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Ein Mosaik zum Gedenken an Opfer – nicht an „Helden“

18.07.2025 • 07:00 Uhr
Ein Mosaik zum Gedenken an Opfer – nicht an „Helden“
Kohler/Bereuter/Paulitsch

Rankweil hatte den Gefallenen des Ersten Weltkrieges, wie in den 1930er-Jahren üblich, kein Denkmal errichtet. 1953 wurden zwei Entwürfe für die Gefallenen beider Weltkriege realisiert. Das Mosaik wurde nun restauriert.

Von Kurt Bereuter
neue-redaktion@neue.at

Im Jahr 1953 wurde, neben einem klassischen Kriegerdenkmal des NS-nahen Architekten Hugo Wank, ein beeindruckendes Mosaik, das etwa 5,40 mal 3,50 Meter misst, vom heimischen Künstler Martin Häusle realisiert. Für einen ausgeschriebenen künstlerischen Wettbewerb wurden vom Künstler mehrere Entwürfe angefertigt. Die Steine für dieses Mosaik sammelte der Künstler in allen Teilen unseres Landes. Sein Sohn, Martin Häusle jun., kann sich noch erinnern, dass er mit seinem Vater auf dem Sozius seines Mopeds, samt kleinem Anhänger, in mehreren Flüssen des Landes Steine, die von der Größe, Form und Farbe passen mussten, sammeln fuhr. Im Atelier fügte Häusle dann die Steine auf Quader in einer Größe von etwa 40 mal 40 cm zusammen und brachte diese dann an der Wehrmauer der Basilika an. Das Mosaik zeigt einen am Boden liegenden Soldaten, über dem ein (Todes-)Engel schwebt und seine Hände aufhält, um ihn aufzurichten und in sein Reich mitzunehmen. Auf der linken Seite kniet ein weiterer Engel und hält seine Hände auf. Für die Kulturamtsleiterin von Rankweil, Katharina Leissing, ist die Erhaltung dieses Denkmals insofern sehr bedeutend, weil Häusle einen progressiven Blick hatte und vom heroischen Monument, das den Krieg und das Heldentum der Soldaten in den Mittelpunkt rückt, Abstand hält. Leissing: „Dieses feine und auch farblich sehr zurückhaltende Mosaik wächst wie aus der Natursteinmauer heraus, er schreit nicht, es mahnt still und rückt den Frieden und die Unsinnigkeit von Krieg in den Vordergrund. Ein wichtiges Zeitzeugnis, das leider auch in der Gegenwart wieder zum Frieden mahnen muss.“

Ein Mosaik zum Gedenken an Opfer – nicht an „Helden“
Archivmitarbeiterin Stefanie Kollmann-Obwegeser und Kulturleiterin Katharina Leissing vor dem frisch sanierten „Häusle-Mosaik“ an der Wehrmauer der Basilika in Rankweil.

Ein Künstler mit progressivem Blick

Der bekannte akademische Maler und Staatspreisträger Martin Häusle (1903-1966) stammte aus Satteins, studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Wien Malerei und machte eine bemerkenswerte Karriere. 1947 erhielt er im Rahmen einer Gruppenausstellung im Wiener Künstlerhaus einen österreichischen Staatspreis und nahm 1950 an der Biennale in Venedig teil. Seine bekanntesten Werke sind vor allem in Kirchen zu finden. Das Deckenfresko in der Kirche St. Corneli in Tosters oder die Glasfenster in der Pfarrkirche von Götzis und eben auch das Mosaik in Rankweil. Erwähnenswert ist sein Altarwandgemälde der Pfarrkirche St. Leonhard in Villach von 1947. Daneben schuf er auch Bühnenbilder und sogar einen Briefmarkensatz für das Fürstentum Liechtenstein, aber auch Porträts, Landschaftsbilder und Stillleben.

Ein Mosaik zum Gedenken an Opfer – nicht an „Helden“
Sehr künstlerisch, empathisch und zurückhaltend in die Mauer integriertes Mosaik erinnert an die Opfer beider Weltkriege in Rankweil.

