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“Es tut weh, wie wenig sich verändert hat”

15.11.2024 • 06:00 Uhr
Feldkirch montforthalle
Auch Larissa, Chantal, Selma und Michelle von der HLW Feldkirch waren unter den Besucherinnen. Hartinger (8)

Bereits zum achten Mal fand der vom „Femail“ und der Landesregierung organisierte Frauengesundheitstag am Donnerstag im Montforthaus in Feldkirch statt.

Von Emilia Waanders und Hannah Swozilek

“Du möchtest das Blut und die Milch versteckt halten, als ob der Leib und die Brust dich nie genährt hätten.“ Mit diesem Denkanstoß begrüßte die Geschäftsführerin von „Femail“, Lea Putz-Erath, die 104 Teilnehmer und Teilnehmerinnen herzlich zum Frauengesundheitstag, der unter dem Motto „Auf dem Weg zur Selbstbestimmung? Ein psychologischer und medizinischer Blick auf die sexuelle und reproduktive Gesundheit von Frauen“ stand.

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Geschäftsführerin Lea Erath-Putz und Christa Bauer von „Femail“.

Die kostenlos zur Verfügung gestellte Veranstaltung war bis auf den letzten Platz ausgebucht. Während noch die letzten Nachzüglerinnen eintrafen, begann das Programm mit der Rednerin Barbara Maier. Neben ihr eine Dolmetscherin, die das Gesagte in Gebärdensprache wiedergab.

Rechte sind nicht immer nutzbar

Maier ist die Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Psychosomatik in Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Sie konnte die Leute vor allem mit ihrer Meinung zum umstrittenen Abtreibungsthema in ihren Bann ziehen.
„Nur weil wir Rechte haben, heißt das noch lange nicht, dass wir diese in der Realität nutzen können, wenn es an Serviceangeboten fehlt.“ Die Wienerin spielte damit auf das noch immer ausbaufähige Angebot für Schwangerschaftsabbrüche an. Den Tag über folgten weitere Beiträge und Workshops zu frauengesundheitlichen Themen.

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Das Publikum hört Rednerin Barbara Maier gespannt zu.

Gemüsesticks und Lektüre

Unterbrochen wurde das Programm lediglich von einer kleinen Mittagspause, in der ein gesundes Buffet mit belegten Brötchen und Gemüsesticks angerichtet wurde. Gegenüber des Speisenangebots befand sich ein bunter Tisch, der mit verschiedenster Lektüre rund um das Thema Frauengesundheit gefüllt war.

Frauengesundheitstag FEMAIL
Die bunte Vielfalt der “weiblichen Lektüre”. WAANDERS

Die Besucherinnen und Besucher versammelten sich rund um die Stehtische im Eingangsbereich und tauschten sich angeregt über neu gewonnenes Wissen aus. Unter ihnen war auch eine interessierte Schulklasse der HLW Feldkirch, die die jüngere Generation auf dem Event vertrat.

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In der Pause war persönlicher Austausch angesagt.
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Valentina und Elena informierten sich über das Tagesprogramm.
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Diskussionen und gesunde Jause.

Nur ein einziger Mann

Der Raum war gefüllt von Gesprächen und Gelächter. In der weiblichen Menschenmenge stach eine Person besonders heraus: Michael Schiemer. Unter den 102 anwesenden Gästen war er der einzige Mann auf der gesamten Veranstaltung.

“Frauengesundheit betrifft mich als Mann genauso, denn es ist auch mein Kind und meine Sexualität.”

Michael Schiemer
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Der einzige männliche Teilnehmer der Veranstaltung: Michael Schiemer.

„Ich weiß nicht, ob es das fehlende Interesse ist oder einfach nur die Ignoranz und Überheblichkeit der Männer.“ Schiemer sieht seine Chancen, etwas an dem „egoistischen Männerbild ändern zu können“ eher gering.
„Ich versuche es zumindest, indem ich heute hier bin. Es ist eine minimale Präsenz, verschwindend gering“, lacht er. Außerdem findet Schiemer, dass er genauso von Frauengesundheit betroffen ist. „Im Endeffekt ist es auch meine Sexualität und mein Kind.“ Er meint, es wäre absurd so zu tun, als ob er nicht daran beteiligt wäre.
„Es tut weh zu sehen, wie wenig sich verändert hat.“ Schiemer sieht es aber durchaus positiv, dass mittlerweile das Wissen für eine Veränderung vorhanden sei.

