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Unbezahlbarer Einsatz: Ehrenamt in Österreich

18.08.2024 • 07:00 Uhr
Unbezahlbarer Einsatz: Ehrenamt in Österreich
Lena Markowitz und Stefan Bampi von der Rot-Kreuz-Abteilung Dornbirn. Stiplovsek

Gemeinnützige Organisationen in Österreich: Volkswirtschaftliche Wertschöpfung von bezahlter und freiwilliger Arbeit liegt bei 22 Milliarden Euro.

Durch gemeinnützige Organisationen werden in Österreich fast 840 Millionen Arbeitsstunden pro Jahr geleistet. Das zeigt eine Erhebung für den Nonprofit-Bereich, die Statistik Austria im Auftrag des Sozialministeriums erstellt hat. Rund 367 Millionen Arbeitsstunden waren bezahlt, 470 Millionen weitere entfielen auf ehrenamtliche Tätigkeiten. Die volkswirtschaftliche Wertschöpfung von bezahlter und freiwilliger Arbeit liegt demnach bei insgesamt rund 22 Milliarden Euro.

In Österreich sind mehr als 6000 Organisationen gemeinnützig tätig. Wobei ihre Arbeit alle gesellschaftlichen Bereiche, von sozialem Engagement über Gesundheit und Pflege bis zu Kultur und Sport. Der Wert ihrer Leistungen lasse sich deshalb anhand der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht angemessen darstellen, hielt das Sozialministerium fest.

Beeindruckende Zahlen

2021 gab es laut den Daten 283.300 Beschäftigungsverhältnisse im gemeinnützigen Bereich. Die 367 Millionen bezahlten Arbeitsstunden entsprechen rund 5,9 Prozent der Gesamtbeschäftigung und 5,2 Prozent aller geleisteten Arbeitsstunden in Österreich. Die gemeinnützigen Organisationen erzielten damit eine Bruttowertschöpfung von 12,1 Milliarden Euro.

30 Prozent der Wertschöpfung aus dem gemeinnützigen Bereich entfallen auf Sozialorganisationen, 23 Prozent auf das Gesundheitswesen. Die weiteren 47 Prozent verteilen sich auf Erziehung und Unterricht, Kunst und Kultur, Sport und sonstige Dienstleistungen.

Zahlen zum Ehrenamt

470 Millionen Stunden werden in Österreich ehrenamtlich geleistet.

3,8 Millionen Menschen haben sich in Österreich im Jahr 2021 in ihrer Freizeit ehrenamtlich engagiert.

6000 Organisationen sich in Österreich gemeinnützig tätig.

Rund 3,8 Millionen Menschen in Österreich haben sich 2021 zudem in ihrer Freizeit freiwillig engagiert. In der Erhebung wird der volkswirtschaftliche Wert dieser ehrenamtlichen Tätigkeit mit 10,2 Milliarden Euro angegeben. „Gemeinnützige Arbeit macht das bestehenden Angebot in Sozial- und Gesundheitseinrichtungen, Kultur- und Bildungseinrichtungen und vielen anderen Bereichen unserer Gesellschaft erst möglich“, sagte Sozialminister Johannes Rauch in einer Aussendung. „Mit der neuen Erhebung können wir erstmals in Zahlen ausdrücken, wie wertvoll diese Arbeit für die Gesellschaft ist.“ Für Rauch ist ehrenamtliches Engagement „ein Kit, der unsere Gesellschaft zusammenhält“.

Rotes Kreuz

Die Erhebung zeigt klar auf, wie sehr die Gesellschaft von Gemeinnützigkeit profitiert. Bei der größten humanitären Hilfsorganisation in Österreich, dem Roten Kreuz, engagieren sich neben mehr als 10.000 Hauptberuflichen auch 75.000 Freiwillige, 4400 Zivildiener und 570 Mitarbeiter im freiwilligen Sozialjahr. Und der Präsident des österreichischen Roten Kreuzes, Gerald Schöpfer betont die Bedeutung der Freiwilligkeit: „Die Zeitspenden sind ebenso wertvoll wie unbezahlbar. Für die 9,8 Millionen geleisteter Freiwilligenstunden im vergangenen Jahr kann man nicht oft genug danke sagen.“ Mit ihrem Einsatz seien Freiwillige eine tragende Säule der Gesellschaft und vieles wäre ohne sie nicht möglich.

Landeshauptmann Wallner

Eine aktuelle Erhebung zeigt erstmals die volkswirtschaftliche Bedeutung des Nonprofit-Bereichs in Österreich in Zahlen auf (siehe Bericht oben). In diesem Zusammenhang betonte Landeshauptmann Markus Wallner erneut auch die immense Bedeutung des Ehrenamts für Vorarlberg: „Der Nutzen des Ehrenamtes ist sehr groß – sowohl gesellschaftlich als auch volkswirtschaftlich.“ Wallner weiter: „Wenn man es für Vorarlberg in Zahlen gießen will, dann kann man die Monitoringstudie zu ehrenamtlichem Engagement hernehmen, die die FHV alle fünf Jahre im Auftrag des Landes durchführt. Jene aus 2019 sagt: Im Schnitt wenden Engagierte 5,5 Stunden pro Woche für ihr Engagement auf – hochgerechnet sind das gut 300 Stunden pro Jahr. Das wiederum entspricht einer Arbeitsleistung von über 40.000 Vollzeitbeschäftigten. Das sind deutlich mehr als die 40 größten Industriebetriebe Mitarbeitende, gut 34.000, in Vorarlberg beschäftigen.“

Landesweit decken laut Wallner über 5100 registrierte Vereine alle wichtigen Lebensbereiche ab. „Vorarlberg hat österreichweit eine der höchsten Quoten an Freiwilligentätigkeit“, informiert Wallner weiter.“ Mehr als die Hälfte der über 15-jährigen würden sich engagieren. Wichtige Motive seien Uneigennützigkeit, das Sozialleben, aber auch der individuelle Nutzen.