Zwei Denkmäler – zwei gegensätzliche Botschaften

In Rankweil gab es zwar wie in vielen anderen Gemeinden des Landes schon Überlegungen in den 1930er-Jahren den Gefallenen des Ersten Weltkrieges eine Gedenkstätte zu errichten, tatsächlich wurde das „Kriegerdenkmal“ aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg für die Opfer beider Weltkriege errichtet. Dafür wurde eigens ein Kriegerdenkmalausschuss gegründet, dem der damals junge, und spätere Landeshauptmann, Herbert Kessler vorstand. Nach einem künstlerischen Wettbewerb wurden aber gleich zwei Entwürfe ausgewählt, die am gleichen Platz realisiert werden sollten. Sie standen sich vom künstlerischen und inhaltlichen Anspruch diametral gegenüber. Während nämlich Martin Häusle sein expressionistisch anmutendes Werk an die „Wehrmauer“ anbringen durfte, konnte Hugo Wank, der als Sieger vor Häusle aus dem Wettbewerb hervorging, davor eine martialische Gedenkstätte im Stile der anderen Vorarlberger Denkmäler umsetzen. Dieses besteht heute nur mehr zum Teil. Sowohl ein Birkenkreuz, anfänglich mit Stahlhelm, wie es auf den russischen Schlachtfeldern oft zum Einsatz kam, wie auch ein Eisenring mit Schalen für die Erde von acht Schlachtfeldern der beiden Kriege, die mit heimischer Erde vermischt wurde, wurden im Laufe der Zeit entfernt. Geblieben ist das Kreuz beim Steinaltar mit den Namen der in den beiden Kriegen gefallenen Soldaten und der Steinkreis mit Inschrift, der heute in der Mitte bepflanzt ist. Wie schon Norbert Schnetzer als Gemeindearchivar von Rankweil feststellte: „Das Kriegerdenkmal von Wank fokussiert auf die Soldaten und den Krieg, eine Darstellung des Friedens hat keinen Platz. Im Erinnern an die gefallenen Soldaten der beiden Weltkriege zählt hier der Krieg, denn um den Frieden wurde kaum gekämpft.“ Schon gar nicht an jenen Orten, an denen die Soldaten gefallen waren, möchte man ergänzen. Auch vor dem Hintergrund der noch genauer zu erforschenden NS-Ideologie von Hugo Wank, der übrigens in der NS-Zeit auch das Dornbirner Rathaus als Parteigebäude umplante, müsste dieses Denkmal einer kritischen Reflexion unterzogen werden. Archivmitarbeiterin Stefanie Kollmann-Obwegeser ergänzt, dass die Namen der im Zweiten Weltkrieg gefallenen und angeführten Soldaten auf mögliche Kriegsverbrecher überprüft werden müssten. Die Erfahrungen von Silbertal mit Josef Vallaster, der in der NS-Euthanasie und im KZ Sobibor mordete, mahnen. Warum sich die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Rankweil 1953 für gleich zwei sehr unterschiedliche Denkmalentwürfe entschied, obwohl Wank im Wettbewerb als Sieger hervorging, kann durch die Akten nicht erklärt werden.

Restaurierung mit Originalsteinen

Während also das Wank-Denkmal im Laufe der Zeit von seiner martialischen Sprache weitgehend befreit wurde, wurde das Häusle-Mosaik vom Restaurator Claudio Bizzarri im Frühsommer restauriert. Vom guten Zustand des Mosaiks war der Restaurator erstaunt. Dennoch musste er einige Fehlstehlen wieder befüllen und dafür bekam er beim Sohn des Künstlers noch Originalsteine aus der damaligen Sammlung seines Vaters, die noch in seinem Atelier vorhanden waren. Daneben war die Herausforderung den Putz, der immer wieder erneuert wurde und das Kunstwerk in den Hintergrund drängte, freizulegen. Der später angebrachte Sims wurde belassen, weil er einerseits architektonisch eine Trennung schafft und zum zweiten einen gewissen Verwitterungsschutz bietet.

Ein Mosaik zum Gedenken an Opfer – nicht an „Helden“

„Ich empfand immer beide Facetten spannend: Den hohen künstlerischen Wert und die Aussage den Krieg nicht heroisierend, sondern als echtes Leid darstellend.“

Hans Kohler, ehemaliger Bürgermeister

Gedenkveranstaltungen zum 80. Kriegsende-Jubiläum

Die Feierlichkeiten 2025. Alt-Bürgermeister Hans Kohler bemüht sich schon seit den 1990er-Jahren um eine Sanierung dieses Mosaiks und verfasste mit Margarete Zink auch eine kleine Broschüre zum „Kriegerdenkmal“ auf, bzw. an der Basilika. Kohler war vor allem das Mosaik ein Anliegen: „Ich empfand immer beide Facetten spannend, den hohen künstlerischen Wert, und die Aussage das Leid des Krieges nicht heroisierend, sondern echt als solches darstellend.“
Zu Allerseelen, 80 Jahre nach Kriegsende, soll es heuer wieder eine Kranzniederlegung beim Russenfriedhof geben und vom 18. Oktober bis zum 9. November eine Ausstellung im Mesnerstüble unter dem Motto „Von den letzten Dingen“. Am 31. Oktober um 17 Uhr wird das sanierte Denkmal im Rahmen einer „Inegüxla-Veranstaltung“ der Bevölkerung vorgestellt. Möglicherweise wird das Mosaik auch wieder temporär ausgeleuchtet und in seinem Ausdruck noch einmal verstärkt, kommen dann doch die Naturfarben der Steine stärker zum Leuchten.