Allgemein

Reaktionen auf “Wish You Were Gay”-Billboards: Zwischen Toleranz und Kritik

13.06.2024 • 23:00 Uhr
Umfrage Kub
Helmuth Mäser empfindet Provokation nicht als Kunst. NEUE

Die Billboards des KUB sorgen für Gesprächsstoff. Die NEUE hat sich bei einem Lokalaugenschein angeschaut, ob das Thema Homosexualität tatsächlich noch polarisiert.

Wer derzeit die Seestraße entlang fährt, wird mit roten und blauen Schriftzügen begrüßt: „Wish you were gay.“ Eigentlich sind diese Worte kein überraschender Anblick im Juni, der auch als „Pride Month“ gilt und für den Kampf gegen Diskriminierung von unter anderem homosexuellen Personen steht. Doch die Installationen der aktuellen gleichnamigen Ausstellung der Künstlerin Anne Imhof im Kunsthaus (KUB) Bregenz sorgen wohl trotzdem für Gesprächsstoff unter den Bregenzern. Leser haben sich kritisch an die Redaktion gewendet. Das veranlasste die NEUE Vorarlberger Tageszeitung dazu, genauer bei den Passanten und Anrainern nachzufragen. Stößt ein derartiger Schriftzug immer noch auf breiten Widerstand? Oder sind dies nur einzelne kritische Stimmen unter vielen Befürwortern?

Umfrage KUB
Die aktuellen Billboards regen zum Nachdenken an. neue

Bei einem Lokalaugenschein zeigen sich die Passanten großteils gleichgültig. Doch es sind auch Kritiker darunter. Etwa stoßen die Billboards dem Dornbirner Rechtsanwalt Helmuth Mäser auf: „Ich halte nichts davon, wenn die Sexualität auf diese Art präsentiert wird.“ Für ihn ist dies Privatsache. Er betitelt es als „Wichtigtuerei“: Provokation hat für den 73-Jährigen nichts mit Kunst zu tun.

Isolde Hermann und ihr Partner zählen sich ebenfalls zur „alten Generation“, wodurch sie anders aufgezogen wurden. „Bei uns war das noch verboten“, erinnert sich die Bregenzerin zurück. Regenbogenparaden empfindet sie aufgrund der Häufigkeit und der offenherzigen Bekleidung als „maßlos übertrieben“. Gleichzeitig hinterfragt sie jedoch, ob die Teilnehmenden aufgrund der fehlenden Rechte auf die Straße gehen. Gleichzeitig weist sie auf die vorherrschende Akzeptanz in der breiten europäischen Bevölkerung hin. Die zwei kommen schließlich zum Schluss: „Leben und leben lassen.“

Isolde Hermann und Partner
Isolde Hermann und ihr Partner weisen darauf hin, dass sie noch aus der „alten Generation“ stammen, in der Homosexualität nicht erlaubt war. neue

Oft übersehen

Diesem Motto folgt auch die 20-jährige Alexa Mayer aus Wolfurt: „Ich bin da neutral eingestellt. Jeder, wie er mag.“ Diese Meinung vertritt auch ein 36-Jähriger aus dem Bregenzerwald: „Mir ist eigentlich egal, was auf den Plakaten steht.“ Er sieht die Billboards zum ersten Mal, da er selten in Bregenz ist.

Damit ist er nicht alleine. Einige Passanten reagieren überrascht, als die NEUE sie auf die Plakatwände anspricht. Einigen der Befragten sind sie gar nicht aufgefallen, andere fragen nach einer Übersetzung oder dem Hintergrund. Ein junges Pärchen versteht zwar den Inhalt, aber nicht den Zweck. Sie stellen die Überlegung an, dass die verantwortliche Künstlerin womöglich zu mehr Toleranz für Homosexuelle aufruft. Gleichzeitig stellen sie infrage, ob damit das Ziel jedoch erfüllt wird. „Doch wenn da ‚Wish You Were Gay‘ steht, heißt das ja, dass alle, die nicht ‚gay‘ sind, unerwünscht sind“, überlegen sie weiters laut.

Zum Nachdenken wurden ebenfalls Marina Hausmann (26) und Rebecca Brändle (36) angeregt. Auch sie haben sich nach dem Grund für die Schriftzüge gefragt. Die zwei Deutschen vermuten, dass die Aufschrift für mehr Toleranz für queere Personen aufruft. „Es gibt bestimmt viele Menschen, die sich darüber aufregen“, raten sie. Sie selbst gehören aber nicht dazu.

Umfrage
Daniel Maksimovic hat keine positive oder negative Meinung zu den Schriftzügen. „Jeder soll machen, was er will“, so der 26-Jährige.

Nicht gestört fühlt sich zudem Daniel Maksimovic aus Hard. Der 26-Jährige hat kein Problem mit der Aufschrift der Billboards. Auf den Inhalt bezogen meint er, dass „jeder machen soll, was er will, solange er niemandem seine Meinung aufzwingt.“ Er stehe der Installation neutral gegenüber.

“Schöne Botschaft”

Der gleichen Meinung ist Ivan Iasella aus Dornbirn. Aktuell sei der 22-Jährige nur selten in Bregenz anzutreffen, da das Wetter zuletzt nicht so mitgespielt habe. Deswegen seien ihm die Plakate noch nicht aufgefallen. Beim ersten Betrachten äußert er die Vermutung, dass es bestimmt Leute gibt, denen die Billboards nicht gefallen, anderen wiederum schon. Abschließend sagt er: „Eine schöne Botschaft – weiter aber nicht interessant für mich.“

Umfrage
Als „eine schöne Botschaft“ nimmt Ivan Iasella die Installation wahr.

Von Seiten des KUB wurden keine negativen Reaktionen auf die Installationen wahrgenommen. Im Gegensatz dazu spricht Martina Feurstein vom KUB von einem Erfolg bei verkauften Pos­tern und den Merchandise-Produkten. Auch die Ausstellung selbst käme sehr gut an.

Hintergrund des Schriftzuges

Doch welchen Hintergrund hat der Schriftzug? Übersetzt bedeutet er „Wünschte, du wärst homosexuell.“ Die ausstellende Künstlerin äußerte in einem Interview mit der „Zeit“ den Wunsch, dass „alle gay“ sein sollten. Dann gäbe es weniger Probleme und Unterdrückung, ist sie überzeugt. Der Titel der Ausstellung hat darüber hinaus mit ihrer persönlichen Erfahrung als queere Person in einer heteronormativen Welt zu tun.

Von Pauline Paterno und Laura Schwärzler

KUB 2024.02 Anne Imhof Wish You Were Gay 08 | 06 – 22 | 09 | 2024 am Donnerstag, den 6. Juni 2024, um 11 Uhr im Kunsthaus Bregenz begrüßen zu dürfen.
Die Künstlerin Anne Imhof polarisiert in Vorarlberg. Steurer