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Unterwasserstation soll Menschheitstraum umsetzen

10.04.2024 • 06:30 Uhr
Unterwasserstation soll Menschheitstraum umsetzen
DEEP/ Andy Morgan & Richard Varcoe

Bis zum Jahr 2027 sollen Menschen im neuen Habitat „The Sentinel“ Hunderte Meter unter Wasser leben.

Nein, 20.000 Meilen unter dem Meer, von denen Jules Verne anno 1870 so gekonnt in seinem gleichnamigen utopischen Roman fantasierte, werden es nicht werden. Auch Kapitän Nemo wird nicht auf die Reise geschickt – spektakulär ist das Projekt „The Sentinel“ („Wächter“) aber jedenfalls: Das britische Meerestechnologie- und Explorationsunternehmen DEEP erschafft Hunderte Meter unter der Meeresoberfläche neuen Lebensraum.

Lebensraum für Forscher

Bis 2027 soll ein auf Modulen aufgebautes Habitat entstehen, das eine dauerhafte menschliche Präsenz unter den Ozeanen schafft – zunächst nur für Forscher. „Making Humans Aquatic“ („den Menschen aquatisch machen“), lautet das Motto. Mike Taylor​​​​, Leiter für strategische Partnerschaften bei DEEP im englischen Bristol, erklärt im Interview den Gedanken hinter dem Projekt: „Wir wollen den Zugang zum Meer grundlegend verändern – und hoffen, dass dies einen großen Fortschritt beim wissenschaftlichen Verständnis, der Erhaltung und der nachhaltigen Nutzung des Meeresökosystems bringt.“

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Es geht keinesfalls darum, ohne Respekt in den fragilen und vom Menschen ohnehin schon geschundenen Lebensraum unter Wasser einzudringen. Vielmehr wolle man mit „The Sentinel“ für besseres Verständnis sorgen: „Unser Ziel ist es, die Grenzen der Unterwasserforschung und das Wissen über die Ozeane zu erweitern. Wir wollen zu den globalen Bemühungen im Umwelt- und Meeresschutz beitragen“, betont Taylor besonders.

Vorgesehen sind Kajüten mit Dusche und WC, anpassbare Arbeitsbereiche, Forschungslabors sowie Sozial- und Essmodule. Das Habitat ist mehr oder weniger endlos für kurzfristige bis semipermanente Einsätze konfigurierbar – überall auf dem Festlandsockel und in bis zu 200 Meter Tiefe. Der Prototyp wird in einer Testanlage für kontrollierte Wasserumgebungen in Chepstow in Wales aufgestellt, dann geht es in die Ozeane.

Unterwasserstation soll Menschheitstraum umsetzen
DEEP/ Andy Morgan & Richard Varcoe

Die Vision

Am Ende soll so die jahrhundertealte Vision von einem Leben unter Wasser möglich werden – und der Mensch gewissermaßen „zurückkehren“: Bekanntlich entstammt das Leben insgesamt den Ozeanen und fand in unzähligen Evolutionsschritten zu einem Teil seinen Weg auf das Land.

„Der Bau hat bereits begonnen“, bestätigt Taylor, „wir werden die Druckkörper mit Roboterarmen in unserem Werk in Bristol in 3D drucken.“ Eben das, die Herstellung des mächtigen Druckkörpers, war nicht einfach: „Es gab Herausforderungen in der Materiallieferkette und in der geringen Anzahl von Herstellern, um etwas so Großes zu bauen“, bestätigt Taylor. Die 3D-Fertigungstechnik „Wire Arc Additive Manufacturing“ machte es schließlich erst möglich.

Wie wird die Station versorgt? „Unsere Energie wird vom Standort abhängig sein und darauf abzielen, den effizientesten Mix aus Energiespeicherung am Meeresboden und erneuerbarer Energie an der Oberfläche/unter der Oberfläche zu nutzen. Externe Batterien sorgen für eine Notstromversorgung“, erklärt Taylor. „Wir produzieren unser eigenes Frischwasser per Umkehrosmose-Anlage – und speichern das gesamte Abwasser vor Ort, bevor wir es am Ende der Missionen an die Oberfläche pumpen“. Es werden Lebensmittelvorräte für 28-Tage-Missionen gelagert sein, diese könnten für künftige, noch längere Missionen erweitert werden.

Unterwasserstation soll Menschheitstraum umsetzen
DEEP/ Andy Morgan & Richard Varcoe

“The Sentinel”

Es gibt rund um „The Sentinel“ – ein kosteneffizienteres Gegenstück zur Internationalen Raumstation ISS – sehr viel zu entdecken: Die Biodiversität unter Wasser ist – noch! – enorm, die Erforschung der Ozeane steht am Anfang. Nicht zuletzt die Entwicklung von Medizin auf Basis von bioaktiven Molekülen aus marinen Organismen hat enormes Potenzial.

Wird „The Sentinel“ nur Forschern zugänglich sein? Taylor sagt, es sei nicht ausgeschlossen, dass es auch einmal Habitate für Unterwasserurlauber geben wird. Der aquatische Mensch, ein haltbarer Traum.

Image shows an artist's impression of The Great Hall within a typical configuration of DEEP's Sentinel System. The space is flexible and configurable for different mission types, affording personal, collaborative and specialist task spaces.
DEEP/ Andy Morgan & Richard Varcoe
Unterwasserstation soll Menschheitstraum umsetzen
DEEP/ Andy Morgan & Richard Varcoe
Artist's impression of one of the bathroom layouts within DEEP's Sentinel System.
DEEP/ Andy Morgan & Richard Varcoe