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Eine kleine Geschichte über eine Umleitung

10.06.2024 • 10:22 Uhr
Neue Kopfkino Salmhofer Kolumne
Sonntags-Tagebuch von Heidi Salmhofer. NEUE

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Wieder einmal, wie so oft in meinem Leben, bin ich an einem bestimmten Ort nicht zur vorgegebenen Zeit angekommen. Zu spät deshalb, weil zu knapp aus dem Haus, den Abendverkehr nicht mitgedacht, und dann kam auch noch eine vorgeschriebene Umleitung, der ich selbstverständlich gehorsam gefolgt bin.

Ich bin grundsätzlich sehr vorbildlich in Sachen Einhaltung gesetzlicher Vorgaben. Ich halte mich an Geschwindigkeitsregeln, überquere keine Absperrungen, das Finanzamt sollte mir einen Orden verleihen, und Verbotsschilder sind für mich unüberwindbare Barrieren. Essen in der U-Bahn? Unmöglich. Rauchen in einem Lokal? Niemals. Mit dem Skilift schaukeln? Ich gehe doch nicht ins Gefängnis. Leinenpflicht ignorieren? Nicht mit mir. Egal was, ich schaffe es nicht, diesbezüglich eine Minirevoluzzerin zu sein. Immerhin sind Regeln nicht umsonst aufgestellt, und in den allermeisten Fällen haben diese auch einen durchwegs berechtigten Grund. Es lebt sich einfach besser zusammen, wenn es ein gewisses Grundkontingent an Regeln gibt. Eine Vorschrift umgehen? Nicht in meinen kühnsten Träumen! Ich organisiere mir lieber andere Abenteuer. Normalerweise. „Was? Du bist die Umleitung gefahren?“, wurde ich verwundert gefragt, „also ich bin einfach durch. Is’ alles offen“, – „Ja, aber da stand doch …!?“ – „Ach. Fahr einfach durch!“ Bei der Rückfahrt – ich gestehe – hab ich es dann getan.

Ich hab meine innere Stimme komplett ignoriert und bin weitergefahren. Mit Herzrasen, schweißgebadet und mit höchster Vorsicht bin ich die Straße entlang. Stoßgebete habe ich gesendet und war innert dreißig Sekunden voll der Reue. So was tut man nicht! Ich versuchte, mich selbst zu beruhigen, indem ich mir zuredete, dass nun Feierabend ist, niemand mehr baut und sowieso null Verkehr ist. Als mir mehrere Autos auf der anderen Seite entgegenkamen, fühlte ich mich ganz kurz verbunden mit diesen unerschrockenen Menschen. Die drei Minuten Fahrt kamen mir vor wie eine Stunde. Auf der anderen Seite angekommen, bemerkte ich dann: Die Umleitung war aufgehoben. Meine vermeintlich wagemutige Fahrt war gar keine. Haha, der Humor des Universums ist wunderbar lehrmeisterlich, und meine Schweißflecken unter den Achseln hätte ich mir ersparen können. „Lass es!“, hat mir das Universum mit dieser Fahrt zugeraunt, lass es sein. Erstens: Regeln machen durchwegs Sinn. Zweitens: Das hätte auch ziemlich schiefgehen können, und drittens: Wenn du verwegen sein willst, geh einfach nackig baden im Rhein!

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.