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Von der Kriegsflucht zur Backkunst: Afrikaner lernt das Handwerk

24.08.2024 • 08:30 Uhr
nton ist Ende Juli aus Afrika nach Klösterle gekommen, um dort in Albrechts Brotwerkstatt backen zu lernen. Er ist bis Mitte September hier
Das neue Teammitglied in der Backstube im Klosteral. Hartinger

Der Flüchtling aus dem Südsudan Anthony arbeitet als Bäcker in einer Missionsstation in Uganda. Seit einem Monat ist er in Klösterle, um dort backen zu lernen.

“Ich zeige es dir“, sagt Bäcker Gerhard Albrecht zu seinem neuen vorübergehenden Mitarbeiter Anthony Lodu Pipija Lodiong, als dieser gerade die Creme für die Blaubeetorte mit einem riesigen Schneebesen verrührt. „Langsam!“, fordert ihn Albrecht auf. Lodiong tanzt, während er fokussiert die Masse vermengt. Wer die zwei in der Backstube im Klostertal beobachtet, merkt schnell: Lodiong hat viele Fragen an den Bäcker aus Klösterle. „Er möchte alles wissen“, so Albrecht.

nton ist Ende Juli aus Afrika nach Klösterle gekommen, um dort in Albrechts Brotwerkstatt backen zu lernen. Er ist bis Mitte September hier
Gerhard Albrecht erklärt alle Handgriffe und Schritte zum perfekten Brot und Kuchen. Hartinger

Denn Lodiong ist nur für eineinhalb Monate in Vorarlberg tätig. Bis zu seiner Abreise möchte der 21-Jährige noch so viel Wissen wie möglich aufsaugen, damit er dieses dann mit nach Afrika nehmen kann. Dann wird er mit ins Englische übersetzten Rezepte aus der Bäckerei „Albrecht`s Brotgenuss“ in Klösterle in seinen zwei Rucksäcken zurück nach Uganda fliegen. Dort möchte er das Wissen dann weitergeben und in seinem Arbeitsalltag anwenden.

Anthony in Klösterle
Nur mit zwei Rucksäcken landete der 21-Jährige in Zürich. Privat

Missionsstation St. Martin

Dort arbeitet Lodiong, der aufgrund des Bürgerkrieges aus seiner Heimat im Südsudan geflohen ist, aktuell in einer Bäckerei in einer Missionsstation St. Martin beim Flüchtlingslager Palorinya in Moyo in Uganda. Die katholische Flüchtlingshilfe-Einrichtung bietet unter anderem mehrere Werkstätten, ein Schule, einen Friseur, ein Restaurant und eine Tankstelle.

Bäckerei Afrika
So wird in der Missionsstation das Brot ausgeliefert. Privat

Und eine Bäckerei. Wo einst nur ein leerer Raum war, hat Albrecht aus dem Klostertal im Herbst 2023 bei der Inbetriebnahme geholfen und eine Bäckerei daraus gezaubert. So hat er auch Lodiong kennengelernt. Mit einer Mischmaschine im Gepäck sind Albrecht und Richard Burtscher, der ebenfalls aus dem Klostertal ist, nach Uganda gereist. Dieser unterstützt schon seit mehr als 15 Jahren den Bruder und Stationsbetreiber Erich Fischnaller erst noch in Südsudan und dann in Uganda.

Bäckerei Afrika
Gerhard Albrecht bei seinem Besuch in der Missionsstation. Dort gab er Backkurse. Privat

Die Reise mit Albrecht soll jedoch seine letzte dorthin gewesen sein, denn die Hitze macht dem 77-Jährigen aus Dalaas zu schaffen. Mit im Gepäck hatten die beiden Vorarlberger auch Input für ein paar dort unüblichen Brotsorten, wie etwa Vinschgerl oder Zopf. Denn dort wird hauptsächlich ein Teig aus Mehl, Wasser, Backpulver und Zucker im Fett herausgebacken. Albrecht war es wichtig, gesündere Alternativen und eine Sortenvielfalt aufzuzeigen.

