände aufgedeckt wurden – wie geht es weiter? Prüfen Sie die Ergebnisse?

Peng: Ich messe den Erfolg der einzelnen Aufdeckungen in erster Linie daran, dass eine breite Öffentlichkeit davon erfährt. So haben die Konsumenten die Möglichkeit, zu entscheiden, was sie wollen. Jeder Einkaufszettel ist ja auch ein Stimmzettel für oder gegen das Wohl der Tiere. Wie es rechtlicht weitergeht, davon erfahren wir nicht immer. Ich habe auch keine hohe Erwartung. Kontrollen passieren natürlich, selten gibt es mal eine Tierabnahme oder eine Gerichtsverhandlung, aber wirkliche Konsequenzen sind selten.

Woran liegt das?

Peng: Nun ja, jene die kontrollieren, sind ja im Vorfeld mitverantwortlich und geben deshalb eher ungern zu, dass etwas nicht stimmt. Die Behördenvertreter sind oft Teil der Landwirtschaft und möchten dementsprechend nicht, dass diese Schaden davonträgt. Zudem sind sie auch teilweise überfordert, haben Personalmangel. Sie haben große Gebiete und nicht die Möglichkeit, regelmäßig und unangekündigt zu prüfen, sind oft an der Belastungsgrenze. Und dann gibt es in manchen Fällen wohl auch eine Freunderlwirtschaft.

„Viele Schweine sind schwer krank. Das zu essen, ist doch eine Zumutung.“

Sandy P. Peng, Tierschützerin

Gibt es Lösungsansätze?

Peng: Zum Einen müssen die Menschen begreifen, dass Schweine oder Rinder genauso Tiere sind wie Hunde oder Katzen. Würden vermeintliche Haustiere so leben wie viele Nutztiere, wäre der Aufschrei gewaltig. Das ist aber total absurd, weil alle Tiere die selben Gefühle haben. Weiters sehe ich den Handel ganz stark in der Verantwortung, weil er, wie gesagt, die Preise enorm drückt und damit auch die Landwirtschaftsbranche. Der Konsument muss entscheiden, wie oft er Fleisch isst und wo er es kauft. Das Argument, Fleisch vom Metzger sei so teuer, verstehe ich zwar, aber man muss doch nicht jeden Tag Fleisch essen. Das hat man früher auch nicht getan, und trotzdem wurde jeder satt. Die Behörden müssen außerdem unabhängig, engmaschig und unangekündigt kontrollieren. Und zu guter Letzt muss die Landwirtschaft auf ihre Betriebe schauen und Möglichkeiten anbieten, dass Landwirte, die überfordert sind, Unterstützung bekommen. Manche wollen vielleicht sogar aussteigen, wissen aber nicht, wie. Da wäre eine Ausstiegsprämie sinnvoll statt einer Förderung zum Weitermachen. So wird das System nur künstlich am Leben erhalten.

Tierschützerin Tierschutz Tierschutzaktivistin Sandy P Peng
Das Peng-Mobil: Damit macht Sandy auf den VGT, Sea Sheperd oder auch Vegane ernährung aufmerksam. Klaus HArtinger

Kann man eigentlich Labels wie das AMA-Gütesiegel noch ernst nehmen?

Peng: Gerade das AMA-Gütesiegel ist durch die ganzen Aufdeckungen stark in der Kritik, und das verstehe ich auch. Die meisten Betriebe, die Aufsehen erregt haben, trugen es ja. Da fühlen sich die Konsumenten, die auf so etwas schauen, zu Recht verarscht.

Was steht denn heuer noch auf Ihrer Tierschutz-Agenda?

Peng: Im Fokus des VGT stehen Rinder und Schweine. Da insbesondere die Vollspaltenböden, weil es heuer eine politische Entscheidung geben sollte, also machen wir verstärkt darauf aufmerksam.

Letzte Frage: Wie gehen Sie mit Anfeindungen um?

Peng: Die gibt es natürlich, und es ist gewöhnungsbedürftig. Viel kommt auf der Straße, bei Veranstaltungen oder über anonyme Briefe. Manche fühlen sich vielleicht ungerecht behandelt. Man lernt aber, das von sich abprallen zu lassen. Und eines muss auch klar sein: Selbst, wenn ich aufhöre, füllen fünf andere die Lücke!