Österreich nicht mehr EU-beitrittsfähig? – „Das ist keinesfalls so“

EU-Rechtsexperte Walter Obwexer widerspricht Antikorruptionsexperte Martin Kreutner. Bundesstaatsanwalt für EU-Beitritt keine Voraussetzung.
Der Antikorruptionsexperte Martin Kreutner hat in der „ZiB 2“ mit Aussagen zum Justizsystem aufhorchen lassen, wonach Österreich „heute nicht mehr EU-aufnahmefähig wäre“. Grund dafür sei, dass am Ende der Weisungskette der Staatsanwaltschaften die Justizministerin stünde. Dem widerspricht der Europarechtler Walter Obwexer von der Uni Innsbruck. „Das ist keinesfalls so.“ Es gebe auch andere Mitgliedstaaten, die keinen unabhängigen Bundes- oder Generalstaatsanwalt hätten.
Untersuchungskommission präsentiert Bericht
Kreutner war nach dem Auftauchen einer geheim angefertigten Aufnahme von Ex-Sektionschef Christian Pilnacek als Leiter einer Untersuchungskommission zu politischer Einflussnahme in der Justiz eingesetzt worden. Am Montag präsentierte das Gremium ihren Bericht. Darin wird unter anderem kritisiert, dass es bei prominenten – sogenannten clamorosen – Fällen, einen auch gesetzlich vorgeschriebenen anderen Verfahrensweg gibt. Dazu kämen noch kulturelle Defizite, also eine zu große Nähe von Teilen der Politik und Justiz. In der „ZiB 2“ vergab Kreutner diesem Spezifikum die Schulnote 4 bis 5, „allein durch das Faktum, dass ein staatsanwaltschaftliches Verfahren an ein politisches Organ rapportieren und fragen muss, ob gewisse Ermittlungsschritte erlaubt sind“.
Europarechtler widerspricht
Obwexer entgegnet, dass die Republik auch heute der EU beitreten könnte. „Österreich muss die Werte der Union einhalten, insbesondere die Rechtsstaatlichkeit. Mängel in Einzelfällen reichen nicht aus, um feststellen zu können, dass dies nicht der Fall ist“, so der Rechtsprofessor. Richtig sei zwar, dass die Kriterien der EU seit dem Beitritt verschärft worden seien, „aber sie sind noch so streng, dass es einen Generalstaatsanwalt braucht“.
Gesetzliche Berichtspflichten
Dass bei Personen und Fällen des öffentlichen Interessens andere gesetzliche Berichtspflichten greifen, verstoße auch nicht zwingend gegen den Gleichheitssatz, so Obwexer. „Man kann schon die Frage stellen, ob eine Unterscheidung nicht sachlich gerechtfertigt ist. Da haben die Mitgliedstaaten sehr wohl ein bestimmtes Ermessen.“ Es dürfe aber keine Besserstellung für Prominente geben. „Der Verfassungsgerichtshof hat bisher nie festgestellt, dass es eine Besserstellung ist.“