Interview Markus Wallner
Markus Wallner gibt seinen Input zum Ehrenamt. Rhomberg

Zur Gewinnung neuer Freiwilliger setzt das Land Vorarlberg auf eine breite Ehrenamtskampagne, zu der unter anderem „Danke-Abende“ für das Ehrenamt und die „aha plus“-App gehören, die Jugendliche für ihr Engagement belohnt.
„Die vielen Freiwilligen sorgen nicht nur für ein solidarisches Miteinander, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag für eine unvergleichlich hohe Lebens- und Freizeitqualität“, so Wallner. „Der ehrenamtliche Einsatz der Vorarlberger ist das Herzstück unserer Gesellschaft. Viele Bereiche unseres Zusammenlebens funktionieren nur durch diese Freiwilligenarbeit einwandfrei und reibungslos. Ich werde das Ehrenamt, das in Vorarlberg eine lange Tradition hat, weiterhin mit voller Kraft unterstützen.“

Interview mit Evrin Cam

Evrin Cam aus Mäder ist hauptberuflich Bankangestellte und ehrenamtlich unterwegs. Beim KIT steht die 42-Jährige Menschen in schwierigen Situationen bei.

Evrin Cam
Evrin Cam engagiert sich be der KIT. rob

Warum haben Sie sich entschieden, Freiwilligenarbeit zu leisten?
Evrin Cam: Ich kam an einen Punkt in meinem Leben, an dem ich mich mit dem Thema „Sinnhaftigkeit“ auseinandergesetzt habe. Ich entschied, dass ich mich neben meinem Hauptberuf auch sozial engagieren möchte. Es ist mir wichtig, meinen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, mich aktiv einzubringen und zu helfen.

Gab es spezielle Gründe dafür?
Cam: In meinem privaten Umfeld wurden Menschen und Familien durch das KIT betreut, und ich konnte sehen, wie wertvoll diese Unterstützung war. Ehrenamtliche Einsätze sind in verschiedensten Notsituationen eine wichtige Stütze für Menschen. Es war für mich bedeutend, Teil dieser Unterstützung zu sein und Menschen in schwierigen Momenten beizustehen.

Wie sind Sie zur Krisenintervention Vorarlberg gekommen?
Cam: Der Vater einer Freundin ist im Vorstand des KIT. Durch ihn habe ich viel über die Organisation erfahren und konnte mir ein gutes Bild von den Tätigkeitsbereichen machen. Ausschlaggebend für meine Entscheidung war, dass ich Menschen und Familien in Notsituationen unterstützen kann, die oft mit einer enormen psychischen Belastung einhergehen. Heutzutage ist Unterstützung in unserer Gesellschaft nicht immer selbstverständlich, besonders für Menschen, die kein großes soziales Umfeld haben und oft allein dastehen.

Hatten Sie noch weitere Optionen?
Cam: Eine zweite Option wäre das Rote Kreuz gewesen, da ich großen Respekt vor ihrer täglichen Arbeit habe. Ich bewundere jede einzelne Person, die sich dort freiwillig engagiert.

Fühlen Sie sich beim KIT gut aufgehoben?
Cam: Diese Arbeit mache ich nicht für Anerkennung, aber wir erhalten oft ehrliche Dankesworte von den betreuten Menschen und den Blaulichtorganisationen, und das ist am Ende das Wichtigste. Außerdem gibt es viele Fortbildungsmöglichkeiten österreichweit, die nicht nur fachlich, sondern auch persönlich eine Bereicherung sind.

Die Einsätze mit dem KIT können psychisch sehr belastend sein. Wie gehen Sie damit um?
Cam: Ich habe das Glück, privat in einem stabilen Umfeld zu leben, das mir Halt gibt, was in diesem Kontext sehr wichtig ist. Nach Einsätzen nutze ich die Heimfahrt, um meine Gedanken zu sortieren, mich abzugrenzen und abzuschließen. Die Belastung ist jedoch nicht zu unterschätzen, da jeder Einsatz seine eigene Tragik hat, oft verbunden mit dem Verlust eines geliebten Menschen. Es ist ein Balanceakt, und jeder im Team hat seinen eigenen Weg, damit umzugehen.

Was bedeutet Ihnen das freiwillige Engagement persönlich?
Cam: Ich bin froh, dass ich mich entschieden habe, mich ehrenamtlich zu engagieren. Diese Entscheidung hat nicht nur mein Bewusstsein für Freiwilligenarbeit verändert, sondern auch mich persönlich weiterentwickelt. Ich bin dankbar für die schönen Momente mit meinen Liebsten, die wir oft als selbstverständlich ansehen, es aber nicht immer sind.
Durch meine Einsätze wurde mir oft bewusst, wie schnell sich diese Momente verändern können und dass diese Selbstverständlichkeit plötzlich nicht mehr da ist.