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Glocken als eloquente, leise Stimmen

25.03.2024 • 18:57 Uhr
Martina Morger_Johanniterkirche
Martina Morger und der Kurator Arno Egger in der Johanniterkirche. Miriam Jaeneke (3)

Mit Glocken will Martina Morger in ihrer Installation erinnern und Geschichten erzählen. Bis 25. Mai ist „Bella Bells“ in der Johanniterkirche Feldkirch zu sehen.

Die Johanniterkirche steht bekanntlich mitten in Feldkirchs Innenstadt. So mittendrin, dass, wer an Markttagen die Kirche betreten will, direkt den Blumenstand mit seinem betörenden Duft passiert. Man zieht an der knarrenden Kirchentür – und ist vollkommen anderen Reizen ausgesetzt. Kühl ist es und riecht leicht modrig. Neugierige gehen den Steg hinab ins Kirchenschiff.

Hier wurde in den 1980ern gegraben. 25 Gräber mit Skeletten hat man gefunden – das gesuchte von Hugo von Montfort nicht. Dieser hatte die Kirche einst gestiftet. Dass Hugos sterbliche Überreste hier nicht ausfindig gemacht werden konnten, bezeichnet Arno Egger als Glück. Denn so sind einerseits Ausgrabungsspuren sichtbar geblieben. Andererseits hat ein Verein rund um Arno Egger, Karin Guldenschuh, Roland Adlassnigg und Paul Bianchini die Möglichkeit, Installationen (Kirchen-)Raum zu geben. Drei bis vier Ausstellungen moderner Kunst im Jahr sind es in der Johanniterkirche, zwei von regionalen Künstlern, zwei von internationalen.

Martina Morger_Johanniterkirche

Gesammelt im Sand

Im Augenblick ist die 1989 in Liechtenstein geborene Martina Morger mit einer Installation zu sehen: Glocken liegen in aufgeschütteten Sand gebettet. Sie sind aber nicht einfach dorthin gelegt. Sie haben ein voriges Leben, etwa als Tischglocke, Schulglocke, Schiffglocke, als Kuh-, Schaf- oder Ziegenglocke. „Die Installation geht nur bis Mai, die Glocken müssen wieder auf die Alm!“, sagt Morger nur halb im Scherz. Manche der Glocken sind geliehen, andere geschenkt oder ersteigert, an allen möglichen Stellen, auch übers Internet. Sie sind gegossen, getrieben, in der Fabrik hergestellt, Morger hat sie gesammelt und teils golden angemalt. Sie haben ganz unterschiedliche Formen, sind rund, länglich, groß, klein. Bei 1000 hat die Künstlerin aufgehört zu zählen.

Martina Morger_Johanniterkirche

Die Glocken sind locker in Gruppen von jeweils mehreren Individuen angeordnet und so über einige Meter, Schleifspuren hinterlassend, in den Sand gebettet. In dieser Form wirken sie nicht massiv. Eher meditativ, woran auch der hinzukommende Klang nichts ändert: Einige Glocken hat Morger für die begleitende Akustik einzeln aufgenommen. Einige Minuten ist Stille, dann ertönt die nächste Glocke. „Den Kirchenraum selbst, die Geräusche von außen, wenn die Stadt hereintönt, können wir so auf uns wirken lassen“, erklärt Morger. Der Klangteppich verstärkt in seiner Wirkung den ruhenden Glockenteppich.

Inklusive Räcuherservice

Eine weitere Sinneserfahrung kommt hinzu: Der Kurator Arno Egger räuchert regelmäßig im Kirchenraum. „Wenn wir den Künstlern und Künstlerinnen schon kein Riesenbudget bieten können, dann müssen wir mit unserem Service punkten“, sagt er schmunzelnd. Die Räuchermischung wurde extra für die Ausstellung entwickelt. „Zusammen mit Christoph Frick vom Geschäft Oase habe ich eine Duftmischung entwickelt, die Orangenblüte sowie etwas Metallisch-Herbes wie das Eisenkraut beinhaltet. Letztlich besteht die Mischung nun aus zwölf Komponenten. Ich arbeite oft multimedial, auch, weil ich es interessant finde, wie sich Materialien transformieren können.“

Glocken in einer Kirche, das scheint zunächst naheliegend. Aber Pferdegerölle? Gesetzesglocken, Musikinstrumente, Dekoglocken? „Glocken werden immer noch zur Bekanntmachung, zum Aufruf verwendet. Außerdem dienen sie auch zur Warnung vor Gefahr, werden als Lockruf und zur Konditionierung eingesetzt. Glocken dienten und dienen der Strukturierung von Zeit und der Aufrechterhaltung von Hierarchien in der Kirche. Auf ihr Signal hin findet Aktion oder Einschränkung statt“, beschreibt Morger, die sich über ein Jahr immer wieder mit dem Thema Glocken beschäftigt hat.

„Mein erster Impuls auf Arnos Einladung, hier in der Johanniterkirche auszustellen, war, diesen provisorisch gelassenen Kirchenraum zu füllen. Aber ich habe mich dann dazu entschieden, stattdessen den Zwischenraum und Schwebezustand in dieser Kirche herauszuarbeiten. Ich wollte nicht das Spektakel bedienen.“ Morger denkt auch über Kunst in der Kirche nach: „Zum Gottesdienst wie zur Vernissage kommt man zusammen, gemeinsam glaubt man an etwas, es gibt einen Fokus auf den Sprechenden. Und es ist ein Raum der Einkehr, der Stille, der Bestärkung, vielleicht der Erkenntnis.“