„In der Gesellschaft ist es leider normal, dass solche Wandlungen Jahrzehnte oder Jahrhunderte brauchen, um sich durchzusetzen. Aber vielleicht sind wir ja jetzt auf dem richtigen Weg.“

Gespräch mit Barbara Maier: “Frauenrechte sind Menschenrechte”

Feldkirch montforthalle
Barbara Maier im Gespräch mit der NEUE.

Barbara Maier ist die Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Psychosomatik in Frauenheilkunde und Geburtshilfe.

„Frauenrechte sind Menschenrechte.“, sagte sie beim diesjährigen Frauengesundheitstag in ihrem Vortrag mit dem Schwerpunkt „Wie kümmert sich die Gynäkologie um die sexuelle und reproduktive Gesundheit von Frauen?“
Dabei ging sie unter anderem auf das Recht der Abtreibung ein, welches vor allem in den USA aktuell ein großer Kritikpunkt ist.

„Natürlich ist mit der Präsidentschaft des Republikaners Donald Trump die Situation der Frauen sehr wahrscheinlich wieder schwieriger geworden.“ Maier erzählt: “Es gab in einzelnen US-Bundesstaaten Tendenzen, den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen mit Hindernissen zu pflastern.“ Als Beispiel nennt sie das sogenannte „Heartbeat-Bill“-Gesetz, welches vorschreibt, dass Schwangerschaftsabbrüche illegal sind, sobald der Herzschlag des Fötus festgestellt werden kann. Dies geschieht normalerweise nach sechs Wochen. „Frauen haben oft sehr unregelmäßige Zyklen. Demnach wissen sie bis zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, dass sie schwanger sind. Danach haben sie keine Möglichkeit mehr, eine Abtreibung durchzuführen.“

Abschließend appelliert die Wienerin: „Um Frauengesundheit zu fördern, sollte man selbst Vorbild sein.“ Laut Maier fängt die Vorbildfunktion schon bei der gesunden Ernährung der eigenen Kinder an. Ebenfalls rät sie, das Wissen über Frauengesundheit weiterzugeben. Ob in der Familie, unter Freunden oder im Schulunterricht: Es sollte viel mehr über das Thema gesprochen werden.

Drei Fragen an Martina Rüscher

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Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher im Interview mit der NEUE. Waanders

1. Wie kommt es zur Auswahl der Themen und der Vortragenden?
Martina Rüscher: Das Frauenreferat trifft sich im Gesundheitsreferat mit uns Landesrätinnen zu einem jährlichen Auftakttreffen. Wir suchen uns dann aktuelle Themen aus, die zu den Vorschlägen von Femail passen. Dieses Jahr haben wir uns für In-vitro-Fertilisation (IVF), also die künstliche Befruchtung, entschieden. Beim Vortragen ist es uns sehr wichtig, einen positiven Zugang zu wählen.

2. Was wünschen Sie sich für die Frauengesundheit in Vorarlberg?
Rüscher: Ich wünsche mir vor allem einen verallgemeinerten Zugang für Frauen. Oft wünschen sich diese spezialisierte Zugänge, aber ich finde, im Sinne der Inklusion, sollten alle Settings alles können. Egal wo man hinkommt, sollten Frauen sich gut aufgehoben fühlen. Außerdem ist mir die Trennung von Mann und Frau in der Medizin zu wenig. Mittlerweile gibt es schon personalisierte Medizin, die sich nicht nur auf Geschlecht, sondern auch auf andere Umstände, wie beispielsweise Alter oder Tätigkeit, bezieht.

3. Wenn Sie allen Frauen eine wichtige Message mit auf den Weg geben könnten, welche wäre das?
Rüscher: Egal ob bei Männern oder Frauen: Man widmet sich oft erst dann seinem Körper, wenn es schon zu spät ist. Wartet nicht auf eine Krankheit oder einen Unfall, sondern schaut rechtzeitig darauf, dass ihr gesund seid.