“Josef ist wie ein Opa für mich”

Aron Loacker pflegt seinen an Demenz erkrankten Freund Josef Rechberger. Über die Herausforderungen von Pflege zu Hause und ein Projekt des Landes mit Verbesserungspotenzial.
Demenzpatienten kämpfen gegen das Vergessen. Die Merkfähigkeit schwindet zusehends, je weiter die Erkrankung fortschreitet. Plötzlich vergessen sie den Namen vertrauter Personen oder finden sich verwirrt in eigentlich ganz alltäglichen Situationen wieder. Auch Josef Rechberger erhielt die Diagnose Demenz. Aron Loacker ist immer an seiner Seite, wenn er kann.
An das Kennenlernen der beiden kann Josef sich noch erinnern: „Ich war immer im Messepark, und der Papa von Ulli (Arons Mutter), der war auch immer da. Dort sind wir zum Reden gekommen, er als Kärntner und ich als Oberösterreicher“. Aron fügt hinzu: „Dann haben auch meine Mama und ich Josef öfter getroffen. Da war ich noch klein“. Über die Jahre entstand eine enge Bindung zwischen den beiden. „Er ist wie ein Opa für mich“, unterstreicht Aron, wie sehr ihm Josef ans Herz gewachsen ist.

Diagnose Demenz
Mit fortschreitendem Alter bemerken Aron und seine Mutter allerdings, dass sich Josef oft wiederholt und vieles vergisst, was man ihm mitgeteilt hat. Als der damals 69-Jährige im letzten Jahr aufgrund einer Blutvergiftung im Krankenhaus behandelt wird, erhalten die Loackers schließlich Gewissheit: Josef hat Demenz. „Der Arzt sagte, dass er nicht mehr selbst wohnen kann. Entweder sollte er in ein Altersheim kommen oder zu uns“, berichtet Aron.
Er und seine Mutter übernahmen daraufhin die Pflege auf Josefs ausdrücklichen Wunsch hin selbst. „Dadurch kann er bei seinen Liebsten bleiben, wir können ab und an mit ihm rausgehen. So hat er einen schönen Lebensabend“, begründet der 20-Jährige.
Das ist eine Herausforderung, denn beide haben Vollzeitjobs. „Es muss immer jemand zu Hause sein, am besten 24 Stunden am Tag“, so Aron, der als Zivildiener selbst in einem Altersheim arbeitet. Aktuell sei es machbar, Josef zu pflegen, er und seine Mama sprechen sich ab. „Wenn ich am Vormittag etwas länger bei Josef bleibe, spreche ich das mit meinem Chef ab. Dann bleibe ich dafür am Abend länger.“
Das sei aber auch nicht immer möglich, erzählt Aron. „Wenn es viele Krankenstände gibt, muss ich früher da sein. Dann ist Josef allein zu Hause. Wir sprechen uns dann mit den Nachbarn ab, dass die ein Auge auf ihn haben.“

Keine leichte Aufgabe
Die Herausforderung für die Loackers, Josef zu pflegen, wird nicht kleiner. Seine Demenzerkrankung schreitet zunehmend fort. „Ich habe ihm am Tag des Interviews fünf Mal gesagt, dass ich zur NEUE gehe. Als ich gegangen bin, hat er mich noch mal gefragt, wohin ich gehe“, erzählt Aron.
Zusätzlich zur fortschreitenden Demenz hat der 70-Jährige körperliche Beschwerden. Bei einem Arbeitsunfall brach sich Josef den Oberschenkel, drei Wirbel und die Hand. „Ich war auf einem fahrbaren Gerüst, da habe ich schon gemerkt, dass das Ding umgefallen ist. Sechs Meter runter, ich habe mich mit der Hand noch abgefangen, sonst wäre ich mit dem Kopf auf den Beton geknallt“, erzählt Josef mit einem Lachen von dem eigentlich beängstigenden Erlebnis. „Ab und zu habe ich mehr Schmerzen. Ich spüre den Wetterumschwung immer“, berichtet der ehemalige Leasingarbeiter von den Auswirkungen des Unfalls, der schon einige Jahrzehnte zurückliegt.
Derzeit benötigt Josef laut Gutachten eine Betreuung von 128 Stunden pro Woche und ist auf Pflegestufe drei eingestuft. „Wir erwarten in naher Zukunft eine erneute Bewertung, um zu sehen, ob sich sein Pflegebedarf verändert hat“, informiert Aron.
Keine Anstellung möglich
Eine Entlastung für ihn und seine Mutter war in Sicht: Das Anstellungsmodell für pflegende Angehörige, das mit Anfang dieses Jahres in Vorarlberg an den Start ging. „Ich habe der Gesundheitslandesrätin, Frau Rüscher, geschrieben und ihr meine Bedenken mitgeteilt. Ihre Antwort war, dass das Projekt nur für Menschen mit Behinderungen gedacht ist und dass die Erkrankung im Zeitraum von 15 bis 65 Jahren liegen muss“, erzählt Aron.
Das Altersheim sei keine Option gewesen, so der Zivildiener. Zum einen seien die Plätze dort kostenintensiv, zum anderen sei das Pflegepersonal dort überlastet. Außerdem war es Josefs Wunsch, zu Hause gepflegt zu werden. Auch an eine Pflegekraft zu kommen, die Deutsch spricht, sei aufgrund des Personalmangels schwierig, berichtet der 20-Jährige.

Persönliche Assistenz
Auf Anfrage der NEUE am Sonntag schreibt das Büro von Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP): „Die Anstellung von pflegenden Angehörigen kann im Rahmen der persönlichen Assistenz erfolgen. Die persönliche Assistenz ist eine ambulante Dienstleistung, um Menschen mit Behinderung bei Tätigkeiten zu unterstützen, die sie auf Grund ihrer Behinderung selbst nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand alleine ausführen können.“
Laut dem Vorarlberger Chancengesetz zählt als Mensch mit Behinderung, wer „aufgrund einer nicht nur vorübergehenden Beeinträchtigung der körperlichen Funktion, geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“. Weiters heißt es: „Auch altersbedingte Einschränkungen können eine Behinderung sein, welche die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigen – dies ist aber eine Folge des Alters. Da die Behinderung nicht im Vordergrund steht, ist die Förderung durch den Fachbereich Chancengleichheit nicht möglich“.
Verbesserung gewünscht
Aron fühlt sich vom Land hängen gelassen. Die Anstellung pflegender Angehöriger findet er grundsätzlich gut, aber: „Ich würde mir wünschen, dass das Anstellungsmodell für alle zur Verfügung steht. Viele ältere Leute haben den Wunsch, zu Hause gepflegt zu werden“. Deshalb will der 20-Jährige auf das Thema aufmerksam machen: „Ich möchte den Menschen zeigen, dass Pflege auch von zu Hause aus möglich ist“.