Hospizarbeit mit Herz: Vertrauen, Nähe, Dasein

Margaritha Matt ist Koordinatorin der Hospizbegleitung in der Region Dornbirn. Die 57-Jährige über ihren persönlichen Weg, Ehrenamt, berührende Begegnungen und die Bedeutung von Menschlichkeit am Lebensende.
Hospizarbeit war nicht immer Ihr angestrebtes Ziel.
Margaritha Matt: Nein. Eine Freundin und Arbeitskollegin hat mir vor 20 Jahren gesagt: „Irgendwann möchte ich einmal zum Hospiz Vorarlberg.“ Ich dagegen habe in meiner Ausbildung vieles kennengelernt, bei dem ich mir dachte: Das mache ich nie! Damals war ich sehr engagiert in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Dass meine Freundin als junge Frau irgendwann in den Hospizbereich wollte, konnte ich nicht nachvollziehen.

Gab es ein Schlüsselerlebnis, das Sie zum Umdenken brachte?
Matt: 2019 hat mich selbst eine ziemlich heftige gesundheitliche Diagnose getroffen – und das hat meine Perspektive völlig verändert. Natürlich hatte ich mich schon früher mit dem Thema auseinandergesetzt, aber eher theoretisch. Erst durch die eigene Erfahrung wurde mir bewusst, wie wichtig es ist, das Leben zu genießen – jeden einzelnen Tag. Und während Corona wurde dann die Stelle frei: Die Kollegin, die zuvor über 20 Jahre dort war, ging in Pension und meine Freundin hat mir empfohlen, es zu versuchen. Da habe ich gesagt: Jetzt bewerbe ich mich – und los geht’s.

Ihre Aufgaben beim Hospiz Vorarlberg?
Matt: Ich habe unterschiedliche Aufgaben. Meine Hauptaufgabe ist die Koordination der Hospizbegleitung in der Region Dornbirn. Das Land Vorarlberg ist in sechs Regionen aufgeteilt, und jede hat eine Koordinatorin. Zu meiner Region gehören Dornbirn, Lustenau, Hohenems und Schwarzach. Ich betreue ein Team von 32 Ehrenamtlichen. Zusätzlich bin ich im Leitungsteam involviert.

Sie sind für die Einteilung verantwortlich.
Matt: Genau. Und auch für die Vernetzung mit unseren verschiedenen Partnern. Wir sind in Krankenhäusern vor Ort, haben täglich jemanden auf Bereitschaft, den die Stationen kontaktieren können, wenn Unterstützung gebraucht wird. Wir arbeiten auch mit Pflegeheimen und im ambulanten Bereich. Zusätzlich gibt es das stationäre „Hospiz am See“, die Trauerkontaktstelle und die Hospizbegleitung für Kinder und Jugendliche. Weiters mache ich auch die Einführung ins Praktikum sowie die Praktikumsbegleitung und -reflektion.
Wie erleben Sie den Austausch mit den Betroffenen?
Matt: Oft sehr berührend. Es ist spürbar, wie viel Unterstützung gebraucht wird – nicht nur im pflegerischen, sondern besonders im menschlichen Bereich: für Gespräche, spirituelle Themen oder einfach durch das Dasein. Letzteres ist oft das Wertvollste – für Betroffene und Angehörige.
Zur Person
Margaritha Matt, geboren am 16. Oktober 1968, engagiert sich seit zwei Jahrzehnten bei der Caritas Vorarlberg. Die 57-Jährige ist verheiratet und hat im Laufe ihrer langjährigen Tätigkeit vielfältige Aufgaben übernommen – vom Engagement bei der Young Caritas über die Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (Haus Said) bis hin zum Aufbau der Lerncafés. Auch im Fundraising setzte sie sich mit großem Einsatz für soziale Anliegen ein. Heute ist Matt in der regionalen Hospizbegleitung Koordinatorin in der Region Dornbirn sowie im Leitungsteam. Zu ihren Hobbys zählt sie Gartenarbeit und Musik, sie ist Sängerin in den Bands Body & Soul und Mia & anTon.
Die größte Herausforderung?
Matt: Wenn Kinder oder junge Erwachsene betroffen sind. Wenn Eltern von ihren Kindern Abschied nehmen müssen – oder umgekehrt. Diese Schicksalsschläge gehen besonders nahe, weil sie ganze Familiensysteme erschüttern.

Die Hospizbegleitung ist für Betroffene und Angehörige da.
Matt: Beides ist herausfordernd. Aber auch bereichernd. Angehörige sind oft dankbar, wenn sie entlastet werden – wenn jemand für zwei Stunden da ist und sie etwas anderes tun können.
Erfüllende Momente.
Matt: Wenn Vertrauen entsteht. Wenn ein Mensch trotz schwieriger Situation wieder ein Lächeln zeigt. Wenn glückliche Momente möglich sind. Darum geht es: Nicht immer nur an den Tod denken, sondern das Jetzt mit Leben füllen.

