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Solovioline im Dialog mit dem Orchester

19.08.2024 • 19:59 Uhr
Orchesterkonzert 4, Symphonieorchester Vorarlberg
Orchesterkonzert 4 des Symphonieorchester Vorarlberg Dietmar Mathis

Beim Matinee zum Abschluss der Festspielsaison spielte das Symphonieorchester Vorarlberg Werke von Dvořák, Adámek und Beethoven unter der Leitung des Dirigenten Leo McFall.

Eine spritzige Ouvertüre von Antonín Dvořák, das ungewöhnliche Violinkonzert des tschechischen Komponisten Ondřej Adámek und Beethovens „Pastorale“ bildeten das Programm, mit dem das Symphonieorchester Vorarlberg (SOV) unter seinem Chefdirigenten Leo McFall traditionell am letzten Festspielsonntag seine Begeisterungsfähigkeit und Spielfreude zeigte.

Mit Temperament

Die Schlagwerker, die später bei Adámek mit einem großen Instrumentarium eingesetzt wurden, hatten auch schon bei Dvořák ihren großen Auftritt, denn mit Pauken, Schellentrommeln und Beckenschlägen feiert dieser in seiner großen Konzertouvertüre „Carneval“ das Leben (so der ursprüngliche Titel). Das SOV musizierte unter Leo McFalls klarer Zeichengebung mit Temperament und Schmiss, erging sich natürlich auch in der Melodienseligkeit der Holzbläserfarben (wie in der neunten Symphonie tritt der warme Klang eines Englischhorns hervor) und eines silbrigen Violinsolos von Konzertmeisterin Michaela Girardi. In der Schlussstretta brachte der Dirigent sein Orchester zum Fliegen.

Orchesterkonzert 4, Symphonieorchester Vorarlberg
Die deutsche Geigerin Franziska Hölscher überzeugte als Solistin.Dietmar Mathis

Ende Juli hatte Ondřej Adámek als Auftragswerk auf der Werkstattbühne auch seine einstündige Oper „Unmögliche Verbindung“ zur Aufführung gebracht (die in dieser Zeitung leider nicht besprochen werden konnte). Ging es darin um verschiedene Formen der (Nicht-)Kommunikation, so tritt auch in seinem Violinkonzert „Follow me“ von 2016 (revidiert 2019) die Solovioline in einen besonderen Dialog mit dem Orchester.

Die deutsche Geigerin Franziska Hölscher übernahm souverän diesen höchst anspruchsvollen Part: In einem langen Soloeinstieg werden Grundelemente vorgestellt, ein breiter, mit starkem Vibrato vorgetragener Ton steigt mit einem Glissando auf, die Figur wird wiederholt, leicht verändert, beschleunigt, die Solistin lädt die Konzertmeisterin zum Wettstreit (einer der Ursprünge des Begriffs „Concertare“) ein, andere Instrumente nehmen den Ball auf. Das Motiv verändert sich, Tierstimmen, Naturlaute und Echowirkungen tönen aus dem konzentriert und fantasievoll agierenden Orchester.

Immer mehr Klangfarben holt der Dirigent heraus, nimmt das Orchester dann zurück, aus der Stille klingen die gestopften Blechbläser und Schlaginstrumente wie ein asiatischer Klangkörper. Aus der „Aufforderung zum Spiel“ wird ein aggressiver Kampf, in dem das Soloinstrument unterzugehen droht – Zitate, die die Filmmusik zu Hitchcocks Psychodramen heraufbeschwören, die Glocken des Big Ben verfremden und mit fauchendem Atem im Nichts vergehen, charakterisieren diesen Mittelteil.

Orchesterkonzert 4, Symphonieorchester Vorarlberg
Das Symphonieorchester Vorarlberg im Festspielhaus Dietmar Mathis

Schwierige Musik

Mit zauberischen obertonreichen Flageoletts steigt die Geige wieder auf, eine Gegenbewegung führt in Zeitlupe nach unten, grelle Fanfaren, wilde „Dies irae“-Zitate und dröhnende Glissandi der Posaunen „verjagen“ die Solistin von der Bühne. Franziska Hölscher, Leo McFall und das SOV begaben sich ganz und gar in diese schwierige, aber auch spannende Musik.

Verglichen mit diesem für manche doch recht wilden und aufgewühlten Stück schenkte Ludwig van Beethovens sechste Symphonie, die sogenannte „Pastorale“, dann wieder schön modellierte, plastisch gestaltete Figuren, die in den ersten Sätzen fast ein wenig spannungsarm und zu beschaulich rüberkamen. (Für manche Mitglieder des SOV, die außerdem den Doppelabend des Opernstudios und die Uraufführung von „Hold your breath“ mitgestaltet hatten, waren dies allerdings auch strenge Wochen der Proben und Konzerte, vielleicht war ein wenig die „Luft raus“.)

Orchesterkonzert 4, Symphonieorchester Vorarlberg
Dirigent Leo McFall Dietmar Mathis


Mit der fein artikulierenden Streichergruppe und den wunderschönen Holzbläserstimmen, allen voran Francesco Negrini an der 1. Klarinette, Heidrun Pflüger und Hermine Wehinger als bewährtem Oboenduo, und Anja Nowotny-Baldauf und Giovanni Fanti an den Flöten, konnte Leo McFall nach dem kurzen und intensiven Aufflammen des Gewitters im vierten Satz den von Beethoven heraufbeschworenen friedlichen Hirtengesang anstimmen. Ganz britischer Gentleman gab auch er im Namen des Orchesters der scheidenden Intendantin Elisabeth Sobotka den Dank für viele Anregungen und Wertschätzung mit auf den Weg nach Berlin.

bregenzerfestspiele.com

Von Katharina von Glasenapp