Bäckerei Uganda
Das Brot wird in Uganda im Fett statt im Ofen ausgebacken. Privat

Backen ohne Waage

Vor Ort zeigte Albrecht dann den ungelernten Mitarbeitern in der Backstube, wie man Brot zubereitet. Waagen oder Rezepte waren dort kein Begriff. Die Waage stand zwar griffbereit im Regal – wurde jedoch missachtet. So schmeckte das Brot an einem Tag salzig, am anderen nicht, erzählt Albrecht. Auch die unterschiedlichen Portionsgrößen bewirkten, dass das eine Brötchen fertiggebacken ist und das andere noch teigig in der Mitte.

nton ist Ende Juli aus Afrika nach Klösterle gekommen, um dort in Albrechts Brotwerkstatt backen zu lernen. Er ist bis Mitte September hier
In Klösterle lernt der 21-Jährige eine Brotvielfalt kennen. Wie diese Brezel.Hartinger
nton ist Ende Juli aus Afrika nach Klösterle gekommen, um dort in Albrechts Brotwerkstatt backen zu lernen. Er ist bis Mitte September hier
In Vorarlberg bäckt er im Gegensatz zu Uganda im Ofen. Hartinger

Bei seinen Besuchen in Afrika hat Albrecht sofort wahrgenommen, dass Lodiong Interesse zeigt. Deswegen hat er dem 21-Jährigen angeboten, dass er nach Vorarlberg kommen könnte. Es folgten Besuche bei der Botschaft in Uganda, die Organisation eines Mobiltelefones und eines Reisepasses. Daraufhin hat Albrecht ein Arbeitsvisum beantragt und dem 21-Jährigen das Flugticket gebucht. Als alles endlich geregelt war, konnte Lodiong dann endlich anreisen.

Anthony in Klösterle
Voll im Einsatz in der Backstube in Klösterle. Privat

Traum einer eigenen Bäckerei

Albrecht hatte eigentlich gar keinen Bedarf von einem zusätzlichen Mitarbeiter. Albrecht möchte vor allem seinem Besucher eine Möglichkeit bieten, bei ihm in der Backstube dazuzulernen. Denn dem Bäcker liegt am Herzen, dass die Mitarbeiter in Uganda gesünderes Brot und eine größere Stückanzahl selbst produzieren können. „Hilfe zur Selbsthilfe“ nennt er das.

nton ist Ende Juli aus Afrika nach Klösterle gekommen, um dort in Albrechts Brotwerkstatt backen zu lernen. Er ist bis Mitte September hier
Das Team von “Albrecht’s Brotwerkstatt” und das neue Teammitglied zeigen stolz ihr Ergebnis. Hartinger

Am siebten September wird Lodiong wieder abreisen. Das in Vorarlberg verdiente Geld möchte er dafür nutzen, den Autoführerschein zu absolvieren. Denn das Gehalt übersteigt die 30 bis 50 Euro in Afrika im Monat deutlich. Doch der Abschied soll nicht für immer sein. In der Wintersaison will er wieder zurückkommen. Dann wird er das erste mal eine Winterjacke brauchen – zu Hause hat er keine, erzählt er. Doch er möge das Wetter hier, da es nicht so heiß sei.

nton ist Ende Juli aus Afrika nach Klösterle gekommen, um dort in Albrechts Brotwerkstatt backen zu lernen. Er ist bis Mitte September hier
Der 21-Jährige beobachtet jeden Handgriff ganz genau. Hartinger

Bis zur Abreise wird er die einzelnen Handgriffe noch genau beobachten. „Ich sehe es und merke es mir und dann werde ich irgendwann das können, was Gary macht, wenn er nicht mehr bei mir ist“, sagt Lodiong. Wer die zwei in der Backstube beobachtet, merkt sofort, dass die beiden aktuell viel Zeit miteinander verbringen. Albrecht kann sogar teilweise übersetzen, was der 21-Jährige sagen möchte, wenn es mit anderen zu sprachlichen Barrieren kommt. Seine Muttersprache ist Kuku, mit Albrecht spricht er auf Englisch.

nton ist Ende Juli aus Afrika nach Klösterle gekommen, um dort in Albrechts Brotwerkstatt backen zu lernen. Er ist bis Mitte September hier
In der Backstube herrscht große Konzentration. Hartinger

„Mein Plan für die Zukunft ist, eine eigene Bäckerei zu eröffnen“, träumt der 21-Jährige von der Zukunft. Wo? Genau kann er diesen nicht benennen. Doch eines weiß er: An einem Ort, an dem Frieden herrscht.

Anton in Vorarlberg/Uganda
Bei einem Ausflug in seiner vorübergehenden neuen Heimat. Privat