Hat sich durch die Arbeit Ihre Sicht auf das Leben und Sterben verändert?
Matt: Meine Sicht auf den Tod oder das Danach – die war für mich immer klar. Ich glaube, das Lebensbuch ist geschrieben, das Sterbedatum steht fest. Was sich verändert hat, ist meine Haltung zum Leben: Dass es so wichtig ist, die Zeit, die wir haben, bewusst zu nutzen und mit Leben zu füllen.
Wie gehen Sie mit der emotionalen Belastung um?
Matt: Die Natur hilft mir sehr. Mein Garten. Ich liebe es, in der Erde zu graben, zu säen, das Wachsen zu beobachten – und auch das Vergehen im Herbst. Das hat viel Symbolik. Und: Musik. Die hilft auch.
Befähigungskurs ehrenamtliche Hospizbegleitung
Für Menschen auf ihrem letzten Lebensweg da sein und ihnen Zeit und Nähe schenken – die Caritas Hospiz Vorarlberg sucht im ganzen Land Frauen und Männer, die sich ehrenamtlich engagieren möchten. Im Herbst startet ein neuer Befähigungskurs in Feldkirch.
Die rund 280 Frauen und Männer, die derzeit in den regionalen Hospizteams, im Hospizteam für Kinder und Jugendliche sowie im Hospiz am See ehrenamtlich Dienste leisten, sind eine wichtige Stütze für Hospiz Vorarlberg. Sie begleiten Menschen in ihrer letzten Lebensphase – zu Hause, im Krankenhaus oder im Pflegeheim – und sind auch für Angehörige da. „Dabei geht es nicht nur um die letzten Tage oder Stunden, sondern um einen viel längeren Zeitraum“, betont Margaritha Matt von Hospiz Vorarlberg. Gerade die Begleitung von demenzkranken Menschen kann sich über Jahre erstrecken. Um die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter optimal auf ihre Tätigkeit vorzubereiten, werden diese in fundierten Kursen geschult.
Am 9. September startet in Feldkirch ein neuer Befähigungskurs, der Mitte März 2026 mit einer Zertifikatsverleihung abgeschlossen wird. Der theoretische Teil umfasst vielseitige Themen wie zum Beispiel spirituelle Begleitung, rechtliche Aspekte sowie palliative Medizin und Pflege. „Auch für die Auseinandersetzung mit persönlichen Erfahrungen in Bezug auf Verlust und Trauer wird es im Kurs Zeit und Raum geben“, so Matt. Weiters sind Exkursionen zum Hospiz am See in Bregenz, zur Palliativstation und zum Krematorium in Hohenems geplant. Das 40-stündige Praktikum kann in einem Pflegeheim, bei einem Krankenpflegeverein oder im Rahmen von Bereitschaftsdiensten absolviert werden.
Alle Informationen zum Kurs und zu Hospiz Vorarlberg sind unter www.hospiz-vorarlberg.at zu finden.
Gibt es ein Erlebnis, das Ihnen besonders in Erinnerung ist?
Matt: Ja, ein Kunstprojekt mit der Kirche Dornbirn und der Krankenhausseelsorge: „Einen Koffer packen für die letzte Reise“. Menschen jeden Alters haben sich gefragt: Was würde ich mitnehmen? Natürlich kann man nichts mitnehmen – aber man kann überlegen, was im Leben wichtig ist. Familie war ein großes Thema. Manche Koffer blieben leer. Es war berührend, wie viele Besucherinnen und Besucher sich damit auseinandergesetzt haben.
Wie wichtig ist es, über das Sterben zu sprechen?
Matt: Sehr wichtig. Meistens denkt man erst darüber nach, wenn es einen selbst betrifft. Aber sobald man Sprache dafür findet und sich ausdrücken kann, verliert man die Angst. Deshalb braucht es Angebote – auch künstlerische –, die den Zugang erleichtern.

Wie erleben Sie die Zusammenarbeit im Team?
Matt: Gerade in Dornbirn habe ich viele engagierte Ehrenamtliche. Manche machen zwei Einsätze pro Woche und sind zusätzlich auf Bereitschaft. Es ist unglaublich bereichernd zu sehen, was Menschen freiwillig leisten.
Viele Organisationen und Vereine klagen über schwindendes Ehrenamt. Wie schaut es beim Hospiz Vorarlberg aus?
Matt: Bei uns ist das Interesse nach wie vor groß. Viele Menschen – oft rund um die 50 Jahre alt – tragen den Wunsch schon lange in sich und kommen dann in der Pension zu uns. Auch Jüngere engagieren sich, aber da ist es wegen des Berufs oft schwieriger. Genug Ehrenamtliche können wir aber nie haben. Wir freuen uns über alle, die mitwirken wollen.
Voraussetzungen für das Ehrenamt beim Hospiz?
Matt: Offenheit für das Thema. Sensibilität für Lebenssituationen. Und die Fähigkeit, sich selbst zurückzunehmen – nicht im Mittelpunkt stehen zu wollen.

Im Herbst beginnt der nächste Befähigungskurs für ehrenamtliche Hospizbegleiterinnen und Begleiter.
Matt: Ja. Wir führen Bewerbungsgespräche mit Interessierten, stellen Praktikumsplätze zur Verfügung, reflektieren Einsätze, evaluieren gemeinsam im Team und entwickeln den Kurs laufend weiter. Es sind 100 Theoriestunden plus 40 Stunden Praktikum – also ein großer zeitlicher Aufwand, der sich aber bezahlt macht.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft von Hospiz Vorarlberg?
Matt: Stabile finanzielle und personelle Ressourcen. Und dass Menschen, die unsere Hilfe brauchen, den Weg zu uns finden.
Stichwort Aktionstag.
Matt: Am 4. Oktober findet unser Aktionstag statt – unter dem Motto: „Am Ende ist nicht Schluss mit lustig.“ Ein humorvoller Zugang zum Thema – mit Clowns, Musik, Vorträgen und einem Humortrainer. Offen für alle – nicht nur für Betroffene!
Abschließend.
Matt: Ich stehe nicht im Mittelpunkt. Ich spreche hier für viele Menschen, die mit mir zusammenarbeiten. Hospizarbeit ist immer Teamarbeit. Ohne sie geht es